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System Novomatic: Die geheimen Chat-Protokolle

Inside Novomatic: Die Staatsanwaltschaft fand beim niederösterreichischen Glücksspielkonzern jede Menge Hinweise auf Interventionen, verdecktes Lobbying und politische Einflussnahme. Geheime Chat-Protokolle gewähren einen tiefen Blick in ein schmutziges System.

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Novomatic hatte sich für diese weitreichende Verkündigung einen ganz speziellen Rahmen ausgesucht: Die Glücksspielmesse ICE, die jährlich Anfang Februar in London stattfindet, ist das zentrale Get-Together der europäischen Zocker-Industrie-quasi das Hochamt der einarmigen Banditen in ihrer modernen, computerisierten und rundum durchgestylten Form. Der Automatenkonzern und internationale Casinobetreiber aus Niederösterreich hält dort beeindruckend Hof. Für eine Pressekonferenz werden traditionell sogar Journalisten aus Österreich eingeflogen.

Was diese heuer zu hören bekamen, hat nicht nur geschäftlich für Novomatic eine große Bedeutung. Man könnte es bis zu einem gewissen Grad auch als Trotzreaktion deuten. Der Konzern kündigte einen Teilrückzug aus Österreich an. Der damalige Vorstandsvorsitzende Harald Neumann garnierte dies mit der Aussage, man wolle sich "nicht wieder vorwerfen lassen, in Österreich irgendwelche Interessen zu verfolgen".

Ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl: Novomatic will sich als weltweit erfolgreiches Unternehmen darstellen, dem es in Österreich verleidet werde, seinen Geschäften nachzugehen. Insbesondere von der Justiz, aber auch von manchen Medien fühlt sich der Konzern zu Unrecht verfolgt. Doch je tiefer die Staatsanwälte buddeln, je mehr Hausdurchsuchungen durchgeführt und Handys ausgewertet werden, umso klarer zeigt sich: Bei Novomatic laufen sowohl in der sogenannten Causa Casinos als auch in der Ibiza-Affäre wesentliche Fäden zusammen. Die strafrechtlichen Vorwürfe, denen die Justiz nachgeht, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Auch unabhängig davon mehren sich die Hinweise auf ein regelrechtes System aus Interventionen, verdecktem Lobbying und politischer Einflussnahme.



Der Wahlkampfplan
Die Aussagen könnten nicht diametraler sein: "Novomatic zahlt alle",erklärte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einer vermeintlichen Oligarchennichte vor versteckter Kamera im Sommer 2017 auf Ibiza. Nachdem das Video dieses illustren Treffens von "Süddeutscher Zeitung" und "Spiegel" im Mai 2019 veröffentlicht worden war, erklärte der damalige Novomatic-Sprecher Bernhard Krumpel, es seien vom Glücksspielunternehmen "keine Spenden an politische Parteien getätigt" worden, auch nicht über einen "Verein"-eine mögliche Umgehungskonstruktion, die Strache auf Ibiza beschrieben hatte.

profil liegt nun allerdings ein Handy-Chat Krumpels mit seinem damaligen Chef Neumann aus dem Jahr 2017 vor, in dem es um das Thema Parteispenden geht (siehe Faksimile).Krumpel schrieb, dass KTM-Chef Stefan Pierer alle Wahlkampfspenden an die ÖVP verdoppeln werde-dieses Vorhaben wurde damals medial breit berichtet. Novomatic-Chef Neumann zeigte sich unbeeindruckt und antwortete: "wir haben noch etwas besseres vor;))hat dir

(Anm.: gemeint ist vermutlich ein weiterer Novomatic-Manager) schon erzählt???"Die vielsagende Antwort Krumpels: "Ja FP hat mich angerufen, tschank ist alter freund von mir bin da voll eingebunden: hab u.a. gerade den brief an die Parteien entworfen und geschickt.:-)"

Die kryptische Nachricht ist den Ermittlern ins Auge gestochen: Der Rechtsanwalt und spätere freiheitliche Nationalratsabgeordnete Markus Tschank war bekanntermaßen bei mehreren Spendenvereinen involviert, die von der Justiz nunmehr als FPÖ-nahe eingestuft werden. Was könnte das erwähnte Vorhaben-unter Einbindung von "FP" und "tschank"-gewesen sein?

