"Politische Zuwendungen" - Das Eurofighter-Geständnis
3,6 Milliarden Euro – so tief muss der Flugzeugbauer Airbus wegen jahrelanger Korruption beim Ergattern internationaler Aufträge und anderer Verfehlungen in die Tasche greifen. Ende Jänner einigte sich der Luftfahrtkonzern mit der Justiz in Frankreich, Großbritannien und den USA auf einen entsprechenden Deal: Gegen die Zahlung hoher Bußgelder und Erfüllung diverser Auflagen stoppen die dortigen Behörden ihre jeweiligen Ermittlungsverfahren, in denen es unter anderem um Bestechung in einer Reihe von Ländern wie Malaysia, Sri Lanka, Taiwan, Indonesien, Ghana oder China geht.
Im Zentrum steht das Geschäft mit Zivilflugzeugen. Doch nicht nur: Wie profil nun herausgefunden hat, erstreckt sich das Geständnis, das Airbus im Rahmen des strafrechtlichen Vergleichs abgelegt hat, auch auf Österreich – und auf den umstrittenen Verkauf der Eurofighter-Kampfjets an das Bundesheer im Jahr 2003. Die Details sind brisant. Der Airbus-Konzern, in dem die damalige Jet-Firma EADS aufgegangen ist, gibt diesbezüglich nämlich auch „politische Zuwendungen“ zu.
Gerichtsunterlagen aus den USA, die profil vorliegen, zeigen, dass Airbus unter anderem Verstöße gegen US-Rüstungsexportgesetze begangen hat. Die Flugzeugfirma hat die Vorwürfe im Rahmen des Deals anerkannt. Hintergrund sind die sogenannten „International Traffic in Arms Regulations“ (ITAR), die vorsehen, dass das US-Außenministerium beim Export bestimmter Rüstungsgütern darüber informiert werden muss, ob politische Zuwendungen, Honorare oder Provisionen gleistet wurden. Ziel dieser Regel sei es, der Regierung eine Übersicht über den Verkauf von US-Militärtechnologie zu gewähren und unzulässige Beeinflussung in diesem Zusammenhang zu verhindern, heißt es in den Akten.
Airbus gibt in dem Deal mit den Justiz-Behörden vorsätzliche Verstöße gegen diese Bestimmung zu – unter anderem auch beim Eurofighter-Verkauf an Österreich. Der Kampfjet, der offiziell eigentlich „Typhoon“ heißt, beinhaltet Teile, die unter die ITAR-Regeln fallen. Insgesamt habe Airbus Zahlungen an 14 Einzelpersonen, Berater oder Organisationen geleistet, die gemeldet werden hätten müssen, heißt es in den Gerichtsdokumenten. Das Unternehmen beziehungsweise „seine Verkäufer“ hätten rund 55 Millionen Euro an entsprechenden politischen Zuwendungen, Honoraren oder Provisionen in Zusammenhang mit dem Eurofighter-Verkauf an Österreich „bezahlt, angeboten oder zu zahlen akzeptiert“.
Angeführt sind mehrere, aus Sicht der US-Behörden besonders bemerkenswerte Fälle. In den Akten sind Personen und Firmen zwar anonymisiert. Bei einem der Beispiele geht es jedoch allem Anschein nach um den früheren EADS-Lobbyisten Erhard Steininger, der zwischen April 2002 und Dezember 2009 – laut den Gerichtsdokumenten – von Airbus knapp 17 Millionen Euro plus ein Erfolgshonorar im Wert von von 2,75 Millionen Euro erhalten hat. Bisher waren 17 Millionen Euro bekannt.
Ein zweiter angeführter Fall bezieht sich offenbar auf 87.600 Euro, die Steininger für Airbus an die Firma der Ehefrau des früheren Kommandanten der Luftstreitkräfte, Erich Wolf, bezahlt hat. Auch Wolf ist im Akt nicht namentlich genannt. Die Rede ist aber von einem „österreichischen Regierungsbeamten“. Ermittlungen gegen Wolf in Österreich wurden schon vor Jahren eingestellt.
