Russland-Connection: Diskreter Millionen-Deal bei Siegfried Wolf
Wer im Wohnpark „Fontana“ im niederösterreichischen Oberwaltersdorf seine nicht allzu bescheidene Hütte errichten möchte, muss zumindest zwei Voraussetzungen mitbringen: eine Menge Kleingeld und eine gewisse Bereitschaft zur Unterwerfung.
Die Fontana Sportveranstaltungs GmbH von Investor Siegfried Wolf, der wichtige Teile des Areals inklusive Golfplatz gehören, wacht penibel darüber, dass der äußere Schein der Retortensiedlung gewahrt bleibt. In den schriftlichen „Bebauungsvorgaben“, die künftige Anrainer erhalten, ist allerhand geregelt. Unter anderem:
- die Vorgarten-Tiefe („genau 5,00 m“).
- die maximale Gesamthöhe („9,27 m über ‚Gartenniveau‘“).
- wichtige Elemente der Gebäudegestaltung wie die Dachdeckung (bei Steildächern: „Eternit-Faserzement-Dachplatte mit Format 40/30 cm in Doppeldeckung mit gestutzten Ecken oder gleichwertigem Material“ / „Farbe: patinagrün (hellgrün), anthrazit (dunkelgrau) oder dunkelgrün“).
- der Zaun („ein grüner oder dunkelgrauer Maschendrahtzaun inkl. Steher im Betonbett in der Höhe von 1,25 m“ / „Bespannung bzw. der (sic!) Anbringung von Sichtschutzvorrichtung jeglicher Art ist untersagt.“).
- der Rasen („Der Vorgarten inkl. der Grünstreifen zwischen der Straße und dem Gehweg ist mit Fertigrasen zu bepflanzen bzw. zu verlegen.“) und:
- wo genau die vorgeschriebene Hecke zu stehen hat (straßenseitig außerhalb des Zauns, an den restlichen Seiten innerhalb des Zauns).
SAT-Anlagen müssen im uniformen Luxus-Areal hinten im Garten versteckt werden. Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen sind verboten. Auch mit einer anderen Form der grünen Energiegewinnung steht man im Fontana-Reich von Siegfried Wolf offenbar auf Kriegsfuß: „Die Errichtung von Grundwasserwärmepumpenanlagen ist im Wohnpark Fontana untersagt.“ Hingegen gibt es eine Anbindung ans Gasnetz. Ein Treppenwitz: 80 Prozent des Erdgases kommen in Österreich bekanntlich aus Russland. Beileibe nicht die einzige Leitung nach Moskau, die – im übertragenen Sinne – in Fontana existiert.
Mauer der Intransparenz
Wolf hat bekanntlich einen guten Teil seines Vermögens in Russland gemacht. Die Fontana Sportveranstaltungs GmbH (94 Prozent gehören Wolf, fünf Prozent seiner Ehefrau und ein Prozent seiner Familienstiftung) hat in den vergangenen Jahren einen Teil im östlichen Bereich des Fontana-Parks zum Abverkauf vorbereitet. Dort stand einst die Europa-Zentrale von Frank Stronachs Magna-Konzern, bei dem Wolf jahrelang tätig war. Nach seiner Magna-Zeit heuerte Wolf im Imperium des russischen Oligarchen Oleg Deripaska an. Stronach hatte seinerzeit auch den Fontana-Park gegründet, den Wolf dann im Jahr 2014 übernahm.
Nun wird Kasse gemacht. Mitte 2020 verkaufte die Fontana Sportveranstaltungs GmbH zwei große Grundstücke im neu erschlossenen Siedlungsbereich. Insgesamt 9,1 Millionen Euro spülte der Grundverkauf in die Taschen der Wolf-Firma. Inzwischen wird auf Hochtouren gebaut. Doch wer steckt hinter den Eigentümerfirmen, die im Grundbuch eingetragen sind? Baulich mögen in Fontana niedrige Zäunchen ohne Sichtschutz vorgeschrieben sein. Die Eigentümerstruktur des neuen Bauprojekts hingegen ist von einer veritablen Hochsicherheits-Mauer aus Intransparenz und Schweigen umgeben. „profil“ und ORF ist es dennoch gelungen, einiges Licht in einen Immobilien-Deal zu bringen, dessen Spuren geradewegs in den Machtzirkel von Wladimir Putin führen.
