Pflichtübungen

Falsche Beweisaussagen sind keine Bagatelle. Warum die Wahrheitspflicht wichtig ist -und gegen wen derzeit ermittelt wird.

Drucken

Schriftgröße

Wahrheitspflicht-das ist mehr als nur ein großes Wort. Die Wahrheitspflicht ist eine Verhaltensregel, die einem höheren Zweck dient: der Wahrheitsfindung. Und genau darum geht es in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, bei polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, in zivil-und strafrechtlichen Auseinandersetzungen vor Gericht.

Sachverständige und Zeugen-in U-Ausschüssen "Auskunftspersonen" genannt-sind zur Wahrheit verpflichtet. Wer der "Falschen Beweisaussage" überführt wird, muss mit strafrechtlichen Unbilden rechnen. Verstöße gegen Paragraf 288 des Strafgesetzbuches können mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden; wurden die Aussagen unter Eid abgelegt, können es sogar bis zu fünf Jahre sein.

Das klingt zunächst einmal gar nicht so schwierig. Und doch ist die Falschaussage ein weites Feld. Weil sie nicht nur auf die glatte Lüge abstellt. Neben der Wahrheitspflicht haben Zeugen und Auskunftspersonen nämlich auch eine Vollständigkeitspflicht. Auch das Verschweigen wichtiger, fallrelevanter Informationen kann den Tatbestand der Falschaussage erfüllen, selbst dann, wenn man als Zeuge oder Auskunftsperson nicht ausdrücklich danach gefragt wurde.

ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz könnte sich alsbald als Beschuldigter vor einem Einzelrichter wiederfinden. Die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft lastet ihm vier Falschaussagen anlässlich seiner Befragung im parlamentarischen "Ibiza"-Untersuchungsausschuss am 24. Juni 2020 an. In allen Fällen ging es um die Begleitumstände der Postenbesetzungen in der Staatsholding ÖBAG (vormals ÖBIB, vormals ÖIAG).Auch sein Kabinettschef Bernhard Bonelli wird der Falschaussage in vier Fällen beschuldigt.

Dass ein amtierender Bundeskanzler als Beschuldigter in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geführt wird, ist nicht neu-siehe die (eingestellten) Untreue-Ermittlungen gegen den damaligen SPÖ-Regierungschef Werner Faymann in der sogenannten Inseratenaffäre 2011/2012.

Unter Anklage stand ein amtierender Kanzler allerdings noch nie. Die SPÖ-Politiker Bruno Kreisky (verurteilt zu einer bedingten Geldstrafe wegen übler Nachrede gegen Simon Wiesenthal) und Fred Sinowatz (verurteilt zu einer Geldstrafe wegen falscher Zeugenaussage) standen Jahre nach ihren Rücktritten als Bundeskanzler vor Gericht.

Sebastian Kurz bekommt noch Gelegenheit, sich gegenüber der WKStA zu äußern, anschließend wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob ein sogenannter Strafantrag gestellt wird (der dann noch den Oberbehörden zur Genehmigung vorgelegt werden müsste).Und darauf deutet doch einiges hin. Die WKStA verständigte Kurz vergangene Woche von der Einleitung des Verfahrens, und diese Mitteilung liest sich schon eher wie eine Anklage, wie eine Auswertung von profil und "Falter" zeigt (siehe dazu unsere Berichterstattung auf profil.at, dort können Sie das Dokument der WKStA auch herunterladen).

Kurz und sein Kabinettschef haben das Problem mit der falschen Beweisaussage längst nicht allein. Bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft wird derzeit gegen eine Reihe weiterer Personen ermittelt, ein Verfahren beschäftigt die Staatsanwaltschaft Innsbruck. Ein Überblick:

