Unweit des Wiener Naschmarkts, dick eingerüstet hinter Werbeplanen, versteckt sich ein Architekturjuwel gegenüber der Goldblatt-kuppel der Secession. Drei Jahre dauerte seine weiße Phase. Nun muss das sogenannte „Kleine Haus der Kunst“ – vormals als Novomatic Forum und noch früher als Österreichisches Verkehrsbüro bekannt – wieder in seinen zweifarbigen Originalzustand versetzt werden. Lukas Neugebauer, umstrittener Immobilienentwickler und Chef der LNR-Gruppe, die hier ihren Unternehmenssitz hat, hat in einem auch medial ausgetragenen Konflikt mit dem Bundesdenkmalamt den Kürzeren gezogen. Die Behörde hatte den von ihm für seinen Firmensitz veranlassten weißen Anstrich so gar nicht goutiert. Nach einer Strafanzeige und der Befassung durch den Verwaltungsgerichtshof muss Neugebauer, wiewohl nicht mehr Eigentümer des Art-déco-Relikts, nun für Reinigung und Restauration der Originalputze sorgen.
Während die Fassaden hier also wiederhergestellt werden, bröckeln sie andernorts gerade reihenhäuserweise. Die Baubranche gilt als größtes Sorgenkind der heimischen Wirtschaft. Im Schatten der spektakulären Signa-Pleite steigt die Zahl der Insolvenzen kontinuierlich an. Auch Lukas Neugebauer hat kürzlich einen Konkurs mit Forderungen in zweistelliger Millionenhöhe hingelegt. Der umstrittene Immobilienentwickler muss sich mit Exekutionen und Zwangsversteigerungen herumschlagen. Und nun fragen sich Marktbeobachter: Droht hier ein weiteres Signa-Schicksal? Wie steht die Immobiliengruppe insgesamt wirtschaftlich da? Und hat der 31-Jährige seine Geschäftsführer-Agenden ordnungsgemäß erfüllt?
Republik als Gläubigerin
Höhere Kreditzinsen und damit geringere Renditen bei Bauvorhaben; deutlich höhere Baukosten als noch vor Beginn des Ukrainekrieges; Inflation und strengere Regeln bei der Kreditvergabe: eine toxische Mischung, die schon einigen Unternehmen aus der Bau- und Immobilienbranche zum Verhängnis wurde und noch werden wird. Wer diese Gemengelage durchstehen will, braucht ein solides Fundament.
Wie es um das Neugebauer’sche Imperium steht, ist nicht so einfach zu durchblicken. Dabei ist das Geschäftsmodell simpel: Der Niederösterreicher kauft Zinshäuser und Altbauten in Wien und Umgebung, revitalisiert sie und verkauft die Immobilien. Für jedes Projekt wird – wie in der Immobranche nicht unüblich – eine eigene Gesellschaft gegründet. Rund 40 Unternehmen umfasst die LNR-Gruppe mittlerweile. An der Spitze steht die NL Venture Capital GmbH; Neugebauer ist alleiniger Inhaber. Die GmbH ist an mehreren Gesellschaften direkt beteiligt, unter anderen mehrheitlich an der LNR Development. Diese ist wiederum die Mutter der meisten Projektgesellschaften.
Die Rolex am Handgelenk, der gelbe Maserati am Firmenparkplatz: Finanziell Werthaltiges stellt Neugebauer durchaus gerne zur Schau. Etwas verschämter zeigt er sich, wenn es um die wirtschaftliche Verfasstheit seiner Unternehmungen geht. Wer im Firmenbuch nach den Bilanzen seiner Unternehmen sucht, muss feststellen, dass kaum aktuelle zu finden sind. „Aus unserer Sicht ist Vorsicht geboten, weil in weiten Teilen der Gruppe die Unternehmen keine Bilanz für das Jahr 2022 und teilweise auch nicht für 2021 hinterlegt haben“, heißt es vonseiten des KSV 1870 (Kreditschutzverband). Der Bilanzhinterlegungspflicht komme Neugebauer jedenfalls nicht nach, und so sei auch eine Einschätzung der finanziellen Situation seriös kaum möglich, erklärt der Kreditschutzverband. „Unsererseits wurden alle Bilanzen entsprechend eingereicht. Sofern im Firmenbuch noch keine Veröffentlichung ersichtlich ist, liegt das daran, dass diese vom Firmenbuch noch nicht verarbeitet wurden“, behauptet Neugebauer gegenüber profil. Dem widerspricht Barbara Rath-Ruggenthaler. Sie ist Vizepräsidentin des Handelsgerichts Wien, welches das Firmenbuch führt: „Sobald die Unterlagen vonseiten der Unternehmen eingetroffen sind, werden sie innerhalb von drei bis vier Tagen veröffentlicht.“
Sind die Zahlen so, dass man sie nicht veröffentlichen möchte? „Sie sind weder gut noch schlecht, sondern entsprechen dem Bilanzbild einer Projektgesellschaft“, meint Neugebauer.
