Supermarkt-Angestellte: „Ich leiste mir kaum was“
Im Leben von Susanne* stehen große Veränderungen an. Mit ihrer Familie wird sie im Dezember in ihre erste eigene Wohnung ziehen – auch wenn sie noch nicht weiß, wie sich das finanziell ausgehen soll. „Die Preise sind durch die Teuerung extrem gestiegen.“ Bisher hatte die 30-Jährige mit ihren zwei Kindern und ihrem Lebenspartner in ihrem Elternhaus gelebt; wenn die zwei Kinder ihres Freundes aus einer früheren Beziehung dazustoßen, erzählt sie, kann das schon mal richtig voll werden.
Susanne arbeitet in einem Supermarkt in einer kleinen Marktgemeinde unweit von St. Pölten. „Ich habe Köchin gelernt und habe fast 14 Jahre in der Küche eines Pflegeheims gearbeitet“, erzählt sie. Aufgehört hat sie wegen der psychischen Belastung: zu wenig Bedienstete, Langzeitkrankenstände – und auch die Bezahlung war nicht „das große Ding“. Dazu kamen Dienste an jedem zweiten Wochenende und zu wenig Zeit für ihre zwei Kinder.
„Was im Lebensmittelhandel geleistet und gefordert wird, ist enorm“, erzählt sie. Im Supermarkt arbeitet Susanne aktuell 25 Stunden pro Woche und verdient rund 1200 Euro netto im Monat. „Für eine Wohnung zahlt man mindestens 600 Euro Miete, das ist mein halber Monatslohn.“ Hinzu kommen die Betriebskosten, die Spritrechnung (80 bis 100 Euro), Autoversicherung, GIS, Lebensmittel (circa 300 Euro) und Handyrechnung. „Die Lebensmittel kaufe ich fast alle im eigenen Supermarkt, da kenne ich die Produkte und die Preise“, erzählt sie. „Markenartikel nehme ich nur selten“, auch die Bio-Milch sei nicht drin. Im Monat hat sie Fixkosten von 600 bis 700 Euro, Miete noch nicht mitgerechnet. „Als Mutter zu überleben, ist schwierig.“ Nachsatz: „Bevor ich mir ein neues Leiberl leiste, kaufe ich meinen Kindern warme Schuhe, damit sie im Winter warme Zehen haben.“
„Was im Lebensmittelhandel geleistet und gefordert wird, ist enorm.“
In Streikbereitschaft
Susanne würde auch in den Streik treten, sollten die laufenden KV-Verhandlungen scheitern: „Es soll sich nicht nur für die Mütter etwas ändern, die hier im Supermarkt in Teilzeit arbeiten, sondern ganz generell“, sagt sie. Und sie findet, dass sie zu viel an Steuern und Abgaben bezahlt. Von der Politik fühlt sie sich aber nicht wahrgenommen. „Wenn ich lese, was Politiker verdienen, auch wenn sie viel Verantwortung tragen, stellt es mir die Haare auf.“ Vor allem die Spritpreise bereiten ihr Kopfzerbrechen: „Da traue ich mich fast gar nicht mehr, ins Auto einzusteigen.“ Auf ein Auto verzichten kann die Familie aber nicht. Der öffentliche Verkehr ist zu unregelmäßig, um sich darauf zu verlassen. „Mit der neuen Wohnung möchte ich aber öfter auf mein Fahrrad zurückgreifen, um Sprit zu sparen.“
Wechselnde Arbeitstage
Dienstbeginn im Supermarkt ist für Susanne um sieben Uhr morgens, Dienstschluss um 14 Uhr. Davor hat sie schon ihre Tochter in den Kindergarten gebracht, der um dreiviertel sieben aufsperrt. „Es ist knapp, aber es geht sich aus.“ In der Früh schlichtet sie dann die neu gelieferten Lebensmittel ein.
Ihre Arbeitstage wechseln. Manchmal hat sie am Montag und Donnerstag frei und muss dafür am Samstag arbeiten. Meistens weiß sie drei Wochen im Voraus, wann sie Dienst hat, kann sich Arzttermine ausmachen oder zum Elternsprechtag in die Schule gehen. „Wenn die Kinder mich nicht mehr so intensiv brauchen, möchte ich wieder Vollzeit arbeiten.“ Ihre Tochter ist heute vier, ihr Sohn zehn Jahre alt.
Wegfahren ist finanziell auch nicht drin. „Zwei Tage wegfahren? Nein, das Geld fehlt mir dann im nächsten Monat!“ Leistet sie sich sonst etwas? „Zum Friseur gehe ich zwei Mal im Jahr.“ Und auch ein Kinobesuch gehe sich mit den Kindern nicht öfter aus. Sommerurlaub machte die Familie heuer in Kärnten. „Da muss ich mir jeden Monat etwas Geld auf die Seite legen.“ Dort leben Freunde und Verwandte, erzählt sie. „Ich würde meinen Kindern auch gern andere Bundesländer oder das Meer zeigen, aber das ist finanziell gerade nicht drin.“
* Der Name unserer Interviewpartnerin wurde auf ihren Wunsch geändert.