Interview
Staatssekretärin Kraus-Winkler: „Wir haben Betten, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind“
Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) über anspruchsvolle Gäste, den Trend zum „Hybridurlaub“ und Skifahren trotz Klimawandels.
10.02.24
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Die Touristiker sind mit der aktuellen Wintersaison sehr zufrieden. Wie erklären Sie sich, dass die hohe Inflation sich offenbar so gar nicht auf die Urlaubslust auswirkt?
Kraus-Winkler
Österreich hat ein sehr gutes Angebot mit einer enormen Breite. Da ist für jedes Budget etwas dabei. Und besonders für ausländische Gäste haben wir ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Dazu kommt, dass wir viele Stammgäste und ein gutes Image haben. Und die Reiselust in unseren europäischen Kernmärkten ist stark. Allerdings sind die Anteile an Auslandsgästen je nach Destination verschieden hoch, was auch zu unterschiedlichen Dynamiken führt.
Skifahren wird mit Preisen für Liftkarten von bis zu über 70 Euro pro Tag immer mehr zu einem Elitenvergnügen. Hat der breite Wintertourismus ein Ablaufdatum?
Kraus-Winkler
Früher gab’s in den Schneeregionen in vielen Orten einen kleinen Lift hinterm Haus. Aber die Gesellschaft ändert sich und auch die Ansprüche an Freizeitaktivitäten. Die Nachfrage ist da, aber das touristische Produkt ist qualitativ hochwertiger und komplexer geworden. Ein attraktives touristisches Angebot ist ein Exportprodukt, welches wir natürlich neben dem Inland auch im Ausland zu platzieren versuchen.
Aus der Klimaforschung wissen wir, dass die Schneetage weniger werden. Ist es da schlau, wenn sich die klassischen Skiregionen zu sehr auf die Wintersaison konzentrieren?
Kraus-Winkler
Wir haben Regionen mit einer Höhenlage, wo Skifahren immer möglich sein wird. Nichtsdestotrotz setzen sich die Destinationsmanagementgesellschaften sehr intensiv mit der Produkt- und Angebotsentwicklung der Zukunft auseinander. Wir werden künftig ganz genau unterscheiden müssen, in welchem Teil Österreichs was angeboten wird. Sehr stark im Fokus ist das Thema Hybridurlaub. Die Gäste wollen ein vielfältigeres Angebot. Skifahren ist zwar oft das Hauptreisemotiv, aber nicht jeder will jeden Tag nur auf der Piste stehen, sondern auch eislaufen, Schneeschuhwanderungen machen, ins Spa gehen und vieles mehr. Hotels, die nur Nächtigung und Essen anbieten, haben da einen Nachteil. Österreich wird sich auch in Zukunft im Winter als sehr vielseitiges Urlaubsland präsentieren, davon bin ich überzeugt. Aber es braucht Innovationen. Man muss Themen, die im gesellschaftlichen Trend oder Zeitgeist liegen, klug mit den traditionellen Angeboten kombinieren.
Passiert das derzeit in ausreichender Weise?
Kraus-Winkler
Es hat begonnen. Aber das betrifft ja nicht nur die Winterdestinationen. Auch für die Sommerdestinationen müssen wir uns immer wieder aufs Neue etwas überlegen. Denken Sie beispielsweise an die Kärntner Seen. Da diskutieren wir schon sehr lange über eine Saisonverlängerung. Aber wir werden nicht jede Destination in Österreich ganzjahresfähig machen können.
Wir haben das Glück, dass wir zwei Saisonen haben. Kroatien – de facto der gesamte Mittelmeerraum – hat nur eine Saison.
Es gibt in Österreich jetzt über 22.000 Gästebetten mehr als noch vor einem Jahr. Allein in Tirol sind über 8000 Betten dazugekommen. Dabei war dort noch vor Kurzem von einer Begrenzung der Bettenzahl und von mehr Qualität statt Quantität die Rede. Offenbar wird aber doch nur an den kurzfristigen Profit gedacht.
Kraus-Winkler
Der Anstieg der Bettenzahl lässt sich dadurch erklären, dass wir uns in einer Transformationsphase befinden. Wir haben Betten, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind, aber noch nicht aus dem Markt genommen wurden. Weil es keine Betriebsnachfolge gibt oder weil die Betreiber wissen, dass sie ihren Betrieb ohnehin nur mehr einige Jahre führen werden, und sich für diesen Zeitraum eine Investition nicht mehr lohnt. Das ist so in vielen Destinationen in ganz Österreich. Gleichzeitig findet derzeit vielfach ein Upgrading von Angeboten statt, das eine Veränderung der Betriebsgrößen bedingt. Sie können aus einem 40-Zimmer-Hotel kein Resort entwickeln. Wenn Sie betriebswirtschaftlich positiv arbeiten wollen, brauchen Sie oft eine Mindestanzahl von 80 bis 100 Zimmern. Und dann sehen wir auch im Bereich der Ferienapartments ein starkes Angebotswachstum, sowohl von gewerblichen als auch privaten Anbietern. Wichtig ist, dass die touristischen Produkte wirtschaftlich stabil sind.
Apropos: Ein Hotel müsse eine Auslastung von 60 bis 70 Prozent haben, damit es sich rechnet, lautet eine Milchmädchenrechnung. Wenn man sich die Auslastungszahlen beispielsweise für Tirol in der Wintersaison anschaut, dann erreichten die Betriebe in guten Jahren im Schnitt knapp 45 Prozent. Das klingt jetzt nicht so berauschend.
Kraus-Winkler
Das kann man so nicht sagen. Ab wann sich ein Hotel rechnet, hängt unter anderem von Größe und Struktur ab. Ob es überwiegend fremdfinanziert ist. Ob es ein eigentümergeführter oder ein Pachtbetrieb ist. Es gibt Stadthotels, die brauchen 65 Prozent Auslastung, damit sie überhaupt die Pacht erwirtschaften können. Da hat man aber als Betreiber noch nichts verdient. Umgekehrt kenne ich manche Ferienhotels, die verdienen mit einer Auslastung von 50 Prozent über die Öffnungszeit schon gutes Geld. Und eines muss ich schon noch sagen: Der Tourismus ist für Österreich ein wichtiger Wirtschaftsbereich. Und wir haben das Glück, dass wir zwei Saisonen haben. Kroatien – de facto der gesamte Mittelmeerraum – hat nur eine Saison.
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Christina Hiptmayr
war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.