Krumpels Rechtsanwalt Roland Kier teilt auf "profil"-Anfrage mit: "Wir ersuchen um Verständnis, dass wir grundsätzlich Inhalte eines Verschlussakts nicht kommentieren, insbesondere wenn es sich um eine aus dem Gesamtbild gerissene persönliche Kommunikation handelt. Sollte dazu eine Klarstellung gegenüber einer Behörde notwendig sein, werden wir das natürlich tun." Krumpel ist mittlerweile bei Novomatic ausgeschieden. Auch Tschank hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten.

Bemerkenswertes Detail am Rande: Der Handy-Chat zwischen Neumann und Krumpel fand am 24. Juli 2017 statt-nur ein paar Stunden, bevor an eben diesem Tag Strache auf Ibiza über große Zuwendungen schwadronierte, die am Rechnungshof vorbei an einen gemeinnützigen Verein gehen würden, und bevor der Satz "Novomatic zahlt alle" fallen sollte.

Der Geldverein
Novomatic bestreitet vehement, verdeckte Parteispenden geleistet zu haben. Fest steht allerdings, dass der Konzern 2018 und 2019 insgesamt 240.000 Euro an einen Tschank-Verein bezahlt hat. Dieser trägt den Namen "Institut für Sicherheitspolitik" (ISP) und organisierte einige Veranstaltungen. Dass es sich-wie von Novomatic behauptet-um ein an eine adäquate Gegenleistung gekoppeltes Sponsoring gehandelt habe, glaubt die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) allerdings nicht. Sie hegt den Verdacht, dass ein Scheinvertrag erstellt wurde und über das ISP verdeckte Zahlungen laufen sollten.

Dass das ISP auch innerhalb der FPÖ-Spitze quasi als parteizugehörig angesehen wurde, zeigt eine Unterhaltung in einer Chatgruppe, auf die die Ermittler gestoßen sind. Gruppenmitglieder waren eine ganze Reihe von Parteigranden. Aktiv am Chat beteiligt waren neben Tschank unter anderen Strache und der damalige FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. In der Unterhaltung vom 23. Februar 2019 ging es um Aufträge des Verteidigungsministeriums an parteinahe, sicherheitspolitisch tätige Organisationen. Auch das ISP hatte einen derartigen Auftrag bekommen. Nun rechnete Tschank den Iststand der politischen Aufteilung vor: "3 x Spö, 1 x Övp, 1 x Fpö", schrieb er in die Gruppe. Vilimsky fragte-wohl in Bezug auf die SPÖ-nahen Organisationen: "Streichen?"Tschank schrieb zurück: "Die Verträge haben fixe Laufzeiten. Eine Streichung geht erst nach Ablauf! Mario (Anm.:Verteidigungsminister war zu diesem Zeitpunkt Mario Kunasek von der FPÖ.) müsste hier sensibilisiert werden!" Auf einen Hinweis, dass der Vertrag mit einem SPÖ-nahen Institut bereits ausgelaufen sei, antwortete Vilimsky: "Sehr gut. Sozis trockenlegen, wo möglich."

Ein halbes Jahr später, am 17. August 2019, beteuerte Vilimsky übrigens per Presseaussendung, das ISP sei "ein parteiunabhängiger Think Tank",der "mit der FPÖ nichts zu tun" habe. Auf nunmehrige Anfrage von profil teilt Vilimsky mit, er bleibe bei seiner Einschätzung, dass "es sich hier um ein unabhängiges Institut handelt, wenngleich es auch im Umfeld der FPÖ befindlich gesehen werden kann". Er habe "keinerlei Wahrnehmung darüber, dass in einem Gremium oder von einzelnen Personen aus der FPÖ auf die Tätigkeit des ISP Einfluss genommen wurde".Letzteres ist bemerkenswert: ISP-Obmann Tschank saß für die FPÖ im Nationalrat. Die Novomatic-Zahlungen an das ISP wertet die Staatsanwaltschaft gemäß Verdachtslage als Bestechung und als Teil eines größeren Planes, um von FPÖ-Politikern Unterstützung bei regulatorischen Glücksspielbelangen-etwa bei der Erlangung einer Online-Gaming-Lizenz-zu erhalten. In einer Durchsuchungsanordnung vom 6. März 2020 steht: "Ein gewichtiges Indiz für die Annahme, dass es sich um eine Scheinkonstruktion handelt, ist die behauptete Art der Mittelverwendung der Vereinsgelder." Zum Beispiel schloss das ISP-vertreten durch Tschank-mit Rechtsanwalt Tschank und seinem Kanzleipartner eine Vereinbarung, dass das Institut "einen Arbeitsplatz samt EDV-Ausstattung und Telefon sowie das Besprechungszimmer" benutzen dürfe. Kostenpunkt: wohlfeile 3600 Euro pro Monat. Im Februar 2018 wiederum genehmigte sich der Vereinsvorstand eine "Management Fee" von insgesamt 50.000 Euro, 30.000 Euro davon sollten an Tschank gehen.

