Signa-Showdown: Match der Milliardäre
Das wirtschaftliche Gesamturteil seiner Hausbanken und Investoren steht hingegen noch aus. Der Kampf um die Signa wird zu einem Match zwischen Tiroler Milliardären. Offiziell hat sich Gründer René Benko zwar aus seinem strauchelnden Immobilien- und Handelsimperium zurückgezogen. Und – vorerst – das Ruder an Sanierer Arndt Geiwitz übergeben.
Erst am Freitag gab Signa bekannt, dass Geiwitz den Vorsitz im Beirat und im Gesellschafter-Komitee der Signa Holding GmbH übernommen hat und dort „eigenverantwortlich die Interessen der Familie Benko Privatstiftung“ wahrnehmen wird.
Es wäre aber naiv zu glauben, dass Benko sein Baby kampflos aufgibt. Seine Gegenspieler, Investoren und Geschäftspartner sind ebenfalls machtbewusst; und genauso reich. Vor allem einer übte massiv Druck auf ihn aus: Sein Landsmann Hans Peter Haselsteiner. Der milliardenschwere Strabag-Gründer wurde in den vergangenen, turbulenten Tagen zur neuen Stimme der Signa. Der sonst eher medienscheue Baumagnat gab plötzlich Interviews – und richtete Benko auch medial aus, was er von ihm erwartet: „Verzieh dich“ – nicht mit diesen Worten, aber zumindest sinngemäß. Haselsteiner kündigte Benkos Zustimmung zu einem Rückzug an. Lange, bevor es tatsächlich passierte oder alles geklärt war. Das ist es übrigens bis heute nicht. Der Machtkampf geht hinter den Kulissen weiter.
Freilich, jetzt geht es um das Fell des Bären – die Signa steckt in finanziellen Schwierigkeiten und hat milliardenschwere Verpflichtungen. Bei einem Großprojekt in Deutschland sollen zuletzt Rechnungen an eine Baufirma nicht rechtzeitig bezahlt worden sein. Wie dramatisch die Lage der Signa-Gruppe tatsächlich ist, lässt sich von außen nur schwer beurteilen. Die Gruppe besteht aus hunderten Unternehmen, veröffentlicht aber keine gemeinsame Bilanz. Und wahrscheinlich weiß nur René Benko selbst, wie es seinem verschachtelten Firmenkonglomerat tatsächlich geht. Der Geschäftsbericht der Signa Holding GmbH für das Jahr 2022 wurde noch immer nicht veröffentlicht. Die Filetstücke der Gruppe, die Signa Prime Selection AG und die Signa Development Selection AG, weisen in ihren jeweiligen Jahresabschlüssen für das Vorjahr tiefrote Zahlen aus. Dennoch: Es steckt noch viel Kapital und Vermögen in den Luxus-Immobilien und riesigen Bauprojekten.
Nun versuchen die Investoren zu retten, was zu retten ist – und das ist vor allem ihr eigenes Geld. Haselsteiner ist mit seiner Familienstiftung zu 15 Prozent an der Signa Holding beteiligt und versucht nun offenbar mit Druck, sich in den Fahrersitz der Signa zu hieven. Was er dann vorhat, ist nur schwer zu erahnen, der Gründer des Baukonzerns Strabag und erfahrene Investor lässt sich nicht in die Karten schauen. Wie er agiert, wird von anderen Signa-Aktionären, aber auch von den kreditgebenden Banken mit Spannung erwartet. Will er das Unternehmen retten? Sich die guten Objekte sichern? Benko gar ganz aus dem Signa-Imperium drängen – oder das Unternehmen tatsächlich neu ausrichten und weiter aufbauen?
