Wirtschaft

Die neuen Glücksspieler

Vor der Ausschreibung der heiß begehrten österreichischen Glücksspiellizenzen bringen sich aktuell neue Interessenten in Stellung. Wer in Zukunft mitmischen will – und warum die schwarz-grüne Regierung an einer Gesetzesreform gescheitert ist.

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Ein historischer Altbau hinter dem Wiener Burgtheater: Normalerweise finden hier, in den Räumlichkeiten des ehrwürdigen Presseclubs Concordia, Preisverleihungen, Debatten rund um die Pressefreiheit, Diskussionen betreffend Künstlicher Intelligenz oder ähnlich tiefschürfende Veranstaltungen statt. Nicht so häufig treten dort hingegen Player einer Branche ins Rampenlicht, die in Österreich nicht gerade den besten Ruf genießt: die Glücksspielindustrie.

Anfang der Woche lud die Firma „Entain“, der Mutterkonzern des Sportwettenanbieters bwin, zu einer Pressekonferenz. Vertreter des Unternehmens appellierten dort dafür, nach der Nationalratswahl eine „Enquete zur Zukunft des Glücksspiels in Österreich“ einzuleiten. Ziel wäre es, „die Grundlagen für eine Gesetzesreform“ zu schaffen. Hintergrund: Entain ist bereits jetzt in Österreich tätig und führt hier auch Steuern ab. Mit Marken wie bwin, sportingbet, partypoker und vielen weiteren ist „Entain“ eines jener Unternehmen, das Online-Glücksspiel in Österreich anbietet. Nach geltendem Recht dürfen das Unternehmen das aber eigentlich nicht, denn in Österreich besitzt nur die zur Casinos-Austria-Gruppe gehörende Österreichische Lotterien GmbH – für ihre Plattform „Win2Day“ – eine Online-Glücksspiel-Lizenz.

Zocken lassen ohne Konzession?

Das Interesse an einer Liberalisierung des Online-Glücksspiel-Markts kommt aufgrund der zahlreichen bereits jetzt in Österreich ansteuerbaren „Entain“-Marken nicht von ungefähr. Durch die Schaffung mehrerer Online-Lizenzen könnte nicht nur das von „Entain“-Marken in Österreich angebotene Glücksspiel legalisiert werden. Das Unternehmen verspricht sich daraus auch eine Säuberung des Marktes, denn „leider gibt es noch viele Anbieter aus Curacao oder Asien, die ihre Kunden nicht schützen und auch keine Steuern zahlen“, sagte Florian Sauer, der Österreich-Geschäftsführer von „Entain“, Anfang der Woche.

Glücksspielmonopol in Österreich

In Österreich besteht ein Monopol für bestimmte Glücksspielarten, das hauptsächlich von der Österreichischen Lotterien GmbH (Lotto, Toto sowie Online- und Videoglücksspiel) und der Casinos Austria AG (Betreiber alle lizenzierten Casinos in Österreich) gehalten wird.

Im Hintergrund beobachtet ein weiteres Unternehmen die Vorgänge im millionenschweren Glücksspiel-Bereich: eine Firma namens „Aleatrust“, bei der Personen mit langjähriger Branchenerfahrung tätig sind. 2021 gegründet, bietet das Unternehmen laut eigenen Angaben Services rund um das Glücksspiel, wie „den Aufbau neuer und die Evaluierung bestehender Standorte, die Weiterentwicklung von Spielangeboten sowie alle regulatorischen, fiskal- und ordnungspolitischen Belange.“

Interessant ist ein – zumindest indirekter – Berührungspunkt ins Umfeld des Sportwettenanbieters „Interwetten“: „Aleatrust“ hat erst vor einem halben Jahr gemeinsam mit der „Marcel Fabian Immobilien und Beteiligungs GmbH“ eine Firma namens „Austrotainment GmbH“ gegründet. Geschäftsgegenstand: „die Evaulierung und Umsetzung von Projekten im Bereich Entertainment und Unterhaltung jeder Art“. 