Die Ermittler fanden auch zwei Rechnungen einer Firma namens Polimedia an das ISP im Jahr 2017, beide augenscheinlich ausgefertigt vom damaligen Polimedia-Geschäftsführer Peter Sidlo. Der langjährige FPÖ-Bezirksrat sollte bekanntermaßen Ende März 2019 auf Betreiben von Novomatic zum Vorstand der teilstaatlichen Casinos Austria AG (Casag) bestellt werden. Die Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, dass Sidlo die Qualifikation dafür fehlte und seine Bestellung ein weiteres Element eines Deals zwischen der FPÖ und Novomatic darstellte.

Die Polimedia stand übrigens früher mit der Wiener FPÖ bzw. deren Rathausklub in Geschäftsbeziehung. Die Ermittler stießen auf Rechnungen aus 2014 beziehungsweise 2015, die auf ein monatliches Honorar von 30.000 Euro hindeuten. Adressiert waren diese teilweise an Dominik Nepp, der nunmehr die Freiheitlichen in die bevorstehende Wien-Wahl führen soll. Nepp teilte auf profil-Anfrage mit, dass es in Österreich üblich sei, dass sich Parteien externer Spezialisten als Berater bedienen. "Die FPÖ hat ein externes Unternehmen zu einem marktüblichen Preis beauftragt. Die Polimedia hat zur vollsten Zufriedenheit unterschiedliche Expertisen in den Bereichen Sicherheitspolitik, Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik, Stadtaußenpolitik und zu vielen anderen relevanten Fragen der Wiener Stadtpolitik erstellt."

Ein spannender Aspekt ist jedenfalls, dass nicht nur Sidlo bei der Polimedia aktiv war, sondern auch Tschank-und ein gewisser Bernhard Krumpel, später Konzernsprecher bei Novomatic.



Der Querverbinder
Mit 1. Jänner 2017 übernahm Krumpel die Funktion des Leiters der Konzernkommunikation bei Novomatic. Der PR-Profi war früher unter anderem Pressesprecher des damaligen ÖVP-Finanzlandesrates in Niederösterreich, Wolfgang Sobotka, und danach im Kabinett von Innenminister Ernst Strasser tätig gewesen. Krumpel konferierte-den diversen Chat-Protokollen zufolge-eng mit Novomatic-Chef Neumann und war augenscheinlich auch in die Vorgänge rund um die Bestellung Sidlos bei der Casag involviert. Am 19. März 2019, offenbar während eine Sitzung des Aufsichtsrats der Casag samt Kandidatenhearing im Gange war, fragte er Neumann: "Alles paletti?"Als die umstrittene Postenbesetzung am 28. März 2019 dann in trockenen Tüchern war, schrieb Krumpel: "SUPER. War ein cooles Projekt".

Doch auch nach Sidlos Bestellung zum Casag-Vorstand hatte er mit Novomatic-Manager Krumpel Kontakt. Das ging so weit, dass sich Sidlo von Krumpel Antworten auf Fragen zu sich selbst und seiner neuen Funktion vorbereiten ließ. Diese benötigte er für eine Casag-Mitarbeiterveranstaltung, bei der er als neuer Vorstand präsentiert werden sollte. Krumpel übermittelte die vorbereiteten Antworten nach gerade einmal einer Stunde-inklusive Regieanweisungen wie "LÄCHELN!" oder "Möglich auch Frage ans Publikum: 'Ist hier noch wer irgendwo als Bezirksrat tätig?'"Nur zur Erinnerung:

Auch wenn Novomatic als mitbestimmender Aktionär an der Casag beteiligt war, handelt es sich dennoch um Konkurrenzunternehmen. Ist dies ein Indiz dafür, dass Sidlo als Casag-Vorstand in enger Abstimmung mit Novomatic agieren sollte? Sidlo betont, dass es "niemals Pläne oder Absichten gab, die Ausübung meiner unabhängigen und weisungsfreien Vorstandsfunktion mit irgendjemandem abzustimmen".Dass Krumpel, den er seit Längerem kannte, damals Kommunikationschef von Novomatic war, sei für ihn "nicht von Belang" gewesen. "Mir ist vor allem an einer persönlichen Einschätzung von Mag. Krumpel als ausgewiesener Kommunikationsexperte gelegen." Es habe sich bei den Antworten um "Vorschläge und nicht um Vorgaben" gehandelt. Er habe sich nichts vorzuwerfen.