23 Gläubiger haben Forderungen in Höhe von insgesamt 43 Millionen Euro angemeldet
Jürgen Gebauer
KSV 1870
Dass in der Branche mit einem hohen Anteil an Fremdfinanzierungen gearbeitet wird und sich Banken mit einer Eintragung ins Grundbuch absichern, liegt in der Natur der Sache. Eher ungewöhnlich ist, wenn auch die Republik Österreich dort als Gläubigerin zu finden ist. Sie respektive das Finanzministerium ließ auf eine Immobilie in Vösendorf ein Pfandrecht in Höhe von exakt 540.757,55 Euro eintragen. Üblicherweise geschieht dies dann, wenn Steuern oder Abgaben schuldig geblieben werden. „Es handelte sich hier um eine vermutete Abgabenhöhe im Rahmen einer Betriebsprüfung. Dieser Umstand wurde zwischenzeitlich geklärt. Das Pfandrecht befindet sich bereits in Löschung“, sagt Neugebauer.
Aktuell sind zwei Insolvenzen anhängig: Über die B&R Generalunternehmer GmbH wurde Ende März aufgrund eines Gläubigerantrags der Konkurs eröffnet, über die LVS Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH mit Sitz in Neudörfl an der Leitha im vergangenen Dezember. In beiden Unternehmen war Neugebauer Geschäftsführer. Über die LVS schreibt die zuständige Richterin vom Landesgericht Eisenstadt in ihrem Beschluss zur Eröffnung des Konkurses: „Die Beiträge der ÖGK (Anm.: Österreichische Gesundheitskasse) haften bereits seit März 2023 und die Steuern und Abgaben beim Finanzamt bereits seit mehr als zwei Monaten aus, zumal seit März 2022 keine UVAs (Anm.: Umsatzsteuervoranmeldung) abgegeben und für die Jahre 2021 und 2022 keine Jahresabschlüsse im Firmenbuch eingereicht wurden, sodass die schon bestehende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausreichend indiziert ist.“ Die Schuldnerin habe zwar einige ihrer Verbindlichkeiten abgedeckt, „jedoch werden laufend Exekutionen, auch Zwangsversteigerungen eingeleitet und sind auch Zivilverfahren anhängig“, ist weiters zu lesen.
Handel mit Baurechten
„23 Gläubiger haben Forderungen in Höhe von insgesamt 43 Millionen Euro angemeldet“, sagt Jürgen Gebauer, Leiter der Unternehmensinsolvenz Wien/Niederösterreich/Burgenland des KSV 1870 (Kreditschutzverband). Allerdings habe der Insolvenzverwalter einen Großteil davon bestritten. Bei den Gläubigern handle es sich neben Finanzamt und ÖGK um Baurechtsgeber auf der einen und Käufer des Baurechts auf der anderen Seite. Denn das Geschäftsmodell der LVS bestand aus dem Handel mit Baurechten. Dabei behält der Eigentümer eines Grundstücks seine Eigentumsrechte, der Bauberechtigte darf jedoch ein Bauwerk errichten. Gerade in Zeiten explodierender Immopreise erfuhr dieses Modell immer größere Beliebtheit: Der Baurechtsnehmer erspart sich dadurch die Kosten für den Kauf des Grundstücks. Konkret hält die LVS Baurechte an Liegenschaften in Salzburg, Niederösterreich und Oberösterreich. Zu den Baurechtsgebern gehören beispielsweise die Bundesforste für ein Grundstück in Bad Ischl. Abseits davon bleibt die Geschäftsgebarung eher nebulös: Die Schuldnerin, so moniert die Richterin in ihrem Beschluss, habe weder ein Vermögensverzeichnis vorgelegt noch Mitteilung über bestehende und laufende Aufträge und Umsätze gemacht.
