Putins Krieg: Das Zögern der OMV
Dieser Artikel wurde am 11. März 2022 aktualisiert. Sie finden das Update am Ende des Textes.
Zenit St. Petersburg ist Freundinnen und Freunden des gepflegten Rasenballspiels durchaus bekannt, in den vergangenen Jahren hat der russische Verein international immer wieder solide Leistungen abgeliefert. Bekannt ist auch, dass der Klub zum Gazprom-Konzern gehört, in der Gazprom-Arena spielt und zumindest einen erklärten Fan hat: Wladimir Putin, geboren 1952 im damaligen Leningrad.
Zenit St. Petersburg ist der Herzensverein des russischen Diktators.
Weniger bekannt ist, dass auch die OMV bei Zenit St. Petersburg mit an Bord ist – als Sponsor der Zenit-Jugend. Wie die Investigativ-Plattform Dossier 2020 enthüllte, schloss der teilstaatliche Konzern im September 2018 einen fünf Jahre laufenden Sponsor-Vertrag mit Zenit.
Das leise Sponsoring
Die vertraglichen Details wurden nie offengelegt, auch die Motivation hinter dem Sponsoring blieb im Dunklen. Die OMV verkauft in Russland schließlich keine Produkte. Überhaupt machte das Management rund um dieses Geschäft erstaunlich wenig Trara. Immerhin soll es um 24 Millionen Euro gegangen sein, die der teilstaatliche österreichische Konzern dem Gazprom-Klub bis zum Ende der Saison 2022/23 zugesagt hatte – die OMV kommentiert die Summe übrigens nicht.
Auf der Website von Zenit St. Petersburg findet sich ein kleiner Eintrag aus dem Jahr 2018, wonach die OMV „Werbe- und Sponsoringrechte“ in Zusammenhang mit der Entwicklung des Zenit-Jugendfußballs erhalte: Das OMV-Logo sollte fortan unter anderem auf den Trikots und Trainingsanzügen der Jugendfußballspieler, der Trainer, Betreuer und aller „Gazprom Academy“-Mannschaften platziert werden.
Zufall? In auffallender zeitlicher Nähe zum OMV-Sponsoring in Russland schloss Gazprom 2018 einen Sponsoring-Vertrag in Österreich. Mit der Wiener Austria. Gleiche Laufzeit, gleiches Volumen, gleicher Zweck: die Förderung des Nachwuchses. Seit damals ist Gazprom auch Trikotsponsor der „Young Violets“.
Der Austria Wien-Vorstand hat mittlerweile reagiert und das Gazprom-Logo von Dressen und Stadionbanden entfernen lassen, der eigentliche Vertrag mit dem russischen Konzern ist aber weiterhin aufrecht – rechtliche Gründe, wie es heißt (und wohl auch wirtschaftliche).
Und die OMV? Auch ihr Sponsoring-Vertrag mit dem FC Zenit ist ungeachtet von Putins Überfall auf die Ukraine weiterhin in Kraft. Der teilstaatliche Konzern scheint ziemliche Probleme damit zu haben, sich davon zu distanzieren.
profil wollte vergangene Woche von der OMV wissen, wie man mit der verbleibenden Vertragslaufzeit umzugehen gedenke. Antwort: „Der Vertrag mit FC Zenit St. Petersburg läuft bis Ende der Saison 2022/2023. Die Werbeleistungen aus diesem Vertag sind mehrfach. Sie bestehen einerseits in der Logopräsenz auf unterschiedlichen Trikots der Nachwuchsmannschaft sowie im Stadion bei Spielen der Kampfmannschaft und andererseits in der Präsenz in Informations- und Werbematerialen inklusive Webpage.“ Und: „Wir prüfen derzeit, wie wir mit der restlichen Vertragslaufzeit umgehen.“
Auf Nachfrage wie lange denn eine solche Prüfung bei der OMV in aller Regel dauere, kam die Replik: „Insbesondere rechtliche Angelegenheiten muss man sehr sorgsam prüfen und sie dann besonnen entscheiden. Selbstverständlich haben wir das schon geprüft und kennen die Optionen. Die darauf basierende Entscheidung werden wir besonnen treffen und umsetzen.“ Sobald das geschehen sei, werde man Bescheid geben, so ein OMV-Sprecher.