Krumpels Job bei Novomatic ging-so sehen es die Ermittler-jedenfalls deutlich über jenen eines simplen Pressesprechers hinaus. In einem Amtsvermerk vom 6. März 2020 bezeichnete die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft Krumpel nicht nur als "Verbindungsglied zu den FPÖ-nahen Vereinen", sondern schrieb auch: "Mag. Krumpel dürfte seitens der Novomatic generell als aktives Verbindungsglied zur Politik verwendet worden sein. Dessen Tätigkeit gestaltete sich dabei proaktiv inklusive 'Abstimmung' mit Politikern."

Betont sei, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass große Unternehmen auch gute Kontakte in die Politik unterhalten. Vor dem Hintergrund, dass Novomatic als Glücksspielunternehmen maßgeblich von politischen und regulatorischen Entscheidungen abhängig ist, stellt sich jedoch die Frage, wie genau diese Verbindungen ausgestaltet sind. Im Akt finden sich einige Beispiele, die stark auf verdecktes Lobbying, gezielte Einflussnahme oder zumindest auf politische Instrumentalisierung hindeuten.

Am 1. Februar 2019 schrieb Krumpel an Neumann: "Zur Info: am Montag ist ein längerer Beitrag im ORF OÖ geplant gegen illegales Glücksspiel, mit Einbeziehung Politik. Wir werden sicher gut aussteigen.

LR Podgorschek haben wir involviert, der ist dann studiogast dazu." Tatsächlich gab es am Montag, 4. Februar 2019, einen solchen Beitrag in "Oberösterreich heute".Podgorschek sprach sich dabei gegen ein generelles Verbot des sogenannten kleinen Glücksspiels-also gängiger Automatenspiele-aus, was durchaus im Sinne von Novomatic gewesen sein dürfte. profil hat beim früheren Landesrat nachgefragt. Podgorschek sagt, er habe dezidiert nicht gewusst, dass das Interview auf diese Weise zustande gekommen sei. Ausschließen will er im Nachhinein nicht, dass Novomatic dahinterstand, auch wenn er glaubt, dass die Interviewanfrage selbst über die Wirtschaftskammer zu ihm gelangt sei. Was er im Interview gesagt habe, sei jedoch auch heute noch seine Überzeugung: dass es im Sinne der Bevölkerung besser sei, das kleine Glücksspiel nicht vollständig in die Illegalität abgleiten zu lassen.

Ein Verbot des kleinen Glücksspiels gibt es in Wien, und das ist Novomatic ein großer Dorn im Auge. Da kann es hilfreich sein, vorab Einblicke in behördliche und politische Entwicklungen zu haben. Am 22. Februar 2019 schrieb Krumpel an Neumann: "Das Innenministerium überlegt eine Studie zum Thema 'illegales Glücksspiel in Wien' würde dann vor der wahl fertig werden "Neumann antwortete: "Könnte positiv sein!! Vor allem wenn Wien schlecht abschneidet;))".Krumpel hielt fest: "Wird positiv sein soll auch nur um Wien gehen. Das Bundeskriminalamt und das LKA Wien haben da eine klare Sicht der Dinge "Innenminister war damals übrigens Herbert Kickl von der FPÖ. Die WKStA hält in einem Amtsvermerk fest: "Bei einer Studie des BMI, die von Seiten der Novomatic AG als 'positiv' bewertet wird, ist davon auszugehen, dass sie eine kritische Haltung gegenüber dem Verbot des kleinen Glücksspiels zum Ergebnis haben wird."