Aleatrust hält 30 Prozent, die „Marcel Fabian Immobilien und Beteiligungs GmbH“ hat ihre 70 Prozent in der Zwischenzeit an eine Firma namens „MF Entertainment GmbH“ abgetreten. Das ändert jedoch nichts an der Person, die dahinter steht: Marcel Fabian, Sohn von Interwetten-Gründer Wolfgang Fabian. Die Verbindung zwischen den beiden ist nicht nur familiärer Natur, sondern auch geschäftlich. So sind Marcel Fabian und sein Vater Geschäftsführer der „Fabian Immobilien GmbH“, welche der „Wolfgang Fabian BeteiligungsgmbH“ gehört. Letztere wiederum hält – laut Firmenbuch von Malta – auch Anteile an der dort registrierten „Interwetten Holding Limited“.

Im April 2024 wurde Marcel Fabian zudem als einer der Geschäftsführer einer „Superfast GmbH“ in Liechtenstein eingetragen. Laut Firmendaten-Anbieter „Northdata“ gehört die Superfast GmbH der österreichischen „WoFaBe Holding GmbH“ von Wolfgang Fabian. Die WoFaBe wiederum scheint im maltesischen Firmenbuch ebenfalls als eine der Aktionärinnen der Interwetten Holding Limited auf.

Wie der „Verein für Konsumenteninformation“ (VKI) auf seiner Internetseite schreibt, ist ausländischen Unternehmen in Österreich zwar das Anbieten von Online-Sportwetten erlaubt, nicht jedoch das von Online-Glücksspiel. „Interwetten“ hat auf seiner Website auch ein Online-Casino und zählt laut VKI damit zur Riege ausländischer Konkurrenten von „Win2Day“, welche „hierzulande aufgrund massiver Werbung bekannt sind und trotz formeller Illegalität Kund:innen finden“.

Laut „Interwetten“-Website verfügt das Unternehmen über eine maltesische Lizenz für Casinospiele. In Österreich wird diese von den Behörden nicht anerkannt. Hier ist das Unternehmen übrigens im kommenden Jahr Hauptsponsor der Skiweltmeisterschaft in Saalbach-Hinterglemm.

Der neue Player „Aleatrust“

„Aleatrust“ bestreitet auf profil-Anfrage jeden geschäftlichen Zusammenhang mit Interwetten: „Es gibt zu Interwetten keine operative oder gesellschaftsrechtliche Verbindung“, teilt CEO Niklas Sattler mit: „Dem Firmenbuch ist zu entnehmen, dass nicht die Familie Fabian, sondern ausschließlich der Sohn von Wolfgang Fabian, Marcel Fabian, mit einer zu 100% in seinem Eigentum stehenden Gesellschaft an der Austrotainment beteiligt ist.“ Auch Interwetten bestreitet auf Anfrage Geschäftsbeziehungen zu „Aleatrust“.

An entsprechenden Konzessionen sind wir grundsätzlich interessiert, müssen aber die Details der Ausschreibung abwarten.

Niklas Sattler, CEO von „Aleatrust“

zur Frage, ob das Unternehmen Interesse an Glücksspiellizenzen hat

Welchen Sinn und Zweck verfolgt aber nun die „Austrotainment“ von „Aleatrust“ und Marcel Fabian? „Sie wurde als Projektgesellschaft gegründet, um dann aktiv werden zu können, sollten sich Optionen ergeben.“, lässt Sattler wissen. Optionen wie etwa Glücksspiellizenzen?

„Wenn jemand so viel Aufwand betreibt, ist davon auszugehen, dass die Interesse an Glücksspiellizenzen haben“, heißt es aus dem Umfeld des Platzhirschen Casinos Austria zu profil. Und auch „Aleatrust“ selbst bestätigt derartige Ambitionen: „Unsere Expertise liegt im terrestrischen Glücksspiel (Anm: ortsgebundene Glücksspiele wie etwa Poker, Roulette, Blackjack oder Automaten). An entsprechenden Konzessionen sind wir grundsätzlich interessiert, müssen aber die Details der Ausschreibung abwarten, ehe wir uns dazu äußern können“, sagt der ehemalige Casinos-Austria-Pokermanager und nunmehrige „Aleatrust“- und „Austrotainment“-Geschäftsführer Sattler zu profil.

