profil-Morgenpost: Waschtag
Ich beginne diese Morgenpost mit einem kleinen Geständnis: Ich bin heute ziemlich müde. Selbiges gilt – so viel darf ich verraten – für profil-Wirtschaftsressortleiter Michael Nikbakhsh. Ich muss jedoch gleich hinzufügen: Unsere leichte morgendliche Indisposition hat selbstverständlich ausschließlich berufliche Gründe. Wir hatten gestern noch länger zu tun.
Am Sonntagabend wurde ein Rechercheprojekt spruchreif, an dem wir seit einem Jahr gearbeitet hatten. Es handelt sich dabei um eine globale Kooperation von 110 Medienhäusern unter Leitung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit dem Titel „FinCEN Files“. FinCEN ist jene Stelle des US-Finanzministeriums, an die amerikanische Banken Geldwäscheverdachtsmeldungen erstatten müssen, wenn ihnen irgendetwas eigenartig vorkommt. Das Projekt zeigt jedoch eindrücklich, dass trotz derartiger Meldepflichten schmutziges Geld in schier unglaublichen Mengen ungehindert rund um den Globus zirkuliert.
In Österreich kooperierten wir im Rahmen des Projekts eng mit dem ORF. Wir standen in ständiger Abstimmung mit dem ICIJ in Washington und mit Kollegen in anderen Ländern. Die Abende nach langen Arbeitstagen verbrachte ich in letzter Zeit zum Beispiel häufig am Telefon mit einer Kollegin von „IDL-Reporteros“ aus Peru. Warum das wichtig ist? Geldwäsche ist ein globales Thema. Will Journalismus das Problem an der Wurzel packen, muss er sich ebenfalls weit über Landesgrenzen hinaus vernetzen.
Wer einen tiefen Einblick in das kaputte System der Geldwäschebekämpfung erlangen möchte, dem sei dieser Text ans Herz gelegt. Er schildert eindrücklich, warum es in diesem sensiblen Bereich derart im Argen liegt – und welche Folgen das hat.
Doch das Problem mit der Geldwäschebekämpfung spielt sich nicht nur auf internationaler Ebene ab. Anhand der FinCEN Files und weiterer Recherchen konnten wir herausarbeiten, wie Österreich im größten Bestechungsskandal der Welt zur Geldpipeline wurde. Es geht um die brasilianische Baufirma Odebrecht und um heimische Banken.
Wie es uns Journalisten bei dieser umfangreichen Recherche ergangen ist, durfte ich mit Michael Nikbakhsh und mit ORF-Kollegin Ulla Kramar-Schmid im Rahmen eines Podcasts besprechen.
Und wer es heute eher eilig hat, dem sei dieser Frage-Antwort-Text zu den FinCEN Files besonders ans Herz gelegt.
Ich wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche!
Stefan Melichar