Doch nicht nur ins freiheitliche Lager pflegte Krumpel augenscheinlich gute Kontakte. Am 2. Februar 2019 teilte er Neumann mit: "Karl Mahrer geht heute abgestimmt mit einer ots betreffend illegale Glücksspiellokale in Wien raus."Tatsächlich hatte zuvor ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer eine OTS-Pressemeldung ausgeschickt, in der er von der Stadt Wien anlässlich eines Todesfalls in einem Wettlokal "zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Glücksspiels" forderte. Mahrer teilt auf profil-Anfrage mit, er erhalte laufend Mails oder Telefonanrufe von Bürgern, die Informationen oder Anfragen zum Thema Sicherheit haben: "So habe ich auch im Zuge eines Telefongesprächs Ende Jänner/Anfang Februar 2019 von Herrn Bernhard Krumpel (Mitarbeiter von Novomatic) die Information erhalten, dass durch den illegalen Umbau und die Sperrsituation in einem Glücksspiellokal in Wien-Meidling ein Mensch verstorben sein soll. Da der geschilderte Sachverhalt-der auch im Zusammenhang mit dem Tod einer Person gestanden ist-sicherheitsrelevant war, habe ich eine Presseaussendung veranlasst und weitere Kontrollen gefordert."

In Bezug auf die NEOS wiederum deutet ein Chatverlauf darauf hin, dass Krumpel dort über einen internen Maulwurf verfügt haben könnte. Es ging offenbar um einen geplanten Antrag der NEOS auf Änderungen des Glücksspielgesetzes im Sinne besserer Suchtprävention. Krumpel ließ Neumann am 2. Juli 2019 wissen, dass der Antrag wegen interner Diskussionen nicht eingebracht werde. Neumann fragte: "Ist das gesichert?????"Krumpel antwortet: "Ich vertraue meiner quelle zu 100 Prozent in der sache". Krumpel teilt dazu nun auf profil-Anfrage mit, dass er die Information, dass keine Einbringung erfolgte, "gegen Ende des letzten Plenartags lediglich durch einen Zufall" erhalten habe. Zweieinhalb Monate später dürfte der entsprechende Gesetzesantrag übrigens dann sehr wohl eingebracht worden sein.

Wie eng Novomatic mit den politischen Entscheidungsstrukturen vernetzt ist, zeigt auch ein Vorgang aus dem Jänner 2017: Zuvor hatte Peter Pilz - damals noch Nationalratsabgeordneter der Grünen - eine parlamentarische Anfrage an den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling gerichtet, in der es unter anderem um die glücksspielrechtliche Zuverlässigkeit von Novomatic ging. Daraufhin entwickelte sich eine Konversation zwischen der zuständigen Fachreferentin in Schellings Kabinett und Neumann, über die zuletzt auch "Der Standard" berichtete. profil liegt der Chatverlauf vor (Faksimile).Der direkte Kommunikationskanal ins Ministerium wurde offenbar auch für andere Angelegenheiten genutzt: Am 9. März 2017 schickte Neumann der Fachreferentin "eine kurze Stellungnahme von uns betreffend der Automatenglückspielverordnung!!".

Querverbinder Krumpel dürfte wiederum bei einem ganz besonderen Coup die Finger im Spiel gehabt haben. Am 14. Februar 2018 schrieb Krumpel-offenbar an Neumann: "Zur info: Treffe 'eva' am 19.2. Um 9 uhr im NOVOMATIC Forum".Am 2. März 2018 präsentiert Neumann in einer geschichtsträchtigen Pressekonferenz die frühere Grünen-Chefin Eva Glawischnig als Managerin für die Bereiche "Corporate Responsibility und Sustainability". Die Ex-Politikerin bezeichnete sich als "Verantwortungsmanagerin" und erklärte: "Meinen kritischen Geist kann und werde ich nicht aufgeben". Hinter den Kulissen tippte Krumpel danach triumphierend in sein Handy: "Alle Gutmenschen haben heute Schnappatmung."


Die Privatintervention

Seine Connections nutzte Neumann Ermittlungsergebnissen zufolge allerdings nicht nur zum Wohle der Novomatic, sondern mitunter auch zu privaten Zwecken. Am 18. Dezember 2018 fragte Neumann bei Krumpel an: "Wie heißt der KabChef von Strache?"Er benötige nämlich "einen Kontakt zum Bundesheer" betreffend des Präsenzdienstes eines nahen Angehörigen, der "gerne von Zwölfaxing nach Wien versetzt werden und dort Kraftfahrer sein" wolle. Krumpel lieferte einen passenden Ansprechpartner-und zwar Markus Tschank.