Vieles ist noch unklar, selbst Benkos aktuelle und künftige Rolle. Formell hatte der Signa-Gründer schon lange keine operative Funktion in der Immobilien- und Handelsgruppe mehr. Er war zuletzt lediglich Vorsitzender des Beirats der Signa Holding, dem aber auch keine gesellschaftsrechtliche Rolle zukommt. Eine Familienstiftung Benkos ist größte Gesellschafterin der Signa Holding – die Eigentümerverhältnisse zentraler Unternehmen der Gruppe sind höchst verschachtelt. Nichtsdestoweniger kann man schon den Eindruck gewinnen: Benko ist noch immer das Mastermind des Unternehmens, auch wenn er an der einen oder anderen Position nun Platz machen muss. Rechtlich sind viele Fragen noch zu klären und mit den anderen Investoren – allen voran Haselsteiner – auszustreiten.
Es zeichnet sich ein heißes Match ab. Zimperlich war Haselsteiner jedenfalls noch nie, wenn es darum ging, plötzlich unbequem gewordene Geschäftspartner loszuwerden und zu langjährigen Weggefährten auf Distanz zu gehen. Als der Krieg Russlands gegen die Ukraine ausbrach, zauderte Haselsteiner nicht, den russischen Oligarchen Oleg Deripaska im Unternehmen zu entmachten und den einst drittgrößten Aktionär der Strabag erst vor wenigen Wochen mit Tricks und Kniffen unter die Sperrminorität zu drücken. Benko weiß um Haselsteiners Geschick – und rüstet sich mit seinen Anwälten nun gegen weitere Entmachtungsversuche.
Traurige Bilanz
Banken, Investoren, Sanierer und auch Journalisten versuchen sich dieser Tage ein Lagebild zu machen. Ein valider Gesamtüberblick ist – aus den oben beschriebenen Gründen – nicht einfach. Was das Herzstück der Signa-Gruppe betrifft, also die Immobiliengeschäfte, erlauben jedoch die Konzernabschlüsse von Signa Prime und Signa Development eine Annäherung und zumindest grundlegende Einordnung.
In der Signa Prime sind die Beton- und Ziegel-Perlen des Imperiums nur so aneinandergereiht. Sie kauft Immobilien in besten Innenstadtlagen, entwickelt diese weiter und vermietet sie dann teuer. Wies das sogenannte Investment Property – der wesentliche Teil des Immobilienbestands – der Signa Prime Ende 2017 in der Bilanz noch einen Wert von sieben Milliarden Euro auf, waren es Ende 2021 bereits 15 Milliarden. Mehr als eine Verdopplung innerhalb von vier Jahren. Das gilt allerdings auch für die Schulden: Lang- und kurzfristige Verbindlichkeiten beliefen sich 2017 insgesamt auf 4,6 Milliarden Euro, 2021 dann bereits auf mehr als zehn Milliarden Euro.
Das Problem: Die riesigen Wertzuwächse beim Immobilienportfolio widerspiegeln nicht nur getätigte Zukäufe oder Baumaßnahmen, sondern ergeben sich auch aus laufenden Wertberechnungen, denen verschiedene Annahmen und Einschätzungen zugrunde liegen. Ändern sich diese, kann es rasant bergab gehen. Und so dürften es nicht zuletzt die – deutlich gestiegenen – Zinsen und Baukosten gewesen sein, die René Benko bereits im Vorjahr die Schweißperlen auf die Stirn trieben.
Bei der Signa Prime war das Bewertungsergebnis aus dem Investment Property mit minus 1,2 Milliarden Euro schwer negativ. Unterm Strich ergab sich daraus ein Jahresverlust für den Konzern von rund einer Milliarde Euro. Bei der deutlich kleineren Signa Development, die auf Bau, Entwicklung und anschließendem Verkauf von Liegenschaften setzt, zeigte sich die gleiche Tendenz. Hier ergab sich aus der Bewertung des Investment Property ein Minus von 365 Millionen Euro, das sich in einem Jahresverlust von 316 Millionen Euro niederschlug.
