Signa-Pleite

Sanierungsberater: „Es gibt keine unbelasteten Signa-Immobilien“

Florian Nowotny ist für den US-Sanierungsberater Alvarez & Marsal tätig und berät kaufkräftige Investoren, die auf Signa-Schnäppchenjagd sind. Im Gespräch mit profil erzählt er, was Signa und Lehman Brothers gemeinsam haben und wieso bei Signa alles verpfändet ist.

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Der scheidende Sanierungsvorstand der Signa, Erhard Grossnigg, hat zuletzt im Interview über die Signa-Pleite gesagt, dass viele Schnäppchenjäger auf der Suche nach günstigen Immobilien sind. Sind Sie auf der Suche nach Signa-Schnäppchen für Ihre Kunden?

Nowotny
Es gibt immer Leute, die in dieser Situation hoffen, Immobilien unter ihrem Wert zu bekommen. Es ist jetzt Aufgabe des Treuhänders, darauf zu achten, dass trotz der schwierigen Situation die Erlöse für die Gläubiger maximiert werden. Wir sind als Berater regelmäßig in solchen Situationen für potenzielle Käufer tätig. Eine unserer Aufgaben besteht darin, die komplexen Risiken zu analysieren, eine mögliche Leitlinie für die Investitionen zu erarbeiten. Die Situation ist so komplex und risikobehaftet, dass nur spezialisierte Investoren mit genug Risikotragfähigkeit damit fertig werden.
Was heißt das konkret?
Nowotny
Es gibt zusätzlich zum normalen Immobilienrisiko eine Reihe weiterer Themen: rechtliche Unsicherheiten, steuerliche Risiken, stillstehende Baustellen. Und da wird die Luft sehr dünn, wer solche Investitionen stemmen kann. Die Rendite-Erwartungen sind dem Risiko angepasst – und in einem Fall wie diesem bewegen sie sich im zweistelligen Bereich, also 15 bis 20 Prozent pro Jahr. Die Wertschaffung der Investoren besteht darin, die Risiken wieder in den Griff zu bekommen und eine Immobilie gewinnbringend weiterzuverkaufen. In der Regel dauert das ein bis drei Jahre. 
Wer sind „die Investoren“, die jetzt Signa-Immobilien kaufen wollen? Trotz der Insolvenz kosten diese Liegenschaften ja nicht Peanuts.
Nowotny
Das Portfolio, das jetzt im Raum steht, beinhaltet ja das Goldene Quartier und das Park Hyatt in Wien, sogenannte Super-Prime-Immobilien. Jemand, der solche Super-Prime-Immobilien sucht, ist normalerweise sehr risikoavers. Der sucht ein langfristiges, sicheres Investment. Es gibt aber einen Widerspruch: Diese an sich sehr risikoarmen Immobilien werden derzeit in einem sehr riskanten Umfeld gehalten. 
Welche Risiken muss man denn konkret einpreisen?
Nowotny
Es gibt bei Signa keine „unbelasteten“ Immobilien – alle sind belehnt oder verpfändet. Das ist auch der Unterschied zwischen Signa und anderen börsennotierten Immobiliengesellschaften, die sich regelmäßig einem internationalen Rating stellen. Dort sind 30 bis 40 Prozent des Immobilienvermögens unbelastet.
Mit „Rating“ meinen Sie eine Bewertung der drei großen Ratingagenturen – Moody’s, Fitch und S&P? Signa wurde ja bewertet.
Nowotny
Signa Prime wurde nur von einer kleinen Ratingagentur bewertet, nicht aber von den drei genannten. Bei den großen, internationalen Ratingagenturen herrschen strengere Bewertungsregeln, und ein Kriterium ist der Anteil unbelasteter Immobilien im Portfolio. Wenn man zum Beispiel als Bank unbesicherte Finanzierungen an eine übergeordnete Holding-Firma vergibt, ist das ein ganz wesentlicher Punkt: Steht den unbesicherten Finanzierungen auf einer unteren Unternehmensebene Immobilienvermögen gegenüber, das unbelastet ist?
Ist es für den Käufer nicht letztlich egal, wie sein Investment dann aufgeteilt wird?
Nowotny
Das ist ein Punkt, der für den Massekreditgeber (ein Kredit, der für die Sanierung vergeben wird und vorrangig zurückbezahlt werden muss, Anm.) sehr relevant ist. Gibt es unbesichertes Vermögen, und wie weit hinter den besicherten Gläubigern muss man sich anstellen? Auch die Mieten sind ein Thema. Signa hat die Besonderheit, dass sie bei einer Reihe von Immobilien gleichzeitig Mieterin und Vermieterin ist. Das ist vor allem im Handel der Fall, bei Galeria Karstadt Kaufhof etwa. Der Cashflow der Immobilie kommt von einer anderen Gesellschaft aus dem Signa-Umfeld. 
Wie viel Prozent der Signa-Mieter kommen aus dem eigenen Unternehmen?
Nowotny
Im Handelsbereich kommt der Großteil der Mieten von anderen Signa-Gesellschaften. Da sind Immobiliengesellschaften und der operative Handel getrennt. Aber wenn die Warenhausgesellschaft die Miete nicht erwirtschaftet, ist der Cashflow nicht nachhaltig. Wenn man sieht, dass ein Mieter die Miete nicht verdient oder keine Bonität hat, kann man eigentlich diese Miete nicht als Basis für die Bewertung nehmen.
Bei Signa hat man aber offenbar genau das getan.
Nowotny
Das ist sicherlich ein Punkt, in dem die Immobilienbewertungen über die Mietverträge optimiert wurden, um es mal nett zu formulieren. Jetzt sind die Handelsunternehmen und die Immobiliengesellschaften in getrennten Insolvenzverfahren, aber wechselseitig voneinander abhängig. Der Käufer des Handelsgeschäfts muss natürlich wissen, wie viel Miete er bezahlt. Und der Käufer der Immobilien will wissen, wie viel Miete er bekommt. Und jetzt muss man klären, was überhaupt eine realistische Miete für die Immobilien ist. Ein wesentlicher Teil des Signa-Portfolios besteht aus eben diesen Warenhausliegenschaften. In einem normalen Bürohaus findet man solche Konstruktionen eher selten.
Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".