Zehn Tage später, am 28. Dezember 2018, trat Neumann dann direkt mit dem blauen Vereinsexperten und Nationalratsabgeordneten in Kontakt: "Hallo Herr Tschank, hätte folgende Bitte (nachdem die Intervention bei Hanni eher schief gegangen ist). hätte in Zwölfaxing zum Kraftfahrer (C Führerschein) ausgebildet werden sollen. Hat die Grundausbildung in Mautern gemacht und ist jetzt nach Zwölfaxing verlegt worden in die Küche. Wäre es möglich ihn entweder in Zwölfaxing zum Kraftfahrer (bitte C Schein) zu verlegen oder nach Wien in eine Kraftfahrausbildung." Tschank stand Gewehr bei Fuß: "Na dann probiere ich es einmal, wenn es die Hanni nicht schafft-am besten setzt ein schriftliches Ansuchen um Versetzung auf, adressiert an das BMLV, in dem er genau beschreibt, wohin er möchte und was er dort machen will. Dieses Ansuchen soll er mir auf (Anm.:die Kanzlei-E-Mail-Adresse) schicken. Ich nehme dann Kontakt mit den Kabinett des Ministers und schau, dass dies prioritär behandelt wird!"

Am 7. Jänner 2019 teilte Tschank Neumann mit: "Habe das Anliegen an den Generalsekretär und dieser dem Kabinett weitergeleitet." Bereits am 18. Jänner 2019 kam die Vollzugsmeldung: "Sg Herr Neumann! Nach meinem Infostand hat es geklappt. wird ab Montag zur Garde versetzt und dort Kraftfahrer Ausbildung machen!"

Der Fuchs-Flüsterer

Doch vom privaten Nebennutzen zurück zum von der Staatsanwaltschaft vermuteten FPÖ-Novomatic-Deal: Der Glücksspielkonzern aus Gumpoldskirchen hat sämtliche Vorwürfe immer vehement zurückgewiesen-auch mit dem Argument, dass es für Novomatic gar keine realistische Perspektive für eine Online-Gaming-Lizenz gäbe. Neumann erklärte dazu im Vorjahr: "Eine weitere Online-Lizenz wäre legistisch derzeit gar nicht möglich, die einzige Lizenz haben bis 2027 die Casinos." Die Ermittler fanden auf dem Handy Neumanns allerdings eine Liste mit Zielen für die Jahre 2018 und 2019. Darin ist für 2018 auch der Eintrag "Österreich eine Kasinolizenz plus Online ..in Arbeit" zu finden. Für 2019 hieß es dann unter anderem "neuer Casag Vorstand .Peter Sidlo erledigt" und auch wieder "Online Lizenz".Das Thema war demnach sehr wohl aktuell. Die Staatsanwaltschaft hält jedenfalls nicht nur die Zahlungen an das ISP und die Vorstandsbestellung Sidlos für verdächtig. Sie ist diesbezüglich auch auf einen oberösterreichischen Steuerberater namens W. gestoßen, der über eine gewisse Nahebeziehung zu den Freiheitlichen verfügen dürfte.

Die Ermittler vermuten, dass W. von Novomatic darauf angesetzt wurde, den damaligen FPÖ-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs entsprechend zu beeinflussen und zu bestechen. Verbindungsmann zu W. war den vorliegenden Chat-Protokollen zufolge ein Novomatic-Manager, der sich diesbezüglich eng mit Neumann abstimmte. Am 26.7.2018 ergänzte der Novomatic-Manager einen früheren Chat mit Neumann: "P.S. habe gehört das Fuchs gerne zu Mittag isst. Vielleicht atmosphärisch gut, wenn Sie mit den beiden danach irgendwo essen gehen."Neumann meinte: "Ok;))",worauf der Manager seinen Chef ein weiteres inhaltliches Detail wissen ließ: "P.S.S habe im strengsten Vertrauen mit gebeten Argumente für eine zweite Onlinelizenz-auch aus Sicht CASAG aufzubereiten."Neumann fand das "Ok".Offenbar ging es darum, einen für 8. August 2018 angesetzten Termin zwischen Neumann, Fuchs und W. sorgsam vorzubereiten. Einige Tage vorher schrieb der Manager an Neumann: "Habe Ihnen gerade Mail zur Vorbereitung des Termins am 8.8. geschickt. Wenn dies für Sie ok, dann bekommt dies auch W., dass er schon flüstern kann."Für 12. November 2018 fanden die Ermittler im Kalender Neumanns einen Termin mit W. und Fuchs, wobei auch "PG" vermerkt ist. "PG" steht bei Novomatic intern üblicherweise für "Professor Graf",also den Gründer und Alleinaktionär des Glücksspielunternehmens Johann Graf.

