Sie haben bei Ihrem Antritt im September spaßeshalber gesagt, Sie wechseln vom Drehstuhl in den Schleudersitz. Haben Sie damit gerechnet, dass die Schwankungen im Verein in so kurzer Zeit so extrem sein können?
Daniela Bauer
Nicht diese Extreme, definitiv nicht. Im Bereich Wirtschaft können wir mehr oder weniger unabhängig von den sportlichen Ergebnissen arbeiten, allerdings ist es für uns herausfordernder, wenn es am Spielfeld nicht zu 100 Prozent läuft. Wie sehr man den Druck und die Stimmungslage trotzdem auch in der Geschäftsstelle spürt, hat mich überrascht.
Wie gehen Sie damit um?
Bauer
Meine Devise ist: Wenn es sportlich nicht gut läuft, bin ich noch eine Stunde früher im Büro. Dann müssen wir versuchen, noch mehr Gas zu geben, um den Druck vom Sport abzufedern.
Ihr erster Arbeitstag war der 1. September, am Tag darauf hat Rapid um kolportierte vier Millionen Euro mit Tobias Gulliksen den teuersten Einkauf der Vereinsgeschichte präsentiert. Wie sehr sind Sie in solche Entscheidungen involviert?
Bauer
Die sportlichen Entscheidungen trifft bei uns ganz klar Sportchef Markus Katzer, aber natürlich werden die finanziellen Rahmenbedingungen in der Geschäftsführung beschlossen. Wir rechnen immer verschiedene Szenarien durch, und schlussendlich werden solche Transfers auch mit dem Präsidium abgestimmt.
Sportchef Markus Katzer hat damals gemeint, Rapid sei auf einem „neuen Level“ angekommen, was die Transfersummen angeht. Steigt damit nicht auch das wirtschaftliche Risiko?
Bauer
Ein gewisses wirtschaftliches Risiko gibt es, klar. Aber unsere Einnahmequellen sind sehr gut ausbalanciert: Wir haben heuer einen Zuschauerschnitt von 22.000, dazu den größten Businessclub in Österreich …
Und im Sommer die Spieler Mamadou Sangaré und Isak Jansson um Millionen verkauft.
Bauer
Genau. Das hat Markus mit dem neuen Level gemeint. Wir haben zuletzt auch sehr hohe Transfererlöse erzielt.
Der englische Spitzenklub Liverpool hat im Sommer 480 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Finden Sie solche Summen obszön?
Bauer
Ja, ich finde diese Beträge obszön, man muss diese Summen aber immer im Kontext betrachten. Diese Vereine spielen Champions League und haben sehr hohe internationale TV-Reichweiten, was sich wiederum auf deren Erlöse auswirkt. Wir spielen in der Conference League, und Transfersummen und Gehälter passen sich immer an den nationalen Markt an.
Sie haben für den Versicherungskonzern Allianz das weltweite Sponsoring geleitet, davor die internationale Vermarktung der deutschen Bundesliga. Was hat Sie dazu bewogen, nach Wien zurückzukehren?
Bauer
Ich habe im Ausland wahnsinnig viel Erfahrung im internationalen Fußball gemacht, und hier habe ich die Chance, das für meinen Heimatverein einzusetzen. Es gab auch Interesse aus England und Deutschland, aber die sind dort schon so extrem weit. Bei uns sehe ich noch viel Potenzial zu wachsen.
Rapid hat zu Saisonbeginn eine Siegesserie hingelegt. Die Fans haben schon vom ersten Meistertitel seit 2008 geträumt. Was ist danach passiert?
Bauer
Am Anfang lief es wirklich gut. Es war für mich toll, mit diesen Emotionen und den vielen Siegen zu starten. Das macht die Gespräche mit Sponsoren und Partnern um vieles einfacher. Wir hatten mit Peter Stöger einen wahnsinnig tollen, erfahrenen Profi als Trainer. Warum es letztlich nicht geklappt hat, kann ich nicht beurteilen.