Besonders stark war der Einbruch demnach bei den deutschen Projekten des Signa-Imperiums. Hier drehte Benko zuletzt das große Rad. Nun rächt sich – zumindest kurzfristig – die Expansion. Wobei man bereits im Vorjahr etwas auf der Bremse gestanden sein dürfte: Die Investitionen ins Investment Property, die unter anderem auch Baukosten umfassen, beliefen sich bei der Signa Prime 2022 nur noch auf 405 Millionen Euro – nach 931 Millionen Euro im Jahr davor. Auch bei der Signa Development gab es einen deutlichen Rückgang.
Dass Benko in Deutschland zur Reizfigur wurde, liegt auch an der schieren Größe des Unternehmens. Die Signa Prime Selection setzte dort 2020 gut vier Mal so viel um wie in Österreich. Beim Segmentvermögen – also dem nach einzelnen Ländern aufgedröselten Besitz vor der bilanziellen Zusammenführung und Bereinigung auf Konzernebene – zeigt sich das Ungleichgewicht noch deutlicher: Die für 2020 ausgewiesenen Vermögenswerte in Deutschland beliefen sich auf 21 Milliarden Euro, in Österreich waren es nicht ganz 2,8 Milliarden. Dementsprechend ist das Kreditvolumen, das Signa deutschen Banken schuldet, auch höher als in Österreich. Laut Geschäftsbericht 2022 belaufen sich die Schulden der Signa Prime Selection auf 10,8 Milliarden. In Österreich schuldet die Signa-Gruppe den heimischen Großbanken UniCredit, Raiffeisen International und Raiffeisenbank Niederösterreich/Wien rund zwei Milliarden Euro. Zumindest laut Informationen aus der heimischen Bankenaufsicht.
Zudem können die Deutschen Signa nur schwer verzeihen, dass die Kaufhauskette Galeria gleich zwei Mal in die Insolvenz geschickt wurde. 41 Filialen mussten im Zuge des Sanierungsverfahrens schließen und 4000 Menschen verloren ihre Jobs. Der Schaden für die Steuerzahler beläuft sich auf rund 600 Millionen Euro – bisher. Und dann ist da noch der Elbtower in Hamburg. Bei dessen Baugenehmigung 2018 war Olaf Scholz Bürgermeister von Hamburg. Der nunmehrige SPD-Bundeskanzler sagte damals: „Ich als Bürgermeister möchte, dass die Hamburger sagen, das hat der Scholz gut gemacht …wenn das fertig ist. “ Fünf Jahre später steht die Baustelle still, weil Signa den Baufirmen die Zahlungen schuldet.
Nicht auf der Bremse stand man im Vorjahr überraschenderweise bei den Vorstandsbezügen. Trotz einer Milliarde Euro Verlust belief sich die Vergütung der vier aktiven Vorstände der Signa Prime auf rund 22 Millionen Euro. Darin enthalten: Prämien von insgesamt 19,1 Millionen Euro. Paradoxerweise hatten sich die Prämien im Jahr zuvor, in dem mehr als 700 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet worden waren, gerade einmal auf 1,7 Millionen Euro belaufen. Bei der Signa Development wiederum machten die Vorstandsvergütungen im Geschäftsjahr 2022 insgesamt mehr als zwölf Millionen Euro aus – neun Millionen Euro davon in Form von Prämien. Dazu kam noch eine Prämie von 2,7 Millionen Euro für einen ehemaligen Vorstand.
profil wollte von Signa wissen, warum und anhand welcher Kriterien die üppigen Prämien ausbezahlt wurden. Eine Antwort auf diese Frage blieb bis Redaktionsschluss aus. Eine besonders herausfordernde Aufgabe der hoch bezahlten Manager dürfte nun wohl darin liegen, die Liquiditätslage der Signa trotz steigender Kreditzinsen und sinkender Werte von Immobiliensicherheiten stabil zu halten.
