In den vergangenen Monaten sind sechs Signa-Firmen in die Insolvenz geschlittert. Erst am Mittwoch brachten die Signa Financial Services GmbH (Frankfurt), die Signa REM Germany GmbH und die SCAx GmbH (beide München) – allesamt Signa-Töchter – Insolvenzanträge ein. Ob noch weitere Teilpleiten folgen? „Derzeit eher ja als nein“, sagt der Banken-experte. Mit dem Sanierungsverfahren der Signa Holding versucht man, Schadensbegrenzung zu betreiben und noch viel gröbere Verwerfungen im Signa-Imperium zu vermeiden. Besonders heikel ist die Situation bei Signa Prime und Signa Development, in denen der Großteil des Immobilienbestands gebündelt ist. Denn wer nun von diesen Gesellschaften etwas kauft, muss auch das Risiko einpreisen, dass es vielleicht doch noch zu einer Insolvenz kommen könnte und ein neu eingesetzter Sanierungsverwalter entscheidet, den Kauf rückabzuwickeln und Liegenschaften womöglich der Insolvenzmasse zuzuführen. Je nach Verkehrswert und Kaufsumme ist so etwas grundsätzlich sechs bis zwölf Monate lang möglich. Natürlich nur, wenn es tatsächlich zu einer Insolvenz kommen sollte.
Erst vergangene Woche wurde mit Erhard Grossnigg ein Sanierungsexperte in den Vorstand von Signa Prime und Signa Selection bestellt. Er soll beide Gesellschaften sanieren und restrukturieren – also vor der Pleite bewahren. Wie profil aus informierten Kreisen erfuhr, dürfte damit der deutsche Sanierungsexperte Arndt Geiwitz aus dem Rennen sein. Noch vor der fünf Milliarden Euro schweren Insolvenz der Signa Holding war er als neuer Mann und Sanierer an der Spitze der Signa bestellt worden. Dass er es jetzt nicht mehr ist, deuten Beobachter und Gläubigervertreter so, dass er sich selbst aus dem Rennen genommen habe, nachdem die Suche nach neuen Investoren und den kolportierten 500 Millionen Euro gescheitert war. Eine profil-Anfrage über den Verbleib von Geiwitz und seine aktuelle Rolle in der Signa-Gruppe blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Signas Erfolg fußte jahrelang auf steigenden Immobilienbewertungen, die Spielraum für weitere Investitionen und Kredite schufen. Jetzt kämpft die Gruppe mit massiven Abwertungen. Im Insolvenzantrag der Signa Holding, der profil vorliegt, werden alle Beteiligungen der insolventen Holding durch deren Management mit rund 2,5 Milliarden Euro bewertet. Vor einem Jahr waren sie noch das doppelte wert. Auf der anderen Seite muss Signa Prime allein heuer 1,3 Milliarden Euro an Krediten zurückzahlen, und erst vergangene Woche wurde eine 200 Millionen Euro schwere Anleihe fällig. Ob die Gläubiger dieser Anleihe bereits ausbezahlt wurden oder ob sie weiter auf ihr Geld warten müssen? Darauf gab es auf Nachfrage von profil bis Redaktionsschluss ebenfalls keine Antwort.
Massive Wertverluste
Am heimischen Finanzmarkt ist man jedenfalls um Schadensbegrenzung bemüht. Der Vize-Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, Gottfried Haber, sah zuletzt „keine wesentliche Gefährdung der Finanzmarktstabilität insgesamt“ durch Signa. Knapp über zwei Milliarden Euro schuldet Signa heimischen Banken, wobei ein Teil der Kredite in den vergangenen Monaten getilgt worden ist. Aber auch wenn ein theoretischer Totalausfall der Signa-Kredite verkraftbar wäre, ein Flächenbrand in der Immo-Branche und weitere, massive Abwertungen sind es nicht. Ein Überschwappen der Signa-Krise auf den ohnehin strauchelnden Immobilienmarkt scheint für Experten immer wahrscheinlicher.
Mit Signa ist jetzt einer der größten Player der Branche ins Wanken geraten. „Das Prinzip ‚Too Big to Fail‘ und die bevorzugte Behandlung großer Marktteilnehmer führt zu einer signifikanten Wettbewerbsverzerrung zulasten kleinerer Bauträger“, sagt Gerald Zmuegg, Geschäftsführer des Finanzombudsteams. Er richtet seine Kritik an Banken, die bei der Kreditvergabe sehr große Bauträger gegenüber kleineren bevorzugt haben sollen. Er fordert strengere Kontrollen bei der Kreditvergabe vor allem bei großen Bauträgern. „Wir mussten schon Abwertungen vornehmen, und 2024 werden wohl noch weitere hinzukommen“, sagt der Bankenexperte.
„Fast jede Finanzkrise hat mit einer Immobilienkrise begonnen“, sagt Martin Rauchenwald, Partner beim Unternehmensberater Arthur D. Little in Wien. Neben der sinkenden Nachfrage, gestiegenen Zinsen und Refinanzierungskosten sowie sinkenden Bewertungen wird jetzt auch die Signa zum Problem. „Wenn ein so riesiger Player unter Druck gerät, hat das natürlich Auswirkungen auf alle anderen“, meint er. „Und wenn jemand beginnt, wie wild zu verkaufen, schreibt er die niedrigen Transaktionswerte für alle am Markt fest.“ Oder anders gesagt: „Wenn das Hotel nebenan um die Hälfte seiner Bewertung verkauft wird, werde ich große Schwierigkeiten haben, potenziellen Käufern zu erklären, warum ich den doppelten Preis verlange“, meint der Finanzmarktexperte.
In einer aktuellen Studie rechnet Arthur D. Little mit steigenden Ausfällen bei Immobilienkrediten, einem Rückgang der Kreditnachfrage und letzten Endes höheren Risikokosten für Banken. Laut OeNB machen Immobilienkredite in Österreich gut 13 Prozent der Bilanzsumme heimischer Banken aus. Das ist doppelt so viel wie im Euro-Raum. „Das gesamte Immobilien-Exposure, also auch Unternehmenskredite an Immobilienentwickler, macht 20 bis 25 Prozent der Bilanzsumme aus“, erklärt Rauchenwald. Diese Kredite sind mit Immobilien besichert, die zuletzt zu sehr hohen Preisen gekauft wurden. Niedrigere Preise führen aber nach und nach dazu, dass Immobilien neu und deutlich geringer bewertet werden müssen. Und so könnten noch einige Luftschlösser im und abseits des Signa-Reichs platzen.