Das "Flüstern" und seine sonstigen Bemühungen sollte W.-wie die Ermittler vermuten-entsprechend abgegolten werden. Chats zufolge gab es die Überlegung, einen Teil der Honorierung über einen Aufsichtsratsjob für W. bei einer Novomatic-Tochter durchzuführen. Neumann war allerdings dagegen: "Nicht Aufsichtsrat!!Ist zu nahe!".In weiterer Folge wurde an einem Konsulentenvertrag gearbeitet, der-einem Entwurf zufolge-W. insgesamt 281.750 Euro einbringen hätte können. In einer Durchsuchungsanordnung beschrieb die WKStA folgende Verdachtslage: "Bei all diesen Treffen ging es Graf und Mag. Neumann darum, über den Mittelsmann Mag. W. zuerst einen vertrauensvollen Kontakt zu MMag. DDr. Fuchs aufzubauen, um diesen für das einzig diesbezüglich relevante Ziel der Novomatic, nämlich die Unterstützung der geplanten Realisierung einer Online-und Casinolizenz für ihr Unternehmen, zu gewinnen. Dafür sollte mit einem Scheinvertrag und auf diesem basierenden Scheinrechnungen für tatsächlich nicht erbrachte steuerrechtliche Beratungsleistungen sowohl eine Honorierung der Tätigkeit des Mag. W. als auch des MMag. DDr. Fuchs erfolgen."


Den Ermittlern ist übrigens auch folgende Nachricht des Novomatic-Managers, der als Zwischenmann agierte, an Neumann vom 2. Februar 2019 ins Auge gestochen: "W. hat Angelegenheit mit F. auf der ICE geregelt". Einige Tage später fand die große Glücksspielmesse in London statt, auf der es-mehreren Aussagen zufolge-zu einem Vieraugengespräch zwischen Graf und Fuchs kam. Die Ermittler hegen den Verdacht, dass auf der Messe ein wichtiger Bestandteil des mutmaßlichen "FPÖ-Novomatic-Deals" akkordiert wurde. W. hat-wie alle anderen Betroffenen-sämtliche Vorwürfe bestritten.

Novomatic-Anwalt Peter Zöchbauer lässt auf profil -Anfrage wissen: "Wir kommentieren anhängige Verfahren grundsätzlich nicht. Meine Mandantin weist den Vorwurf gerichtlich strafbarer Handlungen mit Nachdruck zurück."

Neumann ist mittlerweile aus dem Novomatic-Vorstand ausgeschieden. Sein Anwalt Norbert Wess teilt mit, sein Mandant beabsichtige, inhaltliche Vorwürfe gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu entkräften, nachdem er die Möglichkeit zu einer vollständigen Akteneinsicht erhalten würde und nachdem "alle relevanten sichergestellten Unterlagen ausgewertet und zum Akt genommen" seien. Neumann habe "keinerlei Fehlverhalten, schon gar kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten, zu verantworten" und weise jegliche Vorwürfe entschieden zurück: "Keinesfalls fanden aber verbotene Interventionen, 'Anfütterungen' oder Ähnliches statt." Zahlreiche Unterlagen seien noch nicht einmal ausgewertet. Vorläufige Ermittlungsergebnisse könnten sich als "falsch, verkürzt, irreführend etc. herausstellen".

Fuchs teilte mit, dass er zum laufenden Ermittlungsverfahren keine Stellungnahme abgebe. "Ich habe mir persönlich in jedem Fall nichts vorzuwerfen . Von einem angeblichen 'Deal' der FPÖ mit der Novomatic hatte und habe ich keine Kenntnis."Der Besuch der ICE in London "samt aller dortigen Termine" sei ausschließlich durch das Casag-Vorstandsmitglied Bettina Glatz-Kremsner organisiert worden.

Was auch immer noch über diese London-Termine ans Tageslicht kommen wird-eines steht jetzt schon fest: Damals hätte sich wohl niemand träumen lassen, dass Novomatic ein Jahr und zahlreiche Enthüllungen später ebendort trotzig einen Teilrückzug aus Österreich verkünden würde.
 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).