Siegfried Wolf und die Pressefreiheit: Drohungen nach Recherchen

profil recherchiert zu Verdachtsmomenten, Unternehmer Siegfried Wolf droht mit rechtlichen Schritten und Schadenersatz.

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Siegfried Wolf hat es getan, schon wieder. Der steirische Unternehmer und Geschäftspartner des unter internationalen Sanktionen stehenden russischen Oligarchen Oleg Deripaska hat profil rechtliche Schritte angedroht, und das zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen. Anfang März hatten wir ein Interview mit dem früheren OMV-Chef Gerhard Roiss veröffentlicht, in welchem Roiss eine Gruppe von „Putin-Verstehern“ für die Abhängigkeit der OMV von russischen Gaslieferungen verantwortlich machte. Er benannte den früheren ÖIAG-Aufsichtsrat Siegfried Wolf nicht explizit, dieser fühlte sich aber angesprochen – und ließ seinen Medienberater Josef Kalina gleich einmal die Klagskeule schwingen: Wolf werde „gegen jede Art der medialen Vorverurteilung und vor allem der unrichtigen Darstellung seiner Person in unrichtigen Zusammenhängen unverzüglich gerichtlich vorgehen“, so Kalina in einer Presseaussendung am 5. März.

Zweieinhalb Monate sind vergangen – bis heute haben weder Gerhard Roiss noch profil eine entsprechende Klage oder sonst eine weitergehende Reaktion erhalten. Aber man kann es ja mal mit Einschüchterung probieren.

Ende vergangener Woche übermittelte Kalina uns ein E-Mail namens der Rechtsberater von Siegfried Wolf. Es schließt wie folgt: „Wir haben Sie darauf hinzuweisen, dass für den Fall einer unrichtigen Darstellung und oder unrichtigen Recherche wir bereits jetzt beauftragt sind, umgehend den Gerichtsweg zu beschreiten und neben den medienrechtlichen Ansprüchen auch Schadenersatzansprüche geltend zu machen.“

Was war geschehen? profil hatte zuvor eine Anfrage zu neuen Verdachtsmomenten gegen Wolf gestellt. Der Unternehmer ist bekanntlich Gegenstand von Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). In einem Fall geht es um den Verdacht der Bestechung einer Finanzbeamtin, in einem weiteren um die Causa Eurofighter. Diesbezüglich führt die WKStA Siegfried Wolf und einen weiteren ehemaligen Magna-Manager als Beschuldigte – da wie dort gilt die Unschuldsvermutung, alle Betroffenen haben jegliches Fehlverhalten immer bestritten. 

Was genau im Eurofighter-Komplex mit Bezug auf Wolf ermittelt wird, war bisher kaum bekannt. Tatsache ist, dass der Magna-Konzern einer der Nutznießer der notorischen Eurofighter-Gegengeschäfte war; und es besteht der Verdacht, dass zumindest der mitbeschuldigte Ex-Manager aus den schwarzen Kassen von EADS Provisionen erhielt – wofür auch immer. Wie bereits berichtet, war Wolfs Handy im Zuge der Eurofighter-Ermittlungen bereits vor längerer Zeit sichergestellt worden, bei der Auswertung stieß man dann auch auf Chats, die in den laufenden ÖVP-Korruptionsausschuss hineinspielen. Wolf war ebenda am 6. April als Auskunftsperson geladen. 

An einem Punkt der Befragung fragte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer den Unternehmer unvermittelt, ob dieser von Ermittlungen in Zusammenhang mit einem „Goldtransport über die Grenze“ wisse. Wolf entschlug sich der Aussage – mit dem Hinweis, dass ein solches Verfahren anhängig sei.