Die gescheiterte Reform

Das Problem: die angesprochenen Lizenzen sind noch nicht ausgeschrieben. Und das, obwohl Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bei der Ausschreibung eigentlich bereits im Frühjahr 2024 keine Zeit verlieren wollte und mit dieser Begründung sogar koalitionsinterne Verhandlungen mit den Grünen zu einem neuen Glücksspielgesetz platzen ließ. Das hat profil aus Regierungskreisen erfahren. Es soll in diesem Zusammenhang auch zu einem E-Mail-Wechsel gekommen sein, der zwar im Ton freundlich, im Inhalt jedoch von schweren gegenseitigen Vorwürfen geprägt war.

Seit Jahren ist klar, dass es im Glücksspielbereich Reformbedarf gibt. Die türkis-grüne Bundesregierung widmete sich dem Thema profil-Recherchen zufolge seit 2021, fand letztlich jedoch bis heute keinen Konsens. Der zuständige Finanzminister Brunner ließ den Regierungspartner daher im Februar 2024 wissen, dass er aufgrund des Zeitdrucks die anstehende neue Lizenzvergabe auf Basis der bisherigen Gesetzeslage vornehmen werde – und die Reform abblase.

Denn, obwohl die aktuellen Lizenzen erst per Ende September 2027 auszulaufen beginnen, benötigt ein solcher Prozess in Summe viel Zeit: laut Finanzministerium insgesamt 45 Monate, inklusive Fristen für Einsprüche vor den verschiedenen gerichtlichen Instanzen.

Die Grünen sollen sich einigermaßen irritiert gezeigt und koalitionsintern dem Ministerium vorgeworfen haben, Schuld an der Zeitknappheit zu sein.

Die Nicht-Reform bedeutet aber nicht nur Unklarheit über die per Ende September 2027 nach und nach auslaufenden Konzessionen. Auch der bestehende Interessenskonflikt des Finanzministeriums, das derzeit sowohl Casinos-Austria-Miteigentümer, Aufsichtsbehörde, Lizenzvergeber sowie auch zuständige Abgabenbehörde ist, wurde nicht entschärft.

Feststeht: Der Abbruch der Verhandlungen, mit dem Ziel, keine Zeit mehr bei der Ausschreibung neuer Glücksspiellizenzen verlieren zu wollen, hat sich nicht ausgezahlt. Denn über den Vorbereitungsprozess hinweg ist bis dato aber nicht viel passiert: „Derzeit sind keine Ausschreibungen zur (Neu-)Vergabe der Konzessionen laufend“, schrieb der designierte EU-Kommissar Brunner (ÖVP) Anfang August in einer Anfragebeantwortung an die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. 

Wie steht es aktuell um die auslaufenden Glücksspielkonzessionen?

„Ein Konzessionserteilungsverfahren beginnt erst mit der Veröffentlichung der jeweiligen Unterlage zur Teilnahme an der öffentlichen Interessentensuche. Die Teilnahmeunterlagen sind bis dato nicht veröffentlicht worden, daher hat das Konzessionserteilungsverfahren auch nicht begonnen“, heißt es auf Rückfrage aus dem Finanzministerium. Welche konkreten Schritte seit Februar vom Finanzamt, das für die Vergabe der Konzessionen verantwortlich ist, eingeleitet wurden, blieb offen.

Eines steht jedenfalls fest: An Interessenten für die neu zu vergebenden Lizenzen würde es nicht mangeln. Bisher ist es allerdings nie jemandem gelungen, die Vormachtstellung der Casinos Austria, welche neben der einzigen Online-Konzession auch sämtliche vergebenen Spielbank-Lizenzen hält, ernsthaft anzukratzen. Alternativen Anbietern blieb bisher nur das sogenannte „kleine Glücksspiel“ (Anm: der zulässige Höchsteinsatz beträgt 10 Euro, der höchstmögliche Gewinn pro Spiel 10.000 Euro) auf Landesebene.

Mitarbeit: Jakob Winter

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).