Sie sind die berühmtesten Bewohner der Immobilie mit der Anschrift Michaelerplatz 1 in Wiens Innenstadt: die weißen Hengste der Spanischen Hofreitschule. 356.000 Besucher kamen allein im vergangenen Jahr zu Führungen und Vorführungen in „die Spanische“ in den Michaelertrakt der Wiener Hofburg.
Bis vor Kurzem war dort der Arbeitsplatz von Alfred Hudler. Seit 1. Dezember 2022 war der Wiener Manager alleiniger Geschäftsführer der „Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber“, wie die ausgelagerte Gesellschaft im Eigentum des Bundes heißt. Am Dienstag gab das Landwirtschaftsministerium die Entlassung Hudlers wegen nicht näher erläuterter „gravierender Verfehlungen“ bekannt. Zuvor hatte das Ministerium Strafanzeige wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei Hudlers Spesenabrechnungen erstattet. Das ist die öffentlich bekannte Seite der Geschichte.
profil liegen Abrechnungsbelege, Berichte der internen Revision, E-Mail-Korrespondenz aus der Spanischen Hofreitschule und weitere Dokumente vor. Diese und Gespräche mit mehreren involvierten Personen lassen die Vorgänge in einem gänzlich anderen Licht erscheinen. Nicht nur haben sich die Vorwürfe wegen Hudlers Spesenabrechnung nach einer Untersuchung durch die Wirtschaftsprüfungskanzlei PwC als falsch erwiesen. Vielmehr dürfte Hudler das Opfer einer gezielten Demontage geworden sein. Im Zentrum der politischen Intrige: Johannes Abentung, der mächtige Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium.
Die Vorgeschichte: Alfred Hudler wurde im Dezember 2022 zum Geschäftsführer der Spanischen Hofreitschule bestellt. Hudler sollte die ausgelagerte Gesellschaft des Bundes, zu der auch die Lipizzanerzucht auf dem Gestüt Piber gehört, modernisieren. Die Spanische Hofreitschule ist eine altehrwürdige Institution, deren Wurzeln bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreichen. Die klassische Reitkunst und die Hohe Schule der Spanischen Hofreitschule wurden 2010 in das immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen.
Allerdings war die Hofreitschule mit einer Basisabgeltung von 2,5 Millionen Euro im Jahr chronisch unterdotiert, schrieb beinah jedes Jahr rote Zahlen. Im Vorjahr schaffte man gerade noch einen operativen Überschuss von 839 Euro und 53 Cent. Aufgrund der angespannten Lage mussten dringende Investitionen über Jahre hinweg aufgeschoben werden. Immerhin: Als Finanzminister Markus Marterbauer diesen Mai das Budget präsentierte, gehörte die Hofreitschule zu den wenigen Gewinnern: Die Förderung des Bundes wurde auf 4,5 Millionen Euro angehoben. Wer deswegen mit ruhigeren Zeiten rechnete, wurde bald eines Besseren belehrt.
Druck aus dem Ministerium
Am 30. Juni informierte Generalsekretär Johannes Abentung die Innenrevision des Landwirtschaftsministeriums – die Hofreitschule fällt in dessen Zuständigkeitsbereich –, dass Whistleblower schwere Anschuldigungen gegen Alfred Hudler erhoben hätten. Er würde Bewirtungsspesen ohne jeden geschäftlichen Hintergrund der Hofreitschule verrechnen, aber auch seine Frau und seinen Sohn auf Firmenkosten auf Dienstreisen mitnehmen.
Die Revision war ohnehin gerade zu einer Routineprüfung im Haus und solle dem nachgehen. Offensichtlich ging es Abentung nicht schnell genug: Am 18. Juli erging das nächste Schreiben mit dem Auftrag, „im Zuge der aktuellen Revision des Rechtsträgers auch eine Einschau in die Buchhaltung zur Prüfung der Abrechnung einzelner Kosten durchzuführen“. Drei Tage später, am 21. Juli, ließen sich die Prüfer vom Leiter der Finanzabteilung der Spanischen Hofreitschule stichprobenartig Belege von Dienstreisen und Spesenabrechnungen zeigen. Geschäftsführer Alfred Hudler war an diesem Tag auf Urlaub, hatte aber bekannt gegeben, dass er für Fragen der Revision jederzeit telefonisch erreichbar sei.