Nach der Trennung von Trainer Stöger gab es zwei Niederlagen, vergangenen Samstag im Heimspiel gegen Ried haben die Fans die letzten 30 Minuten durchgepfiffen.
Bauer
Wir haben als Verein so viel Historie, wir sind sprichwörtlich für viele eine Religion. Ich verstehe die Erwartungen, der Druck ist bei Rapid immer extrem hoch. Wir haben diese Saison schon besser gespielt, aber ich bin guter Dinge, dass es bald wieder bergauf geht.
Im Fanblock war ein Transparent mit der Aufschrift „Ihr werdet immer Legenden sein, aber wenn ihr Rapid liebt und versteht, wird es Zeit, dass ihr geht!“ Mit Steffen Hofmann und Markus Katzer sind zwei verdienstvolle Ex-Spieler mit Ihnen in der Geschäftsführung. Haben Sie darüber gesprochen?
Bauer
Ja, wir sprechen darüber. Mit dem Interimstrainer Stefan Kulovits ist sogar noch eine weitere Vereinslegende in einer Schlüsselposition bei uns.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihren beiden Kollegen in der Geschäftsführung?
Bauer
Die Arbeit mit Steffen und
Markus ist sehr professionell, und ich finde, wir ergänzen uns sehr gut. Jeder schätzt die Kompetenz der anderen in ihren Bereichen. Es herrscht ein sehr offener und willkommener Austausch. Nicht nur in der Geschäftsführung übrigens. Sondern?
Bauer
Wir haben in den letzten drei Monaten insgesamt im Verein viel weitergebracht. Wir haben auf die Geschäftsstelle in Hütteldorf und das Trainingszentrum im Prater verteilt 200 Mitarbeiter. Einmal im Monat setzen wir uns mit der gesamten Belegschaft zusammen und tauschen uns über aktuelle Themen aus, geben Updates aus der Geschäftsführung oder den einzelnen Bereichen. Ich glaube, dass Transparenz und klare Kommunikation uns helfen, gemeinsam weiterzukommen.
Die Fans verlangen von den Funktionären eine hohe Identifikation mit dem Verein. Wenn es nicht läuft, wirft man verdienstvollen Ex-Spielern aber Freunderlwirtschaft vor. Gibt es die bei Rapid?
Bauer
Nein. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass wir ein Problem mit Freunderlwirtschaft haben. Wir kochen auch nicht im eigenen Saft. Schauen Sie sich unser Präsidium an, das ist sehr divers aufgestellt. Da sitzen Leute aus Medien, Politik, Sport, Wirtschaft und Wissenschaft. Ich selbst habe diesen Job aufgrund meiner Erfahrung und aufgrund meiner Kompetenz – und nicht, weil irgendwer irgendwem einen Gefallen tun wollte. Was es bei uns schon gibt, ist ein bisschen die österreichische Gemütlichkeit. Nach dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht, warum sollten wir es jetzt ändern?
Was wollen Sie bei Rapid ändern?
Bauer
Wir hatten im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von 61,4 Millionen Euro. Wir sind in vielen Bereichen sehr gut unterwegs. Wir haben an den Spieltagen rund 2500 Besucher im VIP-Bereich. Die Erlöse aus dem Sponsoring sind in den vergangenen Jahren in etwa gleich geblieben. Da sehe ich noch Potenzial, auch im Bereich Merchandising. Was mir auch wichtig ist: Wir wollen mit unseren Marketingaktivitäten präsenter sein.
Zum Beispiel?
Bauer
Wir haben heuer zusätzlich zu Heim- und Auswärtsdress ein drittes Trikot aufgelegt. Das haben sich die Fans beim Würstelstand „Zum scharfen René“ am Schwarzenbergplatz holen können. Mit solchen Aktionen wollen wir im Alltag der Wiener sichtbarer sein, nicht nur in Hütteldorf.
Die Bundesliga hat gerade einen neuen Vertrag über die TV-Rechte mit Sky abgeschlossen, der rund 34 Millionen Euro im Jahr bringen soll. Das ist weniger als zuletzt. Können Sie sich vorstellen, dass Rapid seine Spiele allein vermarktet?