„Pandora Papers Russia“
Seit Herbst 2021 veröffentlicht das „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) mit Partnermedien auf der ganzen Welt Rechercheergebnisse aus den sogenannten „Pandora Papers“. Bei den „Pandora Papers“ handelt es sich um geleakte Datensätze von vierzehn großen Treuhand-, Anwalts- und Dienstleistungsunternehmen, die auf die Gründung und Administration von Offshore-Firmen spezialisiert sind. In Österreich sind profil und ORF an der Journalistenkooperation beteiligt.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs sind russische Connections nun noch stärker in den Fokus der Auswertung gerückt – „Pandora Papers Russia“ sozusagen. Das ICIJ hat zudem seine seit Jahren stetig anwachsende, öffentlich durchsuchbare Offshore-Datenbank deutlich erweitert: dies mit besonderem Blick auf russische Klientel.
Angesichts der Russland-Sanktionen plagen sich Behörden in westlichen Staaten derzeit damit, die wahren Besitzverhältnisse zahlloser Yachten, Jets, Villen und Bankkonten auszuleuchten. Vieles davon ist hinter blickdichten Firmen- und Treuhandkonstrukten versteckt. Leaks wie die „Pandora Papers“ sind oft der einzige Weg, um an Informationen gelangen, die niemals den Weg in offizielle Firmenbücher finden würden. Gerade diese Hinweise können jedoch entscheidend sein, wenn es darum geht, Eigentumsstrukturen auszuleuchten. So wie im Fall des Grundstück-Deals der Fontana-Firma von Siegfried Wolf.
Graues Schloss, weiße Burg
Am 6. August 2020 unterzeichnete eine der Töchter Wolfs als Geschäftsführerin der Fontana Sportveranstaltungs GmbH zwei weitgehend deckungsgleiche Verträge. Besiegelt wurde der Verkauf zweier direkt nebeneinander liegender Grundstücke, eines davon 8000 Quadrameter groß, das andere etwas größer als 10.000 Quadratmeter. Käuferin des einen Grundstücks war eine österreichische Firma namens „Grey Schloss GmbH“. Sie blätterte 4,6 Millionen Euro für die 8000 Quadratmeter hin. Die zweite Liegenschaft ging an eine Firma mit überraschend ähnlichem Namen: eine „White Family Castle AG“ (ursprünglich hieß sie noch ähnlicher, nämlich „Wien Schloss AG“) – diese allerdings mit Sitz in Liechtenstein. Die Firma aus dem Fürstentum zahlte 4,5 Millionen Euro für die gut 10.000 Quadratmeter (die jedoch widmungsbedingt weniger Bauland enthalten).
Für die White Family Castle AG unterzeichnete ein Mitarbeiter einer Treuhandkanzlei den Kaufvertrag. Dieser übernahm später übrigens auch bei der Grey Schloss GmbH eine Geschäftsführerfunktion. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass die beiden Grundstücke und ihre tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer in einer Beziehung zu einander stehen könnten. Umso mehr, als die Mutterfirma der Grey Schloss GmbH ebenfalls in Liechtenstein ihren Sitz hat: Sie weist dieselbe Zustelladresse auf wie die White Family Castle AG.
Lücke im Eigentümerregister
Wer steckt nun tatsächlich jeweils hinter diesen Firmen? In Bezug auf die White Family Castle AG wird man im Handelsregister von Liechtenstein zu dieser Frage nicht fündig. Wie so oft im diskreten Fürstentum endet auch in diesem Fall die Suche beim Namen einer Treuhandkanzlei. Die Grey Schloss GmbH hingegen ist als österreichisches Unternehmen im hiesigen Register der wirtschaftlichen Eigentümer (WiEReG) erfasst, das öffentlich einsehbar ist und vom Finanzministerium geführt wird. Doch auch hier: Pech gehabt. Vermerkt sind lediglich die beiden Geschäftsführer und nicht die echten wirtschaftlichen Eigentümer. In bestimmten Konstellationen ist das rechtlich möglich – eine Lücke, durch die Tausende GmbHs in Österreich schlüpfen, profil berichtete.
Da schafft vielleicht eine Anfrage direkt bei eben diesen Geschäftsführern Abhilfe? Oder auch nicht: Der eine Geschäftsführer aus Liechtenstein verweist darauf, dass er Treuhänder und Anwalt sei und der Verschwiegenheit unterliege. Der zweite, ein Unternehmensberater aus Österreich, beendet – gefragt nach der Eigentümerschaft der Firma, die er leitet – jäh das Telefonat. Dies mit dem denkwürdigen Satz: „Ich bin kurz vor einem Termin und kann das Gespräch nicht fortführen.“ Dieser Termin dürfte sehr lange gedauert haben. Bis Redaktionsschluss ging die erbetene Rückmeldung jedenfalls nicht mehr ein.