Sebastian Kurz

Gleich vier Unwahrheiten soll Bundeskanzler Kurz gemäß Verdachtslage der WKStA am 24. Juni 2020 dem parlamentarischen "Ibiza"-Untersuchungsausschuss aufgetischt haben. Punkt eins: Der Kanzler habe verneint, vorzeitig mit Thomas Schmid darüber gesprochen zu haben, dass dieser Chef der Staatsholding ÖBAG werden könnte. Punkt zwei: Kurz habe die Frage, ob er im Vorfeld eingebunden gewesen sei, mit einem einschränkenden Zusatz-"eingebunden im Sinne von informiert"-beantwortet. Punkt drei: Der Kanzler habe angegeben, die Entscheidung über die Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrats nicht getroffen und die Aufsichtsräte nicht ausgewählt zu haben. Punkt vier: Kurz habe mit Blick auf eine Vereinbarung zwischen Schmid und dem bei der FPÖ damals für Personalfragen zuständigen Manager Arnold Schiefer ausgesagt, er habe keine Ahnung, was diese vereinbart hätten.

Nach Gegenüberstellung der Kanzler-Angaben mit ausgewerteten Handy-Chats gelangte die WKStA zu einer niederschmetternden Conclusio: All diese Aussagen seien "objektiv unrichtig". So steht es in der 58 Seiten starken Verständigung über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens-dem zentralen Dokument in der Causa Kurz. Wie gesagt: Eine Beweisaussage ist auch dann falsch, wenn erhebliche Tatsachen verschwiegen wurden.

Ins Auge gestochen ist den Ermittlern unter anderem eine Nachricht, die Schmid am 3. Dezember 2018 an Kurz übermittelt hatte und in der es unter anderem um die geplante Staatsholding (früherer Name: ÖIAG) ging: "Hi Sebastian, .Wegen ÖIAG wollte ich dir einiges erzählen. Wäre super wenn ich ca eine halbe Stunde außerhalb der normalen Arbeitszeiten dazu bekommen könnte. "Kurz antwortete am nächsten Tag: "Ab 20:30 wäre super."Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht einmal das Gesetz beschlossen, auf dessen Basis die neue ÖBAG eingerichtet werden sollte.

Aufgefallen ist der WKStA auch, dass sich Schmid nach seiner Bestellung zum ÖBAG-Chef Ende März 2019 besonders herzlich beim Kanzler bedankte: "Dass du mir diese Chance gibst mich zu beweisen ist so grenzgenial! Habe mörder Respekt davor und es wird echt cool! Danke für alles und es taugt mir so in Deinem Team sein zu dürfen!"

Die WKStA schreibt: "In dieser Danksagung wird ein weiteres Mal deutlich, dass nach Ansicht von MMag. Schmid Sebastian Kurz für seine Vorstandsbesetzung verantwortlich war."Rund zwei Wochen vorher hatte Schmid Kurz gebeten: "bitte mach mich nicht zu einem Vorstand ohne Mandate". Die Antwort des Kanzlers: "kriegst eh alles was du willst".

Darüber hinaus fanden die Ermittler Hinweise darauf, dass Sebastian Kurz, sein Kabinettschef Bernhard Bonelli und Finanzminister Gernot Blümel sich hinsichtlich ihrer Aussagen abgestimmt haben könnten.

Bei einer sprachlichen Analyse fiel der WKStA auf, dass bei Antworten zu einigen zentralen Beweisthemen des U-Ausschusses die Passivform zum Einsatz kam. Diese biete "ein Einfallstor für Halbwahrheiten, in denen man verbergen kann, was man (nicht) getan hat",zitiert die WKStA aus einem Fachbuch namens "Dunkle Rhetorik: Manipuliere, bevor du manipuliert wirst!"Außerdem orten die Ermittler "Verweigerungssignale" und "Fluchtsymptome etwa mit Gegenangriffen oder Gegenfragen zur Vermeidung einer inhaltlichen Antwort".

Kanzler Kurz bestreitet, die Unwahrheit gesagt und vorsätzlich eine Falschaussage getätigt zu haben, er will vielmehr mit dem festen Vorsatz, nur die Wahrheit zu sagen, im Ausschuss aufgetreten sein. Er habe sich "stets bemüht",sich "bestmöglich" zu erinnern und "wahrheitsgemäße Angaben" zu machen. Dem U-Ausschuss warf er vor, "ganz bewusst mit Suggestivfragen, mit Unterstellungen" zu arbeiten und zu versuchen, die Auskunftspersonen "irgendwie in eine Falschaussage hineinzudrängen".Opfer statt Täter? Vorerst wird noch ermittelt. Im Fall einer rechtswirksamen Anklage müsste ein Richter über diese Verteidigungslinie urteilen. Aus Sicht der Verteidigung könnten sich die Indizien für abgesprochene Aussagen im U-Ausschuss erschwerend erweisen.