„Der Konkurs der LVS beinhaltet titulierte Forderungen (Anm.: bei Gericht eingeklagte Forderungen) von lediglich rund 13.000 Euro“, sagt Neugebauer. „Die restliche Summe setzt sich aus der Hochrech-nung von Baurechtszinsen über die Restlaufzeit – teilweise 100 Jahre – zusammen, welche als bedingte Forderung angemeldet werden können, sowie anderer bestrittener Forderungen“, so der Unternehmer.
Die LVS ist nun in Folge des Konkursverfahrens aufgelöst. „Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es jetzt, die Baurechte zu verwerten und zu prüfen, ob Lukas Neugebauer seine Geschäftsführer-Agenden ordnungsgemäß erfüllt oder fahrlässig gehandelt hat und ob möglicherweise Gläubiger bevorzugt wurden“, sagt KSV-Experte Gebauer.
Keiner dieser Vorwürfe sei auch nur im Geringsten nachvollziehbar, entgegnet Neugebauer. „Es gilt hier abzuwarten, wer nach der vom Gericht bestimmten Frist überhaupt noch als Gläubiger überbleibt und wer hier lediglich eine Anmeldung in Schädigungsabsicht getätigt hat“, so der Immobilienentwickler.
Juristische Scharmützel
Tatsächlich hat sich der mitunter recht großspurig auftretende Unternehmer in den vergangenen Jahren eher wenig Freunde gemacht, dafür aber einen gewissen Ruf erarbeitet. Mit dem Erwerb des Novomatic Forums hatte sich der bis dahin völlig Unbekannte Anfang 2021 in das Bewusstsein der heimischen Immobilien-Szene katapultiert. Schnell wurden Vergleiche mit René Benko laut: Ebenso wie der nun vom Thron gestürzte Tiroler Immobilientycoon hat auch Neugebauer in jungen Jahren mit Dachbodenausbauten begonnen. Im Alter von 18 Jahren gründete der Niederösterreicher sein erstes Unternehmen. Bald wurden die Projekte größer, auch dank einer enorm boomenden Immobilienbranche. Dass der 31-Jährige in den vergangenen Jahren äußerst umtriebig war, zeigt ein Blick ins Firmenbuch: 42 aktive und 31 gelöschte Funktionen zählt es aktuell.
Das Bundesdenkmalamt goutierte den weißen Anstrich des ehemaligen Novomatic Forums nicht. Nach einer Anzeige und einem Verfahren am Verwaltungsgerichtshof muss nun von Neugebauer der Originalzustand wiederhergestellt werden.
Juristische Auseinandersetzungen gab und gibt es nicht nur mit dem Denkmalamt, sondern auch mit ehemaligen Mitarbeitern, Mietern und Geschäftspartnern. Bei solchen Gelegenheiten kann es schon mal vorkommen, dass er Rechtsanwälten und sogar Richtern bescheidet, sie verstünden nichts von ihrem Metier.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Neugebauer mit seinen auch medial ausgetragenen und längst gerichtsanhängigen Scharmützeln mit Martin Ho. Der Szenegastronom und Freund von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bespielte mit seinem Restaurant „404 – Don’t ask why“ kurzzeitig im Kleinen Haus der Kunst die gastronomischen Flächen. Die anfänglich gegenseitige Lobhudelei kippte bald in eine wütende Auseinandersetzung, in der sich die Kontrahenten wechselseitig mit Klagen überzogen und auf deren Höhepunkt Neugebauer den Eingang des Lokals zumauern ließ. Es geht um offene Rechnungen in beide Richtungen.
Das Kleine Haus der Kunst hat Neugebauer übrigens bereits im Herbst 2022 wieder veräußert. Nun sieht sich die Käuferin, die Z Nereide Leasing, eine Tochtergesellschaft der Unicredit Leasing, mit einer Haftungsklage konfrontiert. Damit sollen Ansprüche einer ehemaligen Mitarbeiterin Neugebauers aus einem arbeitsrechtlichen Verfahren befriedigt werden. „Ich bin durchaus optimistisch, mit meiner Rechtsmeinung durchzudringen“, sagt Anwältin Mirjam Sorgo von Nomos Rechtsanwälte. „Sofern Althaftungen aus welchem Grund auch immer schlagend werden, ist im Leasingvertrag genau geregelt, wie damit umzugehen ist“, sagt Neugebauer.