„Durch die großen Zahlen beim Immobilienvermögen und den Schulden besteht die Gefahr, den Blick auf die wesentlichen Punkte zu verlieren und somit mögliche Warnsignale zu übersehen.“
Kein Cash mehr?
Wie konnten Signa innerhalb eines Jahres derart in die Bredouille geraten? Und das trotz einer Kapitalspritze von 750 Millionen Euro? Die sich zuspitzende Krise am Immobilienmarkt ist ein Teil der Antwort, aber nicht die ganze. Wegen der stark gestiegenen Inflation haben die Europäische Zentralbank (EZB) und eine Reihe weiterer Zentralbanken in Europa und den USA die Leitzinsen im Eiltempo angehoben. Damit werden Kreditverbindlichkeiten teurer.
„Die Liquidität bei Signa ist besorgniserregend“, sagt ein Geschäftspartner der Signa-Immobliensparten, der mit solchen Aussagen nicht namentlich zitiert werden möchte. Der operative Cashflow der Signa-Prime-Gruppe – der Zufluss und Abfluss liquider Mittel in einem Jahr aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit – belief sich 2022 auf gut 200 Millionen Euro. Bei der Signa-Development-Gruppe waren es 24,46 Millionen Euro. „Durch die großen Zahlen beim Immobilienvermögen und den Schulden besteht die Gefahr, den Blick auf die wesentlichen Punkte zu verlieren und somit mögliche Warnsignale zu übersehen“, sagt Gerald Zmuegg, Chef des Beratungsunternehmens „Finanzombudsteam“. Rund zehn Milliarden Euro an Finanzschulden per 31. Dezember 2022 in der Signa-Prime-Gruppe stehen einem Investment Property und Sachanlagen von insgesamt 14,6 Milliarden Euro gegenüber. Im Jahr 2023 müssen hierauf Kreditrückzahlungen von 1,3 Milliarden Euro geleistet werden. Hypothetisch heruntergerechnet auf ein kleines Bauunternehmen würde das laut dem Experten bedeuten: Bei einem Kredit in der Höhe von einer Million Euro müsste das Unternehmen 138.000 Euro an Schulden bezahlen, hätte aber nur 20.000 Euro zur Verfügung.
Im Klartext heißt das: Signa brauchte schnell und dringend Cash. „Auch wenn der Cash Flow aus dem operativen Geschäft im Jahr 2022 positiv war, musste dieser für 2023 massiv erhöht werden um die Lücke von 1,1 Milliarden Euro zu den ausgewiesenen Kredittilgungen im Konzernabschluss zu schließen“, meint Zmuegg. In der Signa-Development-Gruppe bestand dieselbe Problematik. Dies war ein Grund für ein Down-Grading durch die Rating-Agentur Fitch.
Ein Weg, die Einnahmen erheblich zu steigern, wäre, Projekte und Immobilien zu verkaufen. Wohl auch an die eigenen Geldgeber, aber dazu später.
Wegbegleiter und Konkurrenten
Wenn Benko die alljährliche Immobilienmesse Mipim in Cannes besuchte, dann ging er meist mit seiner 45-Millionen-Euro-Yacht „Roma“ vor Anker. Auf dem 62-Meter-Schiff hielt er Hof und empfing potenzielle, vermögende Investoren. Diese Form der Akquise hat sich gelohnt: Bei solchen und ähnlichen Events fädelte er seine Deals ein. Und die Liste seiner Geldgeber ist illuster: die brasilianische Industriellenfamilie Koranyi-Arduini gehört ebenso dazu wie die Gebrüder Peugeot, Teilhaber des gleichnamigen französischen Autokonzerns; der Verwaltungsratspräsident des Schokoladenherstellers Lindt & Sprüngli, Ernst Tanner, oder der Hamburger Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne. Geld zieht bekanntlich Geld an.