Wie genau der Eurofighter-Komplex, der Goldtransport und Siegfried Wolf zusammenhängen, das lässt sich nicht sagen – Wolf beantwortete bisher keine Fragen dazu.
Anhaltspunkte liefert ein profil vorliegendes Schreiben des Justizministeriums an den Vorsitzenden des ÖVP-Korruptionsausschusses (das ist erstaunlicherweise immer noch ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka), datiert mit 9. Mai. Das Schreiben des BMJ war eine Replik auf ein Ansuchen des U-Ausschusses, den Eurofighter-Ermittlungsakt zu Siegfried Wolf zu übermitteln. Das Justizressort kam dem Wunsch nicht nach. Begründung: Weder sei der Akt für den Untersuchungsgegenstand auch nur abstrakt relevant, noch falle er in den Untersuchungszeitraum. „Der Schwerpunkt dieses Verfahrens liegt im Zeitraum 2007 bis 2012“, schreibt das Ministerium. Aber auch: „Einzelne Fakten der Geldwäscherei (darunter der … ,Goldtransport‘) sollen sich zudem bis spätestens April 2017 und somit ebenfalls außerhalb des Untersuchungszeitraums ereignet haben.“

Wir erfahren: Gegen Wolf wird im Eurofighter-Komplex unter anderem auch wegen des Verdachts der Geldwäscherei rund um einen „Goldtransport“ ermittelt. Das ist nicht alles. Aus dem Schreiben lässt sich zudem herauslesen, dass die WKStA in offenbar drei Fällen dem Verdacht der falschen Beweisaussage durch Siegfried Wolf nachgeht. Einmal bei einer Aussage vor der Staatsanwaltschaft Wien (offenbar als Zeuge, die StA Wien führte das Eurofighter-Großverfahren bis 2019), einmal vor dem Eurofighter-Untersuchungsausschuss und – ganz aktuell – einmal vor dem laufenden ÖVP-Korruptionsausschuss. Welche Aussagen Wolfs hier untersucht werden, geht aus dem Schriftsatz nicht hervor. Auf Anfrage ließ der Unternehmer über seine Rechtsberater ausrichten: „Uns ist nicht bekannt, woher Sie Ihre Informationen beziehen.“

profil ist im Rahmen der Recherchen das Protokoll der Befragung Wolfs aus dem Eurofighter-U-Ausschuss 2018 durchgegangen und dabei auf die Firma Inducon gestoßen. Die Inducon gehörte – über einen Treuhänder –  dem ehemaligen Magna-Manager H. Von 2005  bis 2009 kassierte diese Firma insgesamt rund 1,3 Millionen Euro – angeblich für Leistungen in Zusammenhang mit Gegengeschäften, die der Eurofighter-Lieferant EADS heimischen Unternehmen als Teil des Jet-Deals mit der Republik Österreich vermitteln musste. H.s Firma hatte zwar keine direkte Geschäftsbeziehung zu EADS, letztlich stammte das Geld aber von dort – bezahlt über die berüchtigte Londoner Gelddrehscheibe „Vector Aerospace“ an eine schwedische Firma namens Orbital, die als Auftragnehmerin galt und ihrerseits einen Teilbetrag an die Inducon weiterleitete.

Wolf, der mit H. seit Langem gut bekannt ist, wurde im U-Ausschuss 2018 gefragt, ob er selbst Anteile an Orbital oder Inducon besitzen würde. Der Unternehmer antwortete laut Protokoll: „Ich kenne die Firmen nicht. Ich besitze keine Anteile, und wenn Sie auf eine weitere Frage abzielen, ob ich etwas von Herrn H … bekommen habe: Nein, nie!“

profil-Recherchen führen nun zu der Frage, ob Wolf diese Inducon tatsächlich nicht gekannt hat. Im slowenischen Firmenbuch findet sich eine – mittlerweile gelöschte – Firma namens M & E d.o.o. mit Sitz in Maribor. Ab Jänner 2010 war dort besagte Inducon als Gesellschafterin mit einem Anteil von acht Prozent eingetragen. Ebenfalls ab Jänner 2010 schien die ASW Privatstiftung von Siegfried Wolf als Miteigentümerin der M & E d.o.o. auf – diese sogar mit einem Anteil von 26 Prozent. Eine weitere Gesellschafterin war die TMB Leasing- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H mit 16 Prozent. Die TMB stand vollständig im Eigentum einer österreichischen Privatstiftung, als deren Vorstandsvorsitzender von 2006 bis 2014 wiederum Siegfried Wolf fungierte. Ende 2010 wurde beschlossen, die Inducon aufzulösen – nicht zuletzt, weil ihr Eurofighter-Geschäft abgeschlossen war. Im März 2011 übernahm dann H. persönlich den Inducon-Anteil an der M & E d.o.o. Das gemeinsame Investment in Slowenien dauerte bis zur Löschung der M & E d.o.o. im Jahr 2016.