Eingefädelt wurde die ökonomisch nur mit viel politischer Fantasie nachvollziehbare Partnerschaft der OMV mit Putins Ballesterern in der Ära des damaligen OMV-CEO Rainer Seele, der 2018 eigens nach St. Petersburg gereist war, um sich mit Gazprom-Chef Alexej Miller zu freuen.
Seele – er musste die OMV im Vorjahr verlassen – gilt als Putin-Versteher ersten Ranges. 2018 ließ er sich vom russischen Präsidenten den „Orden der Freundschaft“ umhängen, den vor ihm unter anderem Siegfried Wolf, Reinhold Mitterlehner, Christoph Leitl, Karl Schranz und Martin Bartenstein empfangen hatten. Seit 2012 ist Seele auch Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer.
Rainer Seele war 2015 für den geschassten OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss verpflichtet worden, der bei den Hauptaktionären – 31,5 Prozent hält die Staatsholding ÖBAG, 24,9 Prozent das Emirat Abu Dhabi – in Ungnade gefallen war. Unter anderem deshalb, weil Roiss sich geweigert hatte, in Russland zu investieren.
Als Roiss im Oktober 2014 demontiert wurde, hieß die Staatsholding ÖBAG noch ÖIAG – und an der Spitze des Aufsichtsrats saß: Siegfried Wolf, noch ein Putin-Versteher, ein Mann mit besten Verbindungen nach Russland im Allgemeinen, zum Oligarchen Oleg Deripaska im Besonderen (profil wird dazu in Kürze ausführlich berichten).
Der Weg nach Russland
Unter Rainer Seele wurde die OMV wahrnehmbar nach Russland ausgerichtet. Der Konzern nahm rund 1,7 Milliarden Euro in die Hand, um sich an russischen Gasfeldern zu beteiligen, der Bau der Gazprom-Pipeline North Stream 2 wurde mit weiteren 729 Millionen finanziert, seit 2020 sitzt auch eine russische Managerin im Vorstand der OMV.
Die Russland-Engagements bereiten der OMV jetzt mit Blick auf den Paria-Status des Landes ziemliche Probleme. Das geht es um viel Geld und Image. Massive Abschreibungen stehen im Raum, der Aktienkurs hat stark gelitten (stärker noch als die Kurse anderer Produzenten). Zuletzt wurden für die OMV-Aktie rund 40 Euro aufgerufen, der tiefste Stand seit April des Vorjahres. Während Konzerne wie BP und Shell bereits den Abbruch ihrer Geschäftsbeziehungen zu russischen Unternehmen angekündigt haben, scheint die Meinungsbildung im OMV-Vorstand nach wie vor nicht abgeschlossen zu sein. Abgeblasen wurde bisher lediglich die (schon vor Putins Feldzug ins Stocken geratene) Beteiligung an weiteren russischen Erdgasfeldern in Sibirien.
Update, 11. März 2022: Die OMV hat profil nun eine weitere Stellungnahme übermittelt, wonach sie sich aus dem Zenit-Engagement zurückzieht. "Wir haben heute die Kündigung des Zenit-Vertrages abgeschickt", teilte ein Sprecher mit.
Bereits zuvor hatte der Konzern das vorläufige Aus seiner Russland-Strategie bekanntgegeben. Die Beteiligungen an den russischen Gasfeldern und die Finanzierung der Pipeline North Stream 2 werden wertberichtigt, in Summe wird mit Abschreibungen in einer Größenordnung von bis zu 1,8 Milliarden Euro gerechnet.