Schweigen auch bei Wolf
Nächster Recherche-Schritt: die Verkäuferseite. Siegfried Wolf beziehungsweise seine Firma werden vermutlich wissen, wen sie sich ad personam in die penibel gepflegte Wohnanlage geholt haben. Mitteilen wollen sie dies jedoch nicht. Wolf ließ eine Anfrage gänzlich unbeantwortet. Die Geschäftsleitung der Fontana Sportveranstaltungs GmbH ließ über einen Sprecher lediglich ausrichten, dass im Rahmen des Liegenschaftsverkaufs sämtliche Rechtsvorschriften eingehalten worden seien.
Letzte offizielle Chance ist also wohl die Bürgermeisterin. Kaufkraftstarker Zuzug soll in niederösterreichischen Gemeinden ja durchaus gefragt sein. Falls sich Natascha Matousek, die Ortschefin von Oberwaltersdorf (ÖVP), tatsächlich über die Neuzugänge freut, kann sie es jedoch gut verbergen. Eine Anfrage wird seitens des Rathauses folgendermaßen beantwortet: „Dazu dürfen und können wir nichts sagen, wenn Sie die Eigentümer wissen möchten, können Sie diese am Grundbuch ausheben lassen.“ Damit schließt sich der Kreis: Im Grundbuch stehen auch wiederum nur die Käuferfirmen, nicht aber deren tatsächliche wirtschaftliche Berechtigte.
Liechtenstein, Luxemburg, Saint Vincent
Endstation? Fast. Eine letzte Chance bietet sich noch. Die Eigentümerfirma der Grey Schloss GmbH saß nicht immer in Liechtenstein. Bis Ende 2019 war die Firma namens Aliroso S.A. in Luxemburg registriert. Dem dortigen Firmenbuch lassen sich zwei interessante Informationen entnehmen. Erstens: Der Entschluss, im Fontana-Park über die österreichische Zwischengesellschaft ein Grundstück zu erwerben, fiel bereits im Juni 2019 – rund ein Jahr vor der Vertragsunterzeichnung. Zweitens: Um den Firmensitz der Aliroso nach Liechtenstein zu verlegen, fand Ende November 2019 eine außerordentliche Generalversammlung statt, deren Protokoll im Handelsregister landete. Als Alleinaktionärin der Aliroso wurde darin eine Firma namens Grafton Consultancy Limited mit Sitz auf der Karibikinsel Saint Vincent vermerkt. Und wie der Zufall so spielt, taucht genau diese Firma in den „Pandora Papers“ auf.
Vize-Stabschef bei Wladimir Putin
Einem Firmendiagramm zufolge, das bei der Treuhandfirma Asiaciti erstellt wurde, gehörte die Grafton einer Liechtensteinischen Stiftung. Datiert ist das Diagramm mit März 2019. Wie aus weiteren Dokumenten aus den „Pandora Papers“ hervorgeht, handelt es sich bei dieser Stiftung, deren voller Name „M.A.R.S. Family Provision Foundation“ lautet, um die Familienstiftung eines gewissen Kirill Androsov – alles andere als ein Unbekannter.
Androsov ist russischer Geschäftsmann und Manager. Unter anderem war er „Chairman of the Board“ – eine Art Aufsichtsratschef – bei der mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Airline Aeroflot und bei der russischen Staatsbahn.
Androsov war aber auch direkt in hohen Funktionen im Regierungsbereich tätig. So bekleidete er von 2008 bis 2010 die Position des stellvertretenden Stabschefs des russischen Premierministers. Premier war damals Wladimir Putin. Androsov gehörte somit zu seinem engsten Mitarbeiterkreis.
Vize-Minister bei Herman Gref
Gegen Androsov gibt es bis dato keine Sanktionen westlicher Staaten. Nichtsdestoweniger weist er beste Verbindungen zu einem Vertreter der russische Elite auf, der bis heute zu den höchsten Machtzirkeln zählt. Vor seiner Zeit als Vize-Stabschef bei Putin hatte Androsov die Position des stellvertretenden Ministers für wirtschaftliche Entwicklung und Handel inne. Sein Chef als Minister war damals ein gewisser Herman Gref, heute Vorstandsvorsitzender der vom Kreml kontrollierten Sberbank.