Am 26. Mai 2013 beim Formel-1-Rennen in Monaco wiederum lernten Benko und Fressnapf-Gründer Torsten Toeller einander kennen. Der mittlerweile verstorbene Rennstallboss Dietrich Mateschitz hatte in die Red-Bull-VIP-Lounge geladen. Schon wenige Monate nach ihrer ersten Begegnung wurden die beiden handelseins – und Toeller investierte in Benkos Immobilienimperium. „Es kann sein, dass René gegenüber der Öffentlichkeit die volle Transparenz an bestimmten Stellen nicht herstellen will“, sagte Toeller 2017 der „Wirtschaftswoche“. „Aber für mich als Aktionär gab es bisher nirgendwo eine Blackbox.“ Gut möglich, dass ihm das, was er zuletzt gesehen hat, nun nicht mehr ganz so gut gefällt. Wie das „Handelsblatt“ vorige Woche berichtete, soll Toeller die Verkaufsoption für seine Anteile an der Signa Holding, an der er aktuell 4,46 Prozent hält, ausgeübt haben.
Roland Berger wiederum, der nach eigenem Bekunden vor seinem Einstieg in die Signa Prime das Unternehmen ein Jahr lang geprüft hat, bestätigte gegenüber Medien, dass er seine Verkaufsoption bereits ausgeübt habe.
„Wir sind im Gespräch, zu welchem Datum der Ausstieg erfolgen kann“, ließ der Gründer der gleichnamigen Unternehmensberatung wissen. Er begründet seinen Abgang mit Benkos mangelnder Informationskultur. Für einen stets auf Diskretion bedachten Berater eine recht explizite Ansage. 1,64 Prozent hält er aktuell noch an dem Unternehmen. Seine knapp 1,8 Prozent an der Signa Development werde er allerdings behalten, erklärte Berger.
Der öffentlichkeitswirksame Druck der abtrünnigen Investoren auf Benko ist freilich auch ein Schachzug, um ihn zu mehr Transparenz im Unternehmen zu zwingen. Angesichts seines am vergangenen Mittwoch angekündigten Rückzugs ist der Move auch gelungen. Und Benko muss auch das Vertrauen seiner Geldgeber wieder gewinnen. Diese erwarten neben mehr Transparenz auch mehr Kapital von René Benko beziehungsweise von dessen Stiftungen. Beobachter gehen davon aus, dass im Zuge der Sanierung nicht nur ein Teil des Tafelsilbers der Gruppe veräußert wird, sondern dass auch die Miteigentümer einige hundert Millionen Euro zuschießen werden müssen.
Der Hamburger Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne ging bereits im Frühjahr auf Distanz zu Benko. Damals sagte er über seine Zehn-Prozent-Beteiligung an der Signa Prime Selection: „Das ist derzeit etwas volatil, das Thema haben wir unter Beobachtung“.
Was ihn jedoch nicht daran hinderte, noch im Sommer gemeinsam mit Benko 700 Millionen Euro in das Schicklerhaus, einen neoklassizistischen Gebäudekomplex in Berlin Mitte, zu investieren. Aktuell wird dem Multimilliardär, der einem interessanten Immobilieninvestment selten abgeneigt ist, Appetit auf Benkos wackelndes Elbtower-Projekt nachgesagt. Gut möglich, dass die halbfertige Immobilie zu einem attraktiven Preis gänzlich in Kühnes Portfolio wandert.
Dem früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking kamen freilich schon viel früher Bedenken. Er schied bereits 2017 aus all seinen Signa-Ämtern aus und verkaufte seine Anteile, deren Wert sich seit seinem Einstieg mehr als verdoppelt haben dürfte. „Die Zahlen, die mir vorgelegt wurden, stimmten nicht mit dem überein, was uns Benko in den Sitzungen vorgetragen hat“, erklärt er heute seinen Ausstieg angesichts der Turbulenzen im Signa-Imperium.
