Domino-Effekte: Immer mehr Signa-Gesellschaften schlittern in die Insolvenz.
Signa

Sanierungsverfahren: Benko soll blechen

Erster Zwischenbericht zur Signa-Insolvenz wirft kein gutes Licht auf die Gruppe: Die Signa Holding sei ihrer Kontrollfunktion nur teilweise nachgekommen, der Liquiditätsbedarf kann noch immer nicht genau beziffert werden und es herrscht noch wenig Transparenz im weit verzweigten Firmengeflecht.

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Gut 46 ausgedruckte A3-Seiten umfasst das Firmenorganigramm, das Insolvenzverwalter Christof Stapf und seine Mitarbeiter in den vergangenen drei Wochen von der Signa Holding und ihren direkten und indirekten Beteiligungen erstellt haben – vorerst. Das sind fünfeinhalb Quadratmeter dicht bedrucktes Papier. „Und wir sind noch immer nicht fertig. Es stellt sich schon die Frage, ob man sich in diesem Firmengeflecht überhaupt noch einen Überblick verschaffen kann“, erzählt eine Person aus dem Umfeld des Sanierers. Geht es nach Stapf, soll ein eigenes Lenkungsgremium die Restrukturierung der gesamten Gruppe, also auch der nicht insolventen Gesellschaften, wie zum Beispiel die Signa Prime Selection und die Signa Development, übernehmen. Eine Entscheidung darüber ist allerdings noch ausständig. 

Das über die Jahre entstandene Beteiligunsgeflecht ist so verworren, dass Stapf im Sanierungsverfahren nun auf die Dienste des Wirtschaftsprüfers und Unternehmensberaters Deloitte zurückgreift. Deloitte soll bei der forensischen Sicherung der Daten helfen und mit rechtlichen Analysen unterstützen. Detail am Rande: Viele der erst mit großer Verzögerung veröffentlichten Firmenbilanzen wurden von Deloitte-Konkurrent KPMG testiert.

Der Zwischenbericht, der heute den Gläubigern in einer nicht öffentlichen Sitzung am Wiener Handelsgericht vorgestellt wurde, fällt jedenfalls verheerend aus: In Teilen des Managements fehle es an übergreifendem Wissen über die Vorgänge in anderen direkten und indirekten Beteiligungen. Die Signa Holding sei zuletzt nur teilweise ihrer Kontrollfunktion nachgekommen, wie es in einer ersten Mitteilung des Sanierungsverwalters heißt, die profil vorliegt. Und auch der tatsächliche Liquiditätsbedarf der Holding lässt sich noch immer nicht genau beziffern. Nach der ersten Berichtstagsatzung bestätigt das Gericht jedenfalls die Sanierung in Eigenverwaltung fest. Die Gläubigerschützer vom KSV1870 sehen zudem die Kosten für den Fortbestand von Signa vorerst gedeckt.

Stapf hat deshalb die gesamte Geldgebarung an sich genommen, was für ein Sanierungsverfahren in Eigenverantwortung eher unüblich ist. „In der Praxis läuft die Sanierung jetzt nicht sehr viel anders als eine Insolvenz in Fremdverwaltung“, so ein Insider. Den vollen Zugriff auf das Firmenvermögen und damit die alleinige Handhabe bei der Verwertung hat er aber naturgemäß nicht. Das sei nicht im Sinne der Investoren, die nun möglichst wenig von ihrem angelegten Geld in der Insolvenzmasse verloren gehen sehen wollen, wie es aus Signa-Kreisen heißt.

Viele Forderungen noch nicht eingebracht

Laut Sanierungsverwalter haben bisher 43 Gläubiger rund 1,13 Milliarden Euro an Forderungen angemeldet. Die Pleite der Signa wurde eigentlich mit fünf Milliarden beziffert, allerdings läuft die Anmeldefrist für die Forderungen noch bis zum 15. Jänner 2024. 