Grefs Name findet sich nicht nur auf den Sanktionslisten der USA und Großbritanniens, sondern seit Kurzem auch auf jener der Europäischen Union. Aufsichtsratschef der mittlerweile geschlossenen Sberbank Europe AG in Wien war bis zuletzt übrigens Siegfried Wolf (auf dem Papier ist er das noch immer).
Wolf stand auch persönlich mit Gref in Kontakt. Nachzulesen ist das in einem Schriftsatz der WKStA, die Wolfs Mobiltelefon ausgewertet hat – und dabei auch einige Russland-Bezüge entdeckte. Im Jänner 2020 etwa schickte Wolf dem Sberbank-Chef folgende Nachricht aufs Handy: „Lieber Chef Lieber Herman Ich treffe morgen den Sebastian kurz weil ich am Sonntag wieder nach Washington muss ! Ich komme Mittwoch oder Donnerstag nach Davos – passt dir das. ? Sigi“.
Und da war noch mehr: Nachdem die USA 2018 Sanktionen gegen Oleg Deripaskas Unternehmensgruppe verhängt hatten, ersuchte Wolf den damaligen ÖVP-Bundeskanzler wiederholt um Intervention im Weißen Haus.
German, wahlweise Herman, Gref war/ist also mit Siegfried Wolf verbandelt. Die Pandora Papers wiederum indizieren ein geschäftliches Naheverhältnis zwischen Grefs Familie und Putins ehemaligem Vize-Stabschef Kirill Androsov, der später als Fondsmanager tätig wurde.
Wer steht hinter der Luxus-Zuflucht?
Zusammengefasst heißt das: Wolf kennt Gref. Androsov kennt Gref. Eine Firmenstruktur, die gewisse Androsov-Verbindungen aufweist, kaufte Wolf um Millionen Euro ein Grundstück ab. Wem das Nachbargrundstück gehört, bleibt hingegen völlig offen. Es gibt jedoch augenscheinliche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Liegenschaftsverkäufen und jeweiligen Besitzgesellschaften.
Das Magazin „trend“ berichtete kürzlich ohne Angabe von Quellen, dass sich Herman Gref in Fontana ein Grundstück gekauft haben soll. Mit dem Bau dreier Häuser am Rande des Wohnparks sei bereits begonnen worden, hieß es. Zumindest Letzteres würde auf die Mitte 2020 verkauften Liegenschaften hindeuten. Welcher wohlhabende Russe errichtet nun dort seine Luxus-Zuflucht? Androsov? Gref? Beide?
Das Firmendiagramm aus den Pandora Papers würde – zumindest in Bezug auf das 8000-Quadrameter-Grundstück – auf Androsov deuten. Andere Dokumente zeigen jedoch eine Nähe Androsovs zur Gref-Familie und auch eine mögliche Involvierung in deren finanziellen Angelegenheiten. Ganz auszuschließen wäre es demnach nicht, dass eine Firmenstruktur Androsovs zugunsten Grefs agieren könnte oder vielleicht in der jüngeren Vergangenheit an diesen abgetreten wurde.
Sowohl Androsov als auch Gref ließen Anfragen in Bezug auf den Fontana-Deal unbeantwortet. Seitens der Gemeinde Oberwaltersdorf hieß es zunächst, es lägen keine Einreichungen vor. Nach Veröffentlichung des Artikels kam eine „Klarstellung“.
In einer profil und ORF übermitteln schriftlichen Stellungnahme betonte eine Vertreterin der Bauamtsleitung nun, „dass es für die aktuell laufenden Bautätigkeiten auf den Grundstücken ... selbstverständlich rechtskräftige Baugenehmigungen gibt“.
Zitat: „Aufgrund der Tatsache, dass diesen Grundstücken erst mit Gemeinderatsbeschluss vom 14.10.2021 die neue Grundstücksadressen „Brunnenweg 2“ und „Brunnenweg 4“ zugeordnet wurden …, die bereits im Jänner 2021 erteilten Baugenehmigungen jedoch im Papierakt noch … ohne Straßenbezeichnung abgelegt waren und ich selbst erst seit Februar 2022 bei der Gemeinde Oberwaltersdorf angestellt bin, habe ich unter der Annahme, es gehe bei Ihrer Anfrage um eine neue Einreichung, die Auskunft erteilt, es lägen keine Informationen einer Einreichung vor."