Beschweren müssen sich die Geldgeber ohnehin nicht. Die meisten konnten aus ihren Beteiligungen enorme Summen lukrieren. Wie etwa Ernst Tanner, Verwaltungsratspräsident des Schweizer Schokoladenherstellers Lindt & Sprüngli.
2015 kaufte er für 90 bis 100 Millionen Euro zehn Prozent an der Signa Holding. 2021 machte er Kasse und verkaufte Benkos Eigentümerkonstrukt vier Prozent zurück. Für kolportierte 300 Millionen Franken. Derzeit hält er noch einen Anteil von drei Prozent. Der „Schoggikönig“ dürfte jedoch aktuell enormen Cash-Bedarf haben. Seit Jahresbeginn veräußerte er Lindt&Sprüngli-Partizipationsscheine im Wert von rund 60 Millionen Franken In Zürich munkelt man nun, Tanner brauche das Geld, um es bei Signa nachzuschießen.
Ausverkauf des Tafelsilbers?
„Niemand in der Gruppe möchte, dass Signa oder auch nur Teile davon in die Insolvenz rutschen“, heißt es aus Investoren-Kreisen. Denn dann wäre auch das Vermögen der Investoren weg. Genau dieses Worst-Case-Szenario soll jetzt Sanierer Geiwitz abwenden. Gut möglich, dass sich Signa mit dem Sanctus der Geldgeber also wieder auf sein Kerngeschäft konzentriert – Immobilien. Und weniger lukrative Teile wie zum Beispiel die Handelssparte abstößt. Und auch die eine oder andere Signa-Immobilie könnte unter den Hammer kommen. „Ankauf, Entwicklung und Verkauf sind in einer Immobiliengesellschaft wie Signa Kern und Wesen unseres Tuns, und daher ein völlig normaler Prozess. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben wir gruppenweit Immobilien im Wert von fünf Milliarden Euro veräußert. Wir sondieren für einzelne Projekte laufend den Markt“, heißt es dazu aus dem Unternehmen gegenüber profil.
So sollen zuletzt potenzielle Investoren durch das Signa-Nobelhotel Park Hyatt in Wien geführt worden sein. Und auch das fast fertige Luxuskaufhaus Lamarr auf der Wiener Mariahilfer Straße, das jeweils zur Hälfte der Signa Prime und der thailändischen Central Group gehört, könnte im kommenden Jahr ohne Signa-Beteiligung eröffnen. Die Bauarbeiten hierfür seien laut Signa nicht eingestellt worden. Seit einigen Tagen ist es auf der Baustelle aber ruhig – ungewöhnlich ruhig für die sonnigen Herbsttage.
Benko soll auch im arabischen Raum zuletzt um Investoren geworben haben. Der saudische Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) ist bereits an einigen Signa-Projekten beteiligt, etwa am Londoner Luxus-Kaufhaus Selfridges. Laut Bloomberg soll PIF, dessen Vorstand der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud ist, aber zuletzt die Londoner Anwaltskanzlei Latham & Watkins wegen Signas kolportierter Liquiditätsprobleme angeheuert haben.
Der Staatsfonds soll Signa eine Reihe von nachrangigen Krediten gewährt haben. Die Kanzlei prüfe nun die Finanzverbindlichkeiten.
Bei allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konnte sich René Benko zuletzt zumindest auf der rechtlichen Seite über eine für ihn äußerst positive Nachricht freuen. Wie profil berichtete, wurde der Signa-Gründer Anfang 2023 in der Causa um den früheren grünen Politiker Christoph Chorherr erstinstanzlich freigesprochen – wie auch Chorherr selbst (er hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten) und alle anderen Mitangeklagten. Nun hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zwar in Bezug auf einige Beschuldigte Rechtsmittel eingelegt, nicht aber betreffend Benko. Der Freispruch für den Signa-Gründer ist damit rechtskräftig.
Das wirtschaftliche Gesamturteil seiner Hausbanken und Investoren steht hingegen noch aus.