Auf profil-Anfrage teilten die Rechtsberater Wolfs mit, die M & E d.o.o. habe „inhaltlich“ mit Gegengeschäften und der Causa Eurofighter „überhaupt nichts zu tun“. „Siegfried Wolf war unseren Informationen zufolge operativ nie in deren Geschäftstätigkeit eingebunden und hat – soweit erinnerlich und eruierbar in der kurzen Zeit – keine Dokumente unterfertigt, die in Zusammenhang mit Inducon oder deren Investments standen. Mag sein, dass er damals den Namen gehört hat, erinnerlich bzw. zur Kenntnis gebracht wurde ihm der Name Inducon erst nun.“ 

Wolfs Rechtsberater verweisen auf die vielfältigen Aktivitäten des Investors: „Sie werden verstehen, dass unserem Mandanten bei der Vielzahl an Unternehmen, Namen und Partnern, mit denen er zusammenarbeitet, nicht immer jeder Name und jedes Detail erinnerlich ist. Wir sprechen hier von einem Ereignis, das sich vor vielen Jahren abgespielt hat.“ Dann wechseln Wolfs Berater zunächst auf die semantische und letztlich auf die angriffige Ebene: „Welche Bedeutung Sie dem Begriff ‚kennen‘ geben, ist ebenso unpräzise wie missverständlich formuliert, genauso wie Ihre unterstellende Fragestellung(en). Es ist bedauerlich, dass die Qualität des Journalismus stetig abnimmt.“

Wie ist es nun um die Qualität von Wolfs Erinnerungsvermögen bestellt? Der Investor hat – laut Protokoll – seinerzeit im Ausschuss klipp und klar gesagt, er kenne die Inducon nicht. Eine Definitionsdebatte, die das Wort „kennen“ inhaltlich eingeschränkt hätte, ist nicht überliefert. Wolf hat sich außerdem nicht darauf zurückgezogen, sich nicht erinnern zu können. Falls Wolf die Inducon tatsächlich nicht gekannt hat, hieße das, dass ihm als Vorstandsvorsitzender einer Privatstiftung verborgen geblieben wäre, mit welchen Mitgesellschaftern eine Tochterfirma dieser Stiftung unternehmerisch in Slowenien aktiv war. Weiters würde das bedeuten, dass Wolf nicht geläufig gewesen wäre, wer neben der ASW Privatstiftung die anderen Eigentümer der M & E d.o.o. waren. Oder er hätte einfach all das wieder vergessen.

Siegfried Wolf sitzt zwar nicht im Vorstand der ASW-Privatstiftung, er ist jedoch deren Erststifter (Zweitstifterin ist die ASW Wolf KG, als deren unbeschränkt haftender Gesellschafter wiederum Wolf eingetragen ist; als Kommanditisten der KG fungieren aktuell Wolfs Ehefrau, seine beiden Töchter und die ASW Privatstiftung). Außerdem nahm der Unternehmer über die vergangenen Jahre  eine Beiratsfunktion in der Stiftung wahr. Gemäß Stiftungsurkunde stehen dem Beirat umfassende Informationsrechte zu. Begünstigte sind – soweit in der Stiftungsurkunde ersichtlich – in erster Linie Familienmitglieder Wolfs und er selbst. 

Die Stiftung ist offenbar so zentral für das Unternehmensnetzwerk des Investors, dass in ihren nachgelagerten Gesellschaften zum Beispiel die Beteiligung am – im Vorjahr übernommenen – früheren MAN-Lkw-Werk in Steyr (nunmehr: Steyr Automotive) angesiedelt ist.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.