Ein Prozess gegen Kurz hätte übrigens durchaus Schnittmengen mit Medienverfahren. Hier ist das Medium in der Pflicht, zu argumentieren, warum ein Artikel auf diese oder jene Art formuliert war-und welchen Eindruck man damit beim Leser erzeugen wollte respektive erzeugt hat. Wobei "der Leser" in diesem Fall ein Einzelrichter ist.

Der Kurz-Vertraute Bernhard Bonelli ist fixes Mitglied im engsten Kreis um Kurz. Im Kanzleramt fungiert er als Kabinettschef. Am 27. Jänner 2021 hatte Bonelli seinen Moment der Wahrheit als Auskunftsperson vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss. Geht man von der Verdachtslage der WKStA aus, hat er diesen Moment jedoch nicht so genützt, wie es das Gesetz von ihm verlangen würde: Unter anderem soll er seine eigene Involvierung in die Aufsichtsratsbestellung bei der ÖBAG verschwiegen und in Abrede gestellt haben. Er habe behauptet, er sowie Kanzler Kurz seien erst nach der getroffenen Entscheidung informiert worden. Sichergestellte Chat-Nachrichten scheinen sehr wohl auf eine Involvierung hinzudeuten. Am 6. Februar 2019 schrieb Bonelli an den damaligen Finanzminister Löger: "Lieber Hartwig, mit der ÖBAG ist alles auf Schiene und mit Sebastian und unserem Team abgestimmt. Gut Ding braucht Weile!"Die formelle Wahl der ÖBAG-Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen einer Generalversammlung erfolgte übrigens erst mehr als eine Woche später, am 15. Februar 2019.

Die WKStA bezeichnet Bonellis Aussagen als "objektiv falsch", teilweise auch als "unvollständig".profil bat Bonelli um eine Stellungnahme, die Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Thomas Schmid

Am 24. Juni 2020 hatte nicht nur Bundeskanzler Kurz seinen schicksalhaften Auftritt im Untersuchungsausschuss. Ebenfalls als Auskunftsperson geladen war jener Mann, dessen Handy-Daten nun auch den Kanzler in die Bredouille bringen: Thomas Schmid, vormals Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium, nunmehr Alleinvorstand der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG. Und auch Schmid soll es-so der Verdacht der WKStA-an jenem Tag mit der Wahrheit nicht allzu genau genommen haben.

Bereits im Februar 2021 leitete die WKStA gegen Schmid Ermittlungen wegen des Verdachts der Falschaussage ein. Konkret geht es dabei um die Darstellung Schmids vor dem U-Ausschuss, der ehemalige Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) bzw. dessen Büro wären 2018 in die Vorarbeiten zu einer Novelle des Glücksspielgesetzes eingebunden gewesen. Nach Beantwortung eines Amtshilfeersuchens durch das Finanzministerium inklusive Stellungnahme der zuständigen Beamten hielten die Ermittler fest, dass es "keinen aktenkundigen Hinweis auf eine-wenn auch nur geringfügige-Einbindung des Staatssekretariates" gebe.

Besagte Novelle wurde damals, kurz nachdem sie in Begutachtung geschickt worden war, wieder zurückgezogen-angeblich auf Druck der FPÖ. Der Vorgang spielt im Rahmen der Casinos-Ermittlungen eine Rolle. Schmid-Anwalt Thomas Kralik erklärte auf Anfrage, man werde zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen.

