Interview

„Ich habe Putin gefragt, ob er eine Raiffeisen Kreditkarte hat“

Herbert Stepic spazierte 1975 das erste Mal durch Moskau. Er machte Raiffeisen International zum Platzhirsch in Osteuropa und ist der Architekt des Russland-Geschäfts. Ein Geschäft, das seit Putins Einmarsch in die Ukraine massiv in der Kritik steht. Zeit für ein Gespräch – über damals und heute.

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Herbert Stepic weiß, wer er ist. Und er zeigt es auch seinen Gästen in seinem Büro in der Wiener Innenstadt. 2005 kürte ihn das Wirtschaftsmagazin „trend“ zum „Manager des Jahres“. 2007 wurde er zum „European Manager of the Year“ gewählt. Er war ein Jahrzehnt lang einer der mächtigsten Banker in Osteuropa, und seine Wände sind wie ein Fenster in diese Zeit. Stepic ist der Architekt des Raiffeisen-Geschäfts in Russland. Er war einer der ersten westlichen Geschäftsmänner, die über den Roten Platz gingen, als noch der Eiserne Vorhang den Osten vom Westen trennte. Die Milliardengewinne, die über die Jahre vom Osten in die Zentrale der Raiffeisen International (RBI) nach Wien flossen, sind quasi sein Lebenswerk.
Seit Russlands Krieg gegen die Ukraine steht dieses Lebenswerk aber in einem anderen Licht. Die europäische und die US-amerikanische Bankenaufsicht sitzen der RBI im Nacken, sich endlich aus Russland zu verabschieden. Ein Gespräch über Geschäfte mit autokratischen Regimen, über Österreichs  Gasliefervertrag und Putins Kreditkarte.

Herr Stepic, wann waren Sie das erste Mal in Moskau?

Stepic

1975. Das war noch Urkommunismus – wenige Restaurants, Wanzen in allen Zimmern, Wodka zur Besprechung um 9 Uhr morgens und generell sehr viel Überwachung.

Ist das heute vielleicht wieder so ähnlich wie damals?

Stepic

Ich glaube nicht in diesem Ausmaß. Es gab wenige ausländische Partner, und wenn man einmal Kooperationspartner war, dann war man das lange. Das war übrigens in allen Ostländern so.

Was macht ein österreichischer Bankmanager 1975 in Moskau?

Stepic

Meine Aufgabe war damals, die gesamte Raiffeisen-Geldorganisation zu internationalisieren. Der Job des Jahrtausends, sage ich immer. Es ging damit auch um den Aufbau von Bankverbindungen in Zentral- und Osteuropa. Es gab damals nur drei Banken in Russland.

Wann waren Sie das letzte Mal dort?

Stepic

Das ist sechs oder sieben Jahre her. Ich bin ja 2014 bei der RBI in Pension gegangen. Danach hatte ich beim Aufbau meines jetzigen Beratungsunternehmens keine Anfragen zu Russland, die eine Vorortpräsenz notwendig machten.

Warum entscheidet man sich, als Bank in eine Region zu gehen, die vom Westen völlig abgeschottet war?

Stepic

Ich habe die Osteuropa-Strategie bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach 1989 niedergeschrieben, auf fünf Kaszetteln, auf einem Balkon mit Kühen vor mir. Ein paar Wochen später habe ich sie den Aktionären vorgestellt. Es hat keinen Sinn für ein kleines Land wie Österreich, in den großen Wirtschaftszentren besonders aktiv zu sein, aber es macht sehr viel Sinn, in den schwierigen Ländern, von denen Österreich umgeben war, aktiv zu werden. Und damit auch viele mittelständische Betriebe in neue Gebiete zu führen. Das war damals unser Kerngeschäft: Wir waren als Bank schon dort und haben unsere Kunden und neue Firmen vor Ort finanziert. Im Herbst 1989 – mit dem Mauerfall – haben wir die erste Repräsentanz in Russland eröffnet. Das war in einem Container auf dem Messegelände von Moskau. Wenn man damals als Ausländer eine Wohnung mieten wollte, musste man sich bei einer Abteilung im Außenministerium melden, die irgendwie dem FSB (dem Inlandsgeheimdienst, Anm.) unterstand. Unsere Repräsentanz hatte die Nummer zwölf. Wir waren also die zwölfte Auslandsrepräsentanz, die damals nach Russland kam. Der Umsturz des Systems in Moskau war unglaublich dramatisch. Gorbatschow (Michail Gorbatschow, von 1990 bis 1991 der letzte Staatspräsident der Sowjetunion, Anm.) wollte das kommunistische System erhalten. Die Satellitenländer strebten nach Freiheit. Jelzin (Boris Jelzin, Russlands Präsident von 1991 bis 1999, Anm.) hat sich mehr oder minder selbst zum Präsidenten ausgerufen. Es gab Tumulte im Parlament, die im Fernsehen übertragen wurden. Da wurde Demokratie zu einem Schimpfwort, bei all dem, was die Menschen da sahen.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".