Am Aufsichtsrat vorbei
Noch am 21. Juli verfasste die Leiterin des Revisionsteams eine schriftliche Mitteilung. Bei den Kreditkartenabrechnungen sei man angeblich auf „nicht nachvollziehbare Aufwendungen“ und sogar auf „private Ausgaben“ gestoßen, die von der Hofreitschule gezahlt worden seien. Wohlgemerkt: ohne, dass irgendjemand beim urlaubenden Hudler nachgefragt hatte. Die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit seien aus Sicht der Revision „nachweislich“ verletzt worden. „Aktuell wird der Prüfbericht fertiggestellt. Insbesondere sollen noch fehlende Unterlagen von der SRS (Spanische Hofreitschule, Anm.) nachgereicht werden“, heißt es in der Mitteilung der internen Revision, die profil vorliegt. Das Urteil war also schon gefällt, da war die Prüfung noch gar nicht abgeschlossen. Einen Tag später informierten Generalsekretär Abentung und der vom Ministerium beauftragte Anwalt Meinhard Novak den Aufsichtsratschef der Hofreitschule,
Verkehrsbüro-Chef Martin Winkler. Nicht nur das: Die beiden verlangten die sofortige Entlassung Hudlers. Das geht aus einem Schreiben hervor, das Winkler am Montag, dem 15. September, an Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig geschickt hat. „Dem an den Aufsichtsrat in diesem Gespräch herangetragenen Ansinnen, Herrn Dr. Hudler umgehend zu entlassen, konnte mangels nachvollziehbarer Sachverhaltsgrundlage nicht nachgekommen werden“, erklärt Winkler. Der Aufsichtsrat habe damals aber „umgehend Untersuchungen eingeleitet, zumal die uns vorgelegten Unterlagen die geäußerten Vorwürfe nicht gerichtsfest belegt hätten“. Der Aufsichtsrat schaltete die Finanzprokuratur als Rechtsberatung der Republik ein. Auf Anraten von Finanzprokuratur-Chef Wolfgang Peschorn wurde die Wirtschaftsprüfungskanzlei PwC mit einem Gutachten betraut. Ohne auf das Ergebnis zu warten oder auch nur Rücksprache mit dem Aufsichtsrat zu halten, konfrontierten Generalsekretär Johannes Abentung und Rechtsanwalt Novak Alfred Hudler. „Wir haben ihm die Möglichkeit eingeräumt, tätige Reue zu leisten und zurückzutreten“, sagt Rechtsanwalt Meinhard Novak gegenüber profil. Hudler lehnte ab. Die Konsequenz: „Ebenfalls ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsrat wurde am 25. Juli (…) bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Strafanzeige (…) eingebracht“, hält Winkler in seinem Schreiben an Minister Totschnig fest. Ganz verkürzt zusammengefasst: Der Generalsekretär des Landwirtschaftsministeriums engagiert sich für die Absetzung des Geschäftsführers am Aufsichtsrat vorbei und ohne das endgültige Ergebnis der internen Revision abzuwarten.
Der Bericht der Wirtschaftsprüfer PwC liegt profil ebenfalls vor. Das Ergebnis: „In den vorgelegten Unterlagen haben wir keine Hinweise identifiziert, die auf systematisch falsche und/oder wesentlich überhöhte Firmenkreditkartenabrechnung und/oder Speseneinreichungen schließen ließen.“ Außerdem „konnten wir die Intention des Geschäftsführers nachvollziehen, die geschäftlichen und privaten Dienstreiseausgaben getrennt zu halten“. Lauf PwC-Berechnung stünden Alfred Hudler sogar noch 7600 Euro an Spesenrückerstattung zu.
Warum der Aufsichtsrat dennoch die Entlassung ausgesprochen hat? Bei der Prüfung haben sich gravierende Mängel im Rechnungswesen gezeigt. Verantwortlich dafür sei zwar ein ehemaliger Mitarbeiter der Finanzabteilung gewesen, aber Hudler habe diesen „nicht mit der gebotenen Sorgfalt überwacht“, wie es im Schreiben von Aufsichtsratschef Winkler heißt.