Die Schmid-Vertraute Die Schmid-Chats haben jedoch nicht nur die Glaubwürdigkeit diverser Spitzenpolitiker und Top-Manager erschüttert. Jene Person, die als Erste von augenscheinlichen Divergenzen zwischen dem geheim geschriebenen und dem offiziell gesprochenen Wort heimgesucht wurde, ist eine langjährige Vertraute und Mitarbeiterin des ÖBAG-Chefs. Bei ihr dreht sich der Verdacht der WKStA nicht um eine Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss, sondern um mutmaßlich unwahre Angaben als Zeugin im Casinos-Ermittlungsverfahren.

Am 3. März 2020 war die Schmid-Vertraute-sie ist auch Funktionärin der Jungen ÖVP-bei der WKStA zur Aussage geladen. Damals gab sie unter anderem zu Protokoll, mit Schmid kein Gespräch über die Löschung von Handydaten geführt zu haben. Die Nachfrage, ob der ÖBAG-Chef ihr mitgeteilt hätte, dass er Handydaten löschen möchte oder gelöscht habe, beziehungsweise ob sie das auch tun sollte, beantwortete sie glasklar mit "Nein."Auch behauptete sie, sie habe "bis zum Schluss nicht gewusst",ob sich Schmid für den Posten bei der ÖBAG bewerben werde: "Ich habe ihn einmal darauf angeredet, ob er sich bewirbt. Er hat mir gesagt, dass er sich bewerben wird. Das muss irgendwann ab Februar 2019 gewesen sein."Die Ausschreibungsbedingungen habe sie nur in der Zeitung gesehen.

Aufgrund der mittlerweile vorliegenden Chat-Nachrichten geht die WKStA jedoch davon aus, dass die Schmid-Vertraute "tatsächlich intensiv in die Textierung und dabei in die für MMag. Schmid maßgeschneiderte Formulierung der Ausschreibung involviert war". Sie habe den Ausschreibungstext in Schmids Sinne adaptiert, sich mit einer Personalberaterin abgestimmt, nach Mustern früherer Bewerbungen gesucht und in Aussicht gestellt, einen Bewerbungsentwurf zu konzipieren. Außerdem habe sich Schmid am 1. Oktober 2019 in einem WhatsApp-Chat mit seiner Vertrauten im Detail darüber unterhalten, dass er seine Handydaten gelöscht habe. Eine weitere mutmaßliche Falschaussage bezog sich auf die Erstellung eines Informationspapiers zum Thema Glücksspiellizenzen im Vorfeld eines Novomatic-Termins des damaligen Finanzministers Hartwig Löger.

Flugs wurde die Schmid-Vertraute von der Zeugin zur Beschuldigten. Als sie im Oktober 2020 erneut zur Aussage gebeten wurde, gab sie sich äußerst wortkarg und überreichte eine vorbereitete schriftliche Stellungnahme, in der sie die Vorwürfe bestritt und die Einstellung des Verfahrens beantragte-jedoch bisher ohne Erfolg.

Ein Strafantrag vor Gericht ist in diesem Fall nicht auszuschließen.

Bettina Glatz-Kremsner

Die amtierende Vorstandsvorsitzende der Casinos Austria AG (Casag) und frühere ÖVP-Bundesparteiobmann-Stellvertreterin (2017 bis 2019, seit 2013 ist sie unter anderem auch Honorarkonsulin Ungarns) wird seit September 2020 von der WKStA als Beschuldigte geführt. Auch in ihrem Fall geht es um den Verdacht der falschen Beweisaussage-auch vor dem Ibiza-U-Ausschuss, aber vor allem im Rahmen einer Zeugeneinvernahme im sogenannten Casinos-Verfahren. Das ist ein weitläufiger Ermittlungskomplex der WKStA, der aus einer Reihe von Subverfahren besteht. Ein Verfahrensstrang führt zur Bestellung des FPÖ-Günstlings Peter Sidlo zum Casinos-Vorstandsdirektor. Die WKStA untersucht vermutete Absprachen des Glücksspielkonzerns Novomatic mit der FPÖ, womöglich auch mit der ÖVP (was alle Seiten bestreiten).Sidlo war am 1. Mai 2019 in den Casag-Vorstand eingerückt, ehe er vom Aufsichtsrat zum Jahresende wieder abberufen wurde. Er prozessiert mittlerweile mit der Casag.