Undurchsichtiges Netzwerk
profil fragte bei Airbus nach, welcher Anteil der 55 Millionen Euro auf politische Zuwendungen entfiel und welcher auf sonstige Honorare und Provisionen. Bekannt ist schließlich, dass ein dreistelliger Millionenbetrag in ein undurchsichtiges Netzwerk aus Offshore-Firmen und dubiosen Beratern floss. Airbus wollte dazu genauso wenig Stellung nehmen wie zu der Frage, worin der Unterschied zwischen einer „politischen Zuwendung“ und einer Bestechungszahlung liegt.
Fest steht, dass nun schon in einem zweiten Land Verfehlungen in Zusammenhang mit dem österreichischen Eurofighter-Deal geahndet werden: Im Februar 2018 verhängte die Staatsanwaltschaft München ein Bußgeld von 81,25 Millionen Euro, da die Airbus Defence and Space GmbH seinerzeit „keine geeigneten Kontroll- und Sicherungssysteme implementiert“ gehabt habe, um „Geldflüsse für unklare Zwecke“ wirksam zu verhindern. Nachweise für Bestechungszahlungen hatten die deutschen Ermittler einer damaligen Pressemitteilung zufolge nicht gefunden. Laut Airbus habe sich diesbezüglich „die Sachlage“ seither „nicht verändert“. Schon früher einigte man sich mit dem deutschen Fiskus übrigens auf eine Steuernachzahlung, da die Finanz die Abzugsfähigkeit bestimmter Zahlungen in Frage gestellt hatte. In den USA beträgt die nunmehrige Strafe für ITAR-Verstöße rund 233 Millionen US-Dollar. Der Eurofighter-Deal ist dabei einer von mehreren Fällen.
Leer ausgegangen ist bisher jedenfalls jenes Land, das eigentlich im Zentrum der Affäre steht: Österreich. Seit vielen Jahren ermittelt die Justiz. Das aktuelle Haupt-Ermittlungsverfahren wurde 2011 gestartet. Im Jahr 2017 erhielt das Verfahren durch eine vom damaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil eingesetzte Task-Force neuen Schwung.
Dass Airbus nun in den USA „politische Zahlungen“ zugibt, dürfte wohl auch die österreichischen Behörden brennend interessieren. Das Ermittlungsverfahren wurde Anfang Februar 2019 von der Staatsanwaltschaft Wien an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übertragen. Diese führt im gesamten Verfahrenskomplex rund 60 bekannte Beschuldigte. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
Update
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner fordert nach dem profil-Bericht indes Konsequenzen. Auf Anfrage teilte sie am Samstag mit: „Ich habe mich unmittelbar nach meinem Amtsantritt der Angelegenheit angenommen und den Auftrag erteilt, die Ansprüche der Republik Österreich auf Wiedergutmachung gegen Airbus mit Nachdruck zu verfolgen.“
In einer schriftlichen Stellungnahme des Verteidigungsministeriums heißt es, der Vergleich in den USA bestätige „ausdrücklich unlauteres Verhalten von Airbus im Zusammenhang mit dem Verkauf von Eurofightern im Jahr 2003 an die Republik Österreich und erhärtet den vom Bundesministerium für Landesverteidigung im Jahr 2017 angezeigten Betrugsverdacht, dass ein Teil des von der Republik Österreich für die Eurofighter als Kaufpreis bezahlten Betrags von 183,4 Millionen Euro über Deutschalnd in das dubiose Vector-Netzwerk und zu anderen über Broker und Briefkästen geflossen war, um unlauteren Geschäften zu dienen“.
Die Finanzprokuratur – der Anwalt der Republik – hat sich im Februar 2017 Betrugsermittlungen in Österreich mit einer Schadenersatzforderung angeschlossen. Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, teilt zu den aktuellen Entwicklungen mit: „Wir verfolgen seit Jahren mit allen rechtsstaatlichen Mitteln die berechtigten Ansprüche der Republik Österreich gegen Airbus. Durch das nunmehrige Eingeständnis von Airbus sollte es auch in Österreich zur Anklage kommen können.“
Airbus und alle anderen Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe in Zusammenhang mit den österreichischen Ermittlungen immer bestritten.