Wirtschaft

OMV: Zurück zum Gas

Der heimische Mineralölkonzern will mit seiner Petrom-Tochter und einem Konsortium ein zweites Gasfeld im Schwarzen Meer erschließen. Indes geht das Tauziehen um die Zukunft der Borealis los.

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Im Schwarzen Meer schlummern Milliarden Kubikmeter Erdgas unter dem Meeresgrund. Und an einem beachtlichen Teil davon hat sich die teilstaatliche OMV direkt oder indirekt Anteile gesichert. Im Juni fiel die Investitionsentscheidung für das Erdgas-Förderprojekt „Neptun Deep“, einem Gasfeld vor der rumänischen Schwarzmeerküste. Vier Milliarden Euro müssen hier zwischen 2024 und 2026 investiert werden, wobei sich die OMV-Tochter Petrom und die staatliche rumänische Gasgesellschaft Romgaz die Kosten teilen. profil berichtete. Und jetzt soll auf der südlichen Seite der Seegrenze, also in bulgarischen Hoheitsgewässern, weitergebohrt werden.

Im Gasblock „Khan Asparuh“ könnten laut dem bulgarischen Energieministerium zwischen 210 und 510 Milliarden Kubikmeter Erdgas liegen. Die seismischen Untersuchungen laufen noch. Doch Geologen, die OMV Petrom (die als Konzerntochter für das Projekt zuständig ist) und lokale Behörden rechnen damit, dass jährlich bis zu 13 Milliarden Kubikmeter Gas aus diesem Depot gewonnen werden könnten. Zum Vergleich: Österreich verbraucht pro Jahr circa neun Milliarden Kubikmeter Gas. Im kommenden Jahr sollen die Probebohrungen beginnen, heißt es vonseiten der OMV.

Neu sind diese Gasfelder nicht. Bis jetzt hielt sich das Interesse an der Erschließung aber in Grenzen. Lange Zeit fehlten schlicht die technologischen Möglichkeiten, um tatsächlich abschätzen zu können, wie viel Gas unter dem Meeresboden steckt und ob Gasbohrungen sinnvoll sind. Außerdem waren neue Gasprojekte vor Kriegsbeginn, als der Gaspreis noch niedrig war und das Gas aus Russland ungehindert floss, schlicht nicht rentabel und in Zusammenhang mit den EU-Klimazielen auch nicht erwünscht. Und nicht zuletzt waren Gazprom alle Diversifikationsbemühungen ihrer Vertragspartner und in den Abnehmerländern in der Vergangenheit ein Dorn im Auge – es wurde auch entsprechend dagegen lobbyiert. Seit dem Einmarsch in die Ukraine und der Energiekrise im Vorjahr ist aber alles anders.

Schon 2012 bekam ein Konsortium aus OMV, der französischen Total Energies und der spanischen Respol eine behördliche Genehmigung für die Suche und Sondierung von Erdgas- und Erdölvorkommen im Schwarzen Meer vor der bulgarischen Küste. 2020 zog sich Respol aus dem Projekt zurück; heute entfallen 57 Prozent des Gasprojekts auf Total Energies und 43 Prozent auf OMV Petrom. Derzeit laufen auch Gespräche mit der staatlichen „Bulgarischen Energieholding“, ob sich der Staat mit 20 Prozent am Projekt beteiligt. Laut der bulgarischen parlamentarischen Energiekommission sollen bisher für Lizenzen, Messungen und Bohrungen sowie andere Gebühren schon insgesamt 450 Millionen Euro in dieses Projekt geflossen sein.

Unsicherheitsfaktor Russland

Generell rückt Gas bei der OMV, an der der Bund über die ÖBAG 31,5 Prozent hält, wieder in den Mittelpunkt. Im niederösterreichischen Wittau soll ein neues Gasfeld erschlossen werden. Und bei der Halbjahrespressekonferenz Ende Juni verkündete OMV-Chef Alfred Stern, dass der heimische Energieriese einen zehnjährigen Flüssiggas-Liefervertrag mit dem britischen Gas- und Erdölunternehmen BP geschlossen hat. Ab 2026 soll jährlich eine Million Tonnen Liquified Natural Gas (LNG) über unterschiedliche LNG-Terminals in Europa nach Österreich fließen.

Solange Russland liefert, werden wir auch die vertraglich festgelegten Mengen weiter beziehen.