Am 29. Juni 2020 wurde Bettina Glatz-Kremsner von der Korruptionsstaatsanwaltschaft als Zeugin befragt. Dabei sagte sie nach späterer Darstellung der WKStA in sechs Fällen falsch aus. Was schon allein deshalb erstaunlich ist, als die ihr gestellten Fragen in strafrechtlicher Hinsicht völlig ungefährlich waren, sie hätte sich auch bei anderslautender Beantwortung schwerlich selbst belasten können (sie wollte aber erkennbar niemand anderen belasten).

Die WKStA fragte unter anderem, ob Glatz-Kremsner zum einstmaligen Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid "informelle oder private Kontakte" unterhalten habe-was sie verneinte; welche Wahrnehmungen sie zu einem Treffen zwischen dem damaligen ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger und Novomatic-Eigner Johann Graf am 31. Jänner 2019 habe; sie gab an, von dem Termin nichts gewusst zu haben; ob es zutreffe, dass sie rund um die Personalie Sidlo ihre "Unterstützung" zugesagt hatte-was sie ebenfalls verneinte.

Die WKStA stellte Glatz-Kremsners Aussagen der im Mobiltelefon von Thomas Schmid sichergestellten Chat-Kommunikation gegenüber-in der sie auch vorkommt. Ergebnis: Widersprüche in mehreren Fällen. Demnach hatte Glatz-Kremsner 2016/2017 losen, aber freundschaftlichen Kontakt zu Schmid. Laut den Chats war sie im März 2016 privat zum Dinner bei Schmid eingeladen (Gernot Blümel war auch da),im Juli 2017 saß man zum Lunch zusammen. "Es war sehr gemütlich gestern. Ich möchte dir helfen wo ich kann und stehe dir jederzeit zur Verfügung",schrieb Schmid am Glatz-Kremsner am 20. Juli 2017. "Werde bei Bedarf auf deine Hilfe zurückkommen. Schöne Tage Dir, wir hören einander am Montag", replizierte Glatz-Kremsner.

Die WKStA fand zudem einen Chat zwischen Schmid und Glatz-Kremsner, der darauf schließen lässt, dass sie sehr wohl von dem Treffen Löger-Graf 2019 wusste.

Zur Tatsachenfindung wurden darüber hinaus auch Chats von Heinz-Christian Strache mit Glatz-Kremsner herangezogen. Stichwort: Die "Unterstützung" der Casinos-Managerin für Peter Sidlo, die sie in ihrer Zeugenbefragung verneint hatte. Am 15. Jänner 2019 schrieb Strache: "Hallo liebe Bettina! Hoffe, es geht dir gut. Bezüglich Peter Sidlo ist alles auf Schiene! Danke für deine Unterstützung!"Glatz-Kremsner antwortete: "Lieber Heinz, das freut mich und Unterstützung sehr gerne und aus Überzeugung!"

Christian Pilnacek und Johann Fuchs

Auch gegen zwei der einflussreichsten Vertreter der österreichischen Strafjustiz laufen Ermittlungen: Christian Pilnacek, vorläufig suspendierter Sektionschef des Justizministeriums, er steht der ÖVP nahe, sowie Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, er steht Pilnacek nahe. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führt beide als Beschuldigte. Einerseits wegen des Verdachts des Amtsgeheimnisverrats; andererseits wegen mutmaßlich falscher Beweisaussage vor dem "Ibiza"-Ausschuss, wo sie am 15. Juli 2020 auch zu Vorgängen in der Justiz in den Stunden und Tagen nach der Veröffentlichung des "Ibiza"-Videos (17. Mai 2019) befragt wurden. Da ging es unter anderem um allfällige Weisungen des damaligen Justizministers Josef Moser und die justizinterne Kommunikation dazu. Das Ermittlungsverfahren kam Ende des Vorjahres in Gang, nachdem ein aufmerksamer früherer Beamter des Justizministeriums die Aussagen von Fuchs und Pilnacek mit dem Inhalt justizinterner E-Mails verglichen hatte, die er am 17. Mai 2019 in seiner damaligen Funktion im Ministerkabinett erhalten hatte. Die Widersprüche waren teils eklatant (profil berichtete ausführlich).

