Das Schillern des Tigers
Davud Delic, Jahrgang 1967, war Hobby-Boxer und ein Bär von einem Mann. Sein Trainer gab später gegenüber der Gratiszeitung "heute“ an: "Er war eine Maschine: 140 Kilo, drei Stunden Schlaf pro Nacht - ich nannte ihn, Tiger‘.“ Am 24. Juni wurde der Gastronom und Bauunternehmer gegen ein Uhr früh vor seinem Wohnhaus in Wien Leopoldstadt erschossen. Vom Täter fehlt jede Spur. Die Schlagzeilen der Zeitungen erinnerten an einen schlechten Krimi: "Hinrichtung auf offener Straße“ - "Jagd auf den Killer des Bar-Königs“ - "Mafia-Mord: Der Killer ist abgetaucht“.
Demnächst könnte eine weitere Schlagzeile folgen. "Mordopfer Delic: Die Connection des Bar-Königs zur Wiener Ärztekammer“. Es ist eine bizarre Mésalliance: Die honorige Interessensvertretung von 12.500 Medizinern in der Bundeshauptstadt und der dubiose Barbesitzer mit jugoslawischen Wurzeln unterhielten enge geschäftliche Beziehungen.
Als Bauunternehmer hatte Delic über die Jahre einen Ring von Scheinfirmen aufgezogen, um damit Zahlungen an Gebietskrankenkassen und Finanzamt zu umgehen.
In den Zeitungen wurde Delic als "schillernd“ tituliert. Dem Hobby-Boxer gehörte der Scotch Club am Parkring. Wie die "Krone“ mutmaßt, könnte er Opfer einer Schutzgelderpressung geworden sein. Delic’ Boxtrainer will gegenüber "heute“ davon nichts wissen: "Alles Unfug.“ Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Wien ermitteln - wie es in so einem Fall stets heißt - "in alle Richtungen“.
Tatsache ist, dass Davud Delic für Österreichs Kriminal- und Justizbehörden kein Unbekannter war. Laut einem Bericht des "Kurier“ wurde er vor zehn Jahren wegen Betrugs verurteilt. Strafausmaß: drei Jahre. Als Bauunternehmer hatte er über die Jahre einen Ring von Scheinfirmen aufgezogen, um damit Zahlungen an Gebietskrankenkassen und Finanzamt zu umgehen. Im November 2007 wurde Delic aus der Haft entlassen.
Im Jahr 2012 gründete er die Dipl. Ing. Davud Delic Hoch- und Tiefbau GmbH. Die Anteile gingen später an Delic’ Sohn und den Geschäftsführer des Unternehmens über. In der Branche hatte Delic den Ruf, über Nacht Dutzende Mann organisieren zu können. In Wien sollen laut "Kurier“ bis zu 600 polnische Bauarbeiter für ihn tätig gewesen sein.
Delic' Unternehmen war die bevorzugte Baufirma der Ärztekammer.
Und hier kommt die Wiener Ärztekammer ins Spiel. Die Kammer und ihr Wohlfahrtsfonds verfügen über einen beträchtlichen Immobilienbesitz in der Bundeshauptstadt, darunter Häuser an besten Lagen in der Innenstadt oder an Einkaufsmeilen. Der Wohlfahrtsfonds bezahlt Pensionen für Ärzte im Ruhestand, versorgt Witwen und Waisen und leistet Unterstützung im Invaliditätsfall. Gespeist wird er aus Beiträgen aller Kammermitglieder. In der Bilanz 2014 ist das Immobilienvermögen des Wohlfahrtsfonds mit 127 Millionen Euro bewertet.
Eine der wertvollsten Liegenschaften des Fonds liegt an der Adresse Mariahilfer Straße 71. Bis vor zwei Jahren war in dem sechsgeschossigen Haus das traditionsreiche Tischkulturgeschäft Slama eingemietet. Seitdem steht das Gebäude leer, wird aber umfangreich saniert. Der Auftragnehmer: die Dipl. Ing. Davud Delic Hoch- und Tiefbau GmbH. Laut einer Stellungnahme der Ärztekammer gegenüber profil war die Firma in einem dreistufigen Verfahren als Bestbieterin ermittelt worden.
Den ersten Auftrag der Ärztekammer hatte das Unternehmen im Dezember 2013 erhalten. Viele weitere folgten. Das Unternehmen war die bevorzugte Baufirma der Ärztekammer. Insgesamt seien aber "weniger als ein Drittel des gesamten Bauauftragsvolumens“ an sie vergeben worden, so die Kammer.
Auf den Tod von Davud Delic reagiere man mit "großer Betroffenheit“.
Zuständig für die Auftragserteilung ist gemäß der Vergaberichtlinien des Wohlfahrtsfonds eine Kommission bestehend aus dem Präsidenten der Kammer Thomas Szekeres (Sozialdemokratische Ärztevereinigung) und dem Finanzreferenten Peter Danler (Grüne Ärztinnen und Ärzte). Seit dem Mord an Delic herrscht in der Standesvertretung erhöhte Nervosität. So soll vor allem der Koalitionspartner von Szekeres und Danler, die Fraktion "Wahlgemeinschaft“, nachhaltig irritiert sein.
Warum eine angesehene Standesvertretung mit einem Unternehmer zweifelhaften Leumunds überhaupt in Geschäftsbeziehungen stand, begründet die Kammer gegenüber profil so. Es sei nicht ihre Aufgabe, "Hintergrundrecherchen über den Ruf verschiedener Auftragnehmer“ anzustellen. Es habe "keinen rechtlichen Grund“ gegeben, die Firma aus Vergabeverfahren auszuschließen. Überdies habe das Unternehmen "die Vorgaben im Hinblick auf Preis, Qualität, Sorgfalt, Sauberkeit und Fristeneinhaltung“ erfüllt. Auf den Tod von Davud Delic reagiere man mit "großer Betroffenheit“.
Nach dem schrecklichen Vorfall habe man, so die Wiener Ärztekammer, den Präsidenten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner, damit beauftragt, "alle Vergaben von Bauaufträgen“ an die Firma zu prüfen, um "in voller Transparenz allen möglichen Gerüchten und Verdächtigungen sachlich entgegentreten“ zu können.
In seiner Arbeit wird Hübner vielleicht auch kleine Details überprüfen. So sponserte Davud Delic den Fußballverein des Sohnes eines Kammerdirektors mit 700 Euro. Und ein Sohn von Delic wie auch ein Sprössling des Kammer-Finanzreferenten Danler wohnen in Häusern des Wohlfahrtsfonds - freilich, so die Kammer, zum "marktüblichen Mietzins“.