Signa-Gründer René Benko hat bisher drei Millionen Euro für die Sanierung zugesagt. Das Geld sei aber nur teilweise geflossen und es werde ihm nichts anderes übrig bleiben, als noch mehr Geld aus seinem Privatvermögen in die Hand zu nehmen, wenn er das Unternehmen noch irgendwie retten und vor dem totalen Kollaps bewahren wolle, wie es aus dem Umfeld von Signa heißt. 

Indes wird alles versilbert und abgestoßen, was nicht zum Kerngeschäft der Signa gehört und schnell das nötige Cash bringt; etwa Benkos Privatjet. Die Signa Holding hat den Mietvertrag für den Firmensitz im Palais Ferstl und im Palais Herrach in Wien gekündigt und zieht demnächst von dort aus. Alle Ausgaben für Jagd, Flüge und Repräsentationstätigkeiten wurden, wie bereits berichtet, eingestellt. Interessenten sucht man aktuell auch für die Medienbeteiligungen – Signa hält 49 Prozent an der Funke-Gruppe, die wiederum 50 Prozent an der Krone und fast 50 Prozent an der profil-Mutter Kurier hält. 

Auch das in die Jahre gekommene, aber noch immer sehr prestigeträchtige Chrysler-Building in New York soll über die Beteiligungsfirma Signa RFR US Selection AG veräußert werden.

Unklar ist noch, wie es mit der Handelssparte Signa-Retail weitergeht. Der Handel hat sich nach Corona insgesamt nicht mehr erholt, viele Geschäftsbereiche sind defizitär. Signa Sports wurde bereits in die Insolvenz geschickt, kika/Leiner wurde nur wenige Tage nach dem Verkauf durch Signa insolvent. Und die deutsche Galeria/Kaufhof wurde bereits zwei Mal saniert. Der Schaden für die Steuerzahler bisher: 600 Millionen in Deutschland. In Österreich schuldet die Signa Holding eigentlich noch 15 Millionen Euro im Zuge der kika/Leiner-Sanierung. Bei einer bisher angebotenen Mindestquote von 30 Prozent müssten Fiskus und Gläubiger wohl auf 10,5 Millionen davon verzichten. 

Sanieren und neu aufstellen müssen sich auch die Signa Prime und die Signa Development, in welchen die besonders werthaltigen Immobilienbeteiligungen der Signa gebündelt sind. Beide Gesellschaften kämpfen nach wie vor mit Liquiditätsschwierigkeiten und schrieben zuletzt Verluste, zahlreiche Baustellen wie zum Beispiel der Elbtower in Hamburg und die Alte Akademie in München stehen still. Seit Beginn des Jahres hat Signa zudem eine Reihe von Luxusimmobilien verkauft, um an frisches Geld zu komme – das Apple-Haus, ein Viertel des Goldenen Quartiers sowie das Meinl-Haus in der Wiener Innenstadt. In Hamburg werden zudem Gespräche mit dem Signa-Investor Klaus-Michael Kühne rund um eine mögliche Übernahme des Elbtowers geführt.

Alle Verkäufe müssen derzeit von Sanierungsverwalter Stapf genehmigt werden. Er nimmt auch zusammen mit Deloitte einige bereits abgeschlossene Verkäufe unter die Lupe. Am 12. Februar soll jedenfalls der Sanierungsplan stehen und den Gläubigern vorgelegt werden. Die Entwirrung und Sanierung des noch immer undurchsichtigen Firmengeflechts von René Benko wird aber wohl noch Jahre dauern.

Indes hat Alfred Gusenbauer, Aufsichtsratsvorsitzender der Signa Holding, per Aussendung angekündigt, dass er mit Jahresende seinen Vorsitz im Aufsichtsrat der Strabag SE niederlegt. "Ich will vermeiden, dass irgendein Reputationsschatten auf die Strabag fällt, die im Übrigen keine besonderen Geschäftsbeziehungen mit der Signa unterhält", wird Gusenbauer in der Aussendung zitiert. 

 

Hinweis: Diese Meldung wurde nachträglich um den Rücktritt Gusenbauers aus dem Strabag-Aufsichtsrat ergänzt. 

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".