Alfred Stern

OMV-Vorstandsvorsitzender

Diese Investitionen in neue Gaslieferquellen haben viel mit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine zu tun und dem nach wie vor bestehenden Gasliefervertrag mit der staatlichen russischen Gazprom. Laut dem Energiedashboard des Klimaschutzministeriums kommen derzeit 60 Prozent der heimischen Erdgaslieferungen aus Russland. Der Liefervertrag gilt bis 2040, und erst kürzlich sagte OMV-Chef Stern der „Financial Times“: „Solange Russland liefert, werden wir auch die vertraglich festgelegten Mengen weiter beziehen.“ Für diese Aussage wurde Stern international durchaus heftig kritisiert. Allein, Russland könnte schon sehr bald – unfreiwillig – aufhören zu liefern. 2024 läuft der Gas-Transit-Liefervertrag zwischen der Ukraine und Russland aus, der der Ukraine zuletzt jährliche Einnahmen von über einer Milliarde US-Dollar einbrachte. Über diese Route kommt auch das russische Gas nach Österreich, und es ist mittlerweile die einzige funktionsfähige Gasroute aus Russland in die EU. In der kriegsgeplagten Ukraine hat man aber schon angekündigt, den Transitvertrag nicht zu erneuern. Und dann fließt auch durch die „Friendship“-Pipeline kein Gas mehr nach Österreich.

Borealis auf dem Spiel

Eigentlich sollte die Petrochemie-Tochter der OMV, Borealis, den Konzern in eine grüne, fossilfreie Zukunft führen, in der Erdöl nicht mehr verbrannt, sondern veredelt und recycelt wird. Erst vor drei Jahren kaufte man dem damaligen OMV-Miteigentümer, dem arabischen Staatsfonds Mubadala, um viel Geld Borealis-Anteile ab und stockte die Beteiligung auf 76 Prozent auf. Jetzt aber könnte die Borealis nicht Österreich und die OMV, sondern die Arabischen Emirate und die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) in eben diese grünere Zukunft führen. Auch darüber berichtete profil ausführlich.

Mitte Juli gab die OMV bekannt, Verhandlungen über die Zusammenlegung der Polyolefine-Töchter Borealis und Borouge mit der Adnoc aufgenommen zu haben. Adnoc ist mit 25 Prozent an der OMV beteiligt und hält direkt beziehungsweise über die OMV-Beteiligung 43,7 Prozent an der Borealis. Die Verhandlungen sind alles andere als unheikel.

Wie profil erfuhr, geht es vor allem um folgende Fragen: Zieht sich die OMV auf eine reine Finanzbeteiligung in der Borealis zurück? Wer soll operativ das Sagen in diesem neuen Unternehmen haben? Und wo wird die Firmenzentrale stehen – in Wien oder in den Emiraten? „Die Verhandlungen laufen. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir keine Angaben zu den Details machen“, sagt eine OMV-Sprecherin auf Nachfrage. Adnoc hat aber jedenfalls ein berechtigtes Interesse daran, seine Petrochemie-Beteiligungen zu bündeln – und gar kein Interesse an einem Konkurrenz-unternehmen auf dem Weltmarkt aus dem eigenen Haus.

Zum Hintergrund: Mit der „Strategie 2030“ will Abu Dhabi seine Petrochemieindustrie zum Weltmarktführer samt Mega-Hub ausbauen und eigene Erdölvorkommen dafür nutzen. Adnoc ist an der sogenannten „Abu Dhabi Chemicals Industrial City“ in der Nähe von Taweelah beteiligt. Eine Fusion der beiden Töchter Borouge und Borealis würde nicht nur die Unternehmensstruktur vereinfachen, sondern auch die Position am Weltmarkt stärken. Grüne und NEOS orten allerdings hier die Gefahr, dass Know-how, Forschungsleistung und nicht zuletzt auch Arbeitsplätze nach Abu Dhabi abwandern könnten und haben entsprechende Parlamentarische Anfragen eingebracht.

Fraglich ist auch, wie viel Verhandlungsmacht und Spielraum die OMV und die ÖBAG in der Sache haben. Adnoc ist ein milliardenschwerer Weltkonzern und Miteigentümer der OMV, der auch mittlerweile beachtliche Mengen LNG vertreibt. Sollte man sich in der Sache nicht einigen, könnte die gemeinsame Unternehmensführung ungemütlicher werden.

Architekt der Petrochemie-Strategie der OMV war übrigens deren ehemaliger Vorstandsvorsitzender Rainer Seele. Jetzt soll er als Berater für die Adnoc tätig sein und könnte in Abu Dhabi nun das umsetzen, was er in Wien ursprünglich vorhatte.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".