Zwischenzeitlich hat sich die Verdachtslage gegen Pilnacek aber noch deutlich ausgeweitet. Er steht auch im Verdacht, eine bevorstehende Hausdurchsuchung beim Unternehmer Michael Tojner an dessen Rechtsberater Wolfgang Brandstetter, Verfassungsrichter und ÖVP-Justizminister a. D.,verraten zu haben. In diesem Zusammenhang wird auch gegen Brandstetter ermittelt. Dieser bestreitet die Vorwürfe. Fuchs wiederum soll Pilnacek sensible Aktenteile zu laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren übermittelt haben, obwohl Pilnacek seit Herbst 2020 nicht mehr Teil der sogenannten Weisungskette war.

Bei der Auswertung von Pilnaceks Handy stieß die StA Innsbruck unter anderem auch auf einen problematischen Chatverkehr zwischen dem Sektionschef des Justizministeriums und dem Kabinettschef von ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, Wolfgang-Clemens Niedrist. Am 24. Februar dieses Jahres, zwei Tage vor der Beschuldigteneinvernahme des Finanzministers in der Causa "Novomatic-Parteispendenangebot" schrieb Pilnacek an Niedrist unter anderem: "Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?"

Obendrein wurde auf Pilnaceks Handy ein Dokument rekonstruiert, das Hinweise auf verdeckte Beratung Pilnaceks für die ÖVP liefert: der Entwurf einer parlamentarischen ÖVP-Anfrage an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) in der Causa Blümel (profil berichtete auch darüber ausführlich).

Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender (ein Partner des früheren FPÖ-Justizministers Dieter Böhmdorfer) hält auf profil-Anfrage einmal mehr fest, dass sein Mandant den Vorwurf von Pflichtwidrigkeiten zurückweise, darüber hinaus aber keine Kommentare abgebe.

Der Leiter der OStA Wien, Johann Fuchs, schreibt auf profil-Anfrage: "Ich ersuche um Respekt und Verständnis dafür, dass meine Haltung, mich zur Klärung der von Ihnen genannten Themen ausschließlich im dafür vorgesehenen rechtstaatlichen Verfahren zu äußern, unverändert aufrecht ist."

Hans Peter Doskozil und Helmut Ettl Die ÖVP scheint eine hybride Haltung zur Wahrheitspflicht in Untersuchungsausschüssen zu haben. Noch bevor Kurz die Ermittlungen gegen sich selbst (einmal mehr) als Angriff einer missgünstigen Justiz (und Opposition) interpretierte, hatten mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger ranghohe Parteifreunde öffentlich und allen Ernstes über eine Abschaffung der Wahrheitspflicht in U-Ausschüssen sinniert (ohne das vernünftig begründen zu können).Wenn es aber um die politischen Gegner geht, ist die Wahrheitspflicht dann doch gut genug. Siehe die Anzeigen der ÖVP-Burgenland gegen SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und den SPÖ-nahen Direktor der Finanzmarktaufsicht Helmut Ettl wegen vermuteter Falschaussage.

Auch diese Causa beschäftigt die WKStA, wenngleich sie keinen "Ibiza"-Bezug hat. Hier geht es um inhaltlich belanglose Aussagen zum Fall Commerzialbank Mattersburg vor dem Untersuchungsausschuss des burgenländischen Landtags (der eine eigene Verfahrensordnung hat, auch hier stehen auf Falschaussagen bis zu drei Jahre Haft).

Doskozil und Ettl hatten sich bei der Frage, wer wen unmittelbar vor der Schließung der Bank 2020 angerufen hatte, widersprüchlich geäußert-was zur Sicherstellung der Mobiltelefone von Doskozil und Ettl führte (Nr. 17/21).Die Frage, wer wen angerufen hat, wird sich profil-Recherchen zufolge nicht klären lassen. Die bereits erfolgte Auswertung der Handys lieferte keine Hinweise, schlicht weil Smartphones Anrufe nicht neun Monate zurück speichern. Dieses Verfahren steuert mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Einstellung zu.