Scheiternde Finanztransaktionssteuer
Früher oder später wird es unumgänglich sein: Europas Staaten müssen sich neue Steuerquellen erschließen. Bisher nämlich tragen die Beschäftigten den Hauptteil der Steuerlast, indem sie Steuern und Abgaben auf ihre Löhne berappen. Doch die Anzahl regulärer Beschäftigungsverhältnisse sinkt; außerdem wird viel mehr Geld als früher nicht mittels Lohnarbeit verdient, sondern durch Renditen auf Kapitalbesitz. Heißt: Es braucht neue Steuern, die nicht mehr allein auf Arbeit abzielen, sondern beispielsweise auf große Vermögen, Daten, Umweltsünden. Und auf Finanztransaktionen.
Was Letzteres betrifft, hat die EU-Kommission im Jahr 2011 einen vielversprechenden Vorschlag gemacht: eine winzige Steuer auf grenzüberschreitende Geldflüsse. Der Einzelne würde sie kaum spüren. Doch in Summe wäre das Aufkommen mit jährlich 30 Milliarden Euro beachtlich. Nebenher würde die Finanztransaktionssteuer (FTS) Spekulation eindämmen - weil es sich weniger als zuvor rentiert, Gelder blitzschnell über Grenzen zu schicken. Damit würde auch das internationale Finanzsystem stabiler.
Doch inzwischen verhandeln die EU-Finanzminister bereits seit sieben Jahren ergebnislos über den Vorschlag. Die Gruppe der Befürworter ist auf zehn Staaten geschrumpft, darunter Deutschland und Österreich. Doch auch sie können sich nicht einigen. Es gilt es als unwahrscheinlich, dass die FTS noch kommt.
Scholz will FTS retten
Auftritt Olaf Scholz, neuer deutscher Finanzminister. Als Sozialdemokrat steht Scholz der FTS traditionell gewogener gegenüber als Europas Konservative. Man solle mit dem Projekt "endlich zu Potte kommen", verkündet er im deutschen "Spiegel". Er will es retten. Ein Hoffnungsschimmer?
Nein. Denn wer genau liest, stellt fest, dass Scholz die Steuer auf Börsengeschäfte beschränken will. Dies ist aber ein entscheidender Aspekt: Eine wirksame FTS müsste auch spekulative Derivate umfassen, also Wetten auf Wertpapiere. Deren Volumen ist viel größer als jenes bloßer Börsengeschäfte, die noch dazu als harmloser als Derivate gelten. Die Variante der FTS als Börsensteuer gibt es bereits in einigen Staaten, etwa Großbritannien -und sie hat sich als weitgehend wirkungslos und wenig einträglich erwiesen. Entsprechend rechnet Scholz nur mit einem Aufkommen von fünf bis sieben Milliarden Euro jährlich, statt mit Dutzenden. Er versetzt der Steuer also den Todesstoß und beteuert gleichzeitig, sie retten zu wollen.
In Österreich übrigens befürwortet ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger eine FTS inklusive Derivate. Auch Vorgänger Hans Jörg Schelling machte sich bereits dafür stark - obwohl beide Politiker den Konservativen angehören, die der FTS häufig skeptisch gegenübersehen. Aber wenn die einflussreichen deutschen Nachbarn das Projekt bis zur Irrelevanz zurückstutzen, hilft das Engagement aus Wien nichts.