OMV: Milliarden-Schlacht mit Gazprom
2018 feierte man noch „Goldene Hochzeit“ in der Wiener Hofburg – das 50-jährige Bestehen der Gaslieferverträge zwischen der österreichischen OMV und der staatlichen russische Gazprom. Mit dabei: unter anderem Wladimir Putin und Sebastian Kurz. Der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hat dazu geführt, dass die vertraglich noch auf Jahrzehnte aneinandergebundenen „Eheleute“ OMV und Gazprom mittlerweile vorzugsweise per Anwalt miteinander kommunizieren.
Die OMV betreibt seit dem vergangenen Jahr ein internationales Schiedsverfahren gegen Gazprom. Auf der Hauptversammlung des teilstaatlichen österreichischen Energiekonzerns am Dienstag gewährte das Management Einblicke in den Rechtsstreit. Hintergrund sind demnach Schadenersatzforderungen aus entgangenen Einkünften aus einem Joint Venture bei einem Gasfeld in Russland. Der Klagsbetrag belaufe sich auf 1,28 Milliarden Euro – dies für den Zeitraum von Februar 2022 bis Juni 2023. Die Anwaltskosten der OMV für das Schiedsverfahren machen mittlerweile rund eine Million Euro aus – vertreten werde der Konzern durch eine Londoner Kanzlei und deren Partnerkanzleien. Für das Gericht selbst seien bisher Kosten von rund 300.000 Euro angefallen.
Russland wiederum hat versucht, der OMV ihre Beteiligung am sibirischen Gasfeld „Juschno Rosskoje“ per Dekret wegzunehmen. OMV-Generaldirektor Alfred Stern sprach auf der Hauptversammlung diesbezüglich von „Enteignung“. In Reaktion auf das Vorgehen per Schiedsverfahren habe Gazprom Gegenklagen eingebracht – und zwar vor russischen Gerichten. Ein solches Gericht in St. Petersburg hat Gazprom vor einigen Tagen Recht gegeben. „Wir erkennen den Gerichtsstand nicht an“, sagte Stern vor den Aktionären. Diesbezüglich sei vertraglich anderes vereinbart. Die OMV wiederum halte sich „an geltendes Recht und bestehende Verträge“. Aufgrund von Diversifizierungsbemühungen sei die OMV jedenfalls in der Lage, ihre Kunden auch dann zu beliefern, falls russische Gaslieferungen ausbleiben sollten, hielt Stern fest.
Umstrittenes Projekt „Neptun“
Ein Projekt, dessen Vorantreiben die OMV-Spitze bei der Hauptversammlung mit der Sicherstellung der europäischen Energieversorgung argumentierte, ist das Gas-Projekt „Neptun“ vor der rumänischen Küste im Schwarzen Meer. Die finale Investitionsentscheidung sei im Juni 2023 gefallen, mittlerweile habe man mehr als 80 Prozent der Ausführungsverträge vergeben. Mit dem Beginn der Produktion rechnet die OMV im Jahr 2027: „Dann wird Rumänien zum größten Erdgasproduzenten in der EU“, betonte Stern.
Was beim OMV-Chef Freude auslöst, sorgt bei Umweltschützern für gesteigerten Unmut. Sie verlangen eine raschere Abkehr des teilstaatlichen Konzerns von fossilen Energieträgern. Die OMV-Führung hingegen will ihr Geschäftsmodell eher graduell in Richtung nachhaltiger Energie umstellen – auch wenn das Unternehmen seine diesbezüglichen Bestrebungen besonders hervorkehrt.
Kleine Proteste, viele Fragen
Zu Beginn der Hauptversammlung in der Messe Wien kam es im Saal zu kleineren Protesten von Umweltschützern, die nach wenigen Minuten wieder beendet waren. Dennoch gelang es mehreren Klima-Organisationen, einem Gutteil des Aktionärstreffens den Stempel aufzudrücken. Dies nicht mit lautstarken Parolen, sondern mit Redebeiträgen und Fragen an das Management.
Jede Aktionärin und jeder Aktionär hat das Recht, sich bei der Hauptversammlung zu Wort zu melden. Und niemand kann Vertreterinnen und Vertretern von Umweltschutzorganisationen verbieten, OMV-Aktien zu kaufen. Alleine in den ersten zwei Fragestunden sprachen zwei Personen von „Greenpeace“, ein Vertreter von „Fridays for Future“, ein Nationalratsabgeordneter der Grünen (Martin Litschauer), drei Aktivistinnen bzw. Aktivisten von „Attac“ und eine Vertreterin der Organisation „Bankwatch“ aus Rumänien. Mit ihren Statements und zahlreichen Fragen versuchten sie, der OMV, die sich gerne ein betont grünes Mäntelchen umhängt, auf den Zahn zu fühlen.
Schweigen zum Borealis-Deal
Auf den Zahn fühlte dem OMV-Management auch Florian Beckermann vom Interessenverband für Anleger (IVA). Er fragte unter anderem zu einem Thema, welches die Konzernspitze in ihren Anfangspräsentationen gänzlich ausgeklammert hatte: Die Fusionsverhandlungen zwischen der OMV und dem OMV-Aktionär Adnoc aus Abu Dhabi bezüglich der Chemie-Töchter Borealis und Borouge. Die Verhandlungen verlaufen äußerst zäh – profil berichtete. Kommt es zu einem Deal, könnte das weitreichende Auswirkungen auf die OMV und ihre Strategie haben.
Auf der Hauptversammlung ließ sich das Management diesbezüglich nicht in die Karten schauen. Man werde rechtzeitig darüber informieren, hieß es lediglich. Im Falle eines Abschlusses beabsichtige man laut Stern allerdings nicht, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Wesentlicher Player auf österreichischer Seite ist die staatliche Industrieholding ÖBAG, die 31,5 Prozent der OMV-Aktien hält. Im Zuge der Hauptverhandlung wurden mehrere Personen als neue Kandidaten für die Wahl in den OMV-Aufsichtsrat präsentiert. Bei zwei von ihnen soll es sich um die Borealis/Borouge-Verhandler auf Adnoc-Seite handeln: Executiv Director bei Adnoc, Khaled Salmeen, und Finanzvorstand Khaled Al Zaabi sind als als neue Eigentümervertreter für den OMV-Aufsichtsrat vorgesehen.
Seele kassiert bis 2025
Während die Hauptversammlung im vorangegangenen Jahr noch stark von Debatten rund um den früheren OMV-Chef Rainer Seele geprägt waren, kam er diesmal nur am Rande vor. IVA-Vorstand Beckermann wollte wissen, wann das der Langfrist-Bonus von Seele ausläuft. Die OMV gewährt Managern Prämien, die dann ausbezahlt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen über mehrere Jahre hinweg erfüllt werden – offenbar auch über das Ausscheiden aus dem Unternehmen hinaus. Aufsichtsratschef Lutz Feldmann legte dar, dass das Bonusprogramm Seeles auch noch das Jahr 2024 umfasse. Ende des Jahres werde abgerechnet. Dann bekomme er 2025 das letzte Mal Geld.