Bauer
Einen Alleingang sehe ich nicht. Die Bundesliga hat ja vor der Einigung mit Sky überlegt, die Spiele auf einer eigenen Plattform zu zeigen. Wir waren uns aber sicher, dass wir als Liga eine Eigenvermarktung in einem Jahr nicht auf die Beine stellen können. Wenn wir jetzt anfangen und vier Jahre vorausschauend arbeiten, sehe ich Möglichkeiten. Rapid kann da eine federführende Rolle spielen. Präsident Alexander Wrabetz hat als ehemaliger ORF-Generaldirektor viel Expertise, ich selbst habe für die deutsche Bundesliga internationale Verträge verhandelt. Ich weiß aber, dass es wahnsinnig schwierig ist. Selbst die National Football League machte das nicht in Eigenregie, sondern gemeinsam mit dem Streamingdienst DAZN. Und die NFL ist die größte Sportliga der Welt.
Meisterschaft, Pokal und die europäischen Bewerbe wie zum Beispiel die Conference League werden oft von unterschiedlichen Streamingdiensten übertragen. Wie viele Bezahl-Abos sind einem Fan zumutbar?
Bauer
Wenn es nach mir geht, sollten so viele Spiele wie möglich free-to-air zu sehen sein …
… also ohne zusätzliches Bezahl-Abo.
Bauer
Genau. Der SK Rapid hat als Verein in Österreich etwa 2,5 Millionen Sympathisanten. Man kann nicht erwarten, dass alle von denen ein Jahresabo bei uns abschließen werden. Mit frei empfangbaren Spielen können wir aber diejenigen ansprechen, die uns noch nicht so intensiv verfolgen, und unter den Sympathisanten Fans oder Vereinsmitglieder gewinnen.
Ihr Geschäftsführer-Kollege Markus Katzer sucht gerade einen neuen Trainer. Was treibt Sie um?
Bauer
Nächstes Jahr feiert das Allianz Stadion sein zehnjähriges Jubiläum. Das möchten wir zum Anlass nehmen, das Stadion zu digitalisieren, um das Spieltagserlebnis für den Fan noch besser zu gestalten. Das kann zum Beispiel heißen, dass man in der ersten Halbzeit Würstel und Bier über unsere App bestellt und dann alles in der Pause abholen kann, ohne in der Schlange zu stehen. Oder dass man Statistiken und Analysen zum Match oder zu den einzelnen Spielern aufs Handy als second screen bekommt.
Sie arbeiten als Frau in einer männerdominierten Branche. Fühlen Sie sich als Außenseiterin?
Bauer
Ich bin die erste Frau in der Geschäftsführung im österreichischen Fußball. Das ist mir bewusst, aber ich fühle mich nicht als Außenseiterin, die gemeinsame Sache steht im Mittelpunkt. Vielleicht, weil ich diese Position in meiner Laufbahn schon ganz oft hatte, etwa bei der DFL (Deutsche Fußball Liga, Anm.). Dort hat mich der damalige Geschäftsführer Christian Seifert sehr gefördert, mich zu Fortbildungen für weibliche Führungskräfte geschickt und mir sehr viel Selbstvertrauen für meinen Job gegeben.
Sie engagieren sich in Deutschland im Frauennetzwerk „Fußball kann mehr“ für mehr Diversität im Fußball. Im österreichischen Fußball gibt es nicht allzu viele Frauen, mit denen Sie sich vernetzen könnten.
Bauer
Wir haben da viel aufzuholen. Bei uns im Verein haben wir mit der früheren WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger und der Ex-SPÖ-Abgeordneten Nurten Yılmaz im Präsidium zwei tolle Frauen. Bei mir ist derzeit der volle Fokus auf den Verein gerichtet. Aber wenn es nächstes Jahr sportlich wieder läuft und alles ein bisschen ruhiger ist, gründe ich vielleicht einen „Fußball kann mehr“-Ableger in Österreich.