Dort, wo die Stadt aufhört und die Autobahn beginnt, wo Outlets und Sexshops ineinander übergehen, verkauft Tesla in Wien seine Fahrzeuge. An einem Mittwochnachmittag Anfang April kommen vor allem Männer in die Filiale an der Triester Straße im Gewerbegebiet des 23. Wiener Gemeindebezirks. Sie kehren von Probefahrten zurück, warten, bis ihre Autos repariert sind, oder diskutieren die Vorzüge der unterschiedlichen Modelle. In einem der schwarzen Fauteuils sitzt ein älterer Mann und schaut auf sein Handy. Er trägt einen Cowboyhut und Westernstiefel mit USA-Flaggen. Schauen so Tesla-Käufer aus? Die neuen vielleicht schon.
Den alten reicht es nämlich. Tesla war immer schon ein politisches Auto, früher gefeiert von Technikbegeisterten und Klimaschützern. Doch Elon Musk hat durch seine Bromance mit US-Präsident Donald Trump, seine teils rechtsextremen politischen Aussagen und die Schimpftiraden auf die sogenannte Wokeness viele seiner Stammkunden verprellt. Im vergangenen Quartal fielen die Tesla-Auslieferungen weltweit um rund 13 Prozent. Die Aktie verlor im Vergleich zum Jahresbeginn rund ein Drittel ihres Werts. In den USA, Großbritannien und auch in Deutschland ergießt sich eine Protestwelle über Tesla. In Österreich ist die Reibefläche kleiner, aber auch hier steht Tesla vor den Trümmern seines Marktes: In den ersten drei Monaten 2025 hat sich die Zahl der Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast halbiert – von 2500 auf 1300. Der heimische Elektroautomarkt befindet sich aber ganz generell im Umbruch: Förderungen fallen weg, Versicherungskosten kommen dazu. Was ist los in der sonst sauber glänzenden Elektrowelt?
Niemand will mehr Tesla fahren
Im Tesla-Center in der Wiener Triester Straße stehen fünf Modelle, dazwischen der Stehtisch der beiden Verkäufer. Über Elon Musk, die Stimmung und die Verkaufszahlen reden? Können und wollen sie nicht, sagen die beiden. Wenn ich damit ein Problem hätte, sollte ich besser wieder gehen. „Kann ich Fragen zu Autos stellen?“ „Zu Autos gerne!“ Die Stimmung hellt sich auf. „Das hier ist das Model Y. Es wird häufig gekauft, ein echter Allrounder.“ Ein Mini-SUV mit einer realistischen Reichweite von 450 bis 500 Kilometern, Kaufpreis knapp über 50.000 Euro. Und der Rückwärtsgang wird über einen Wisch auf dem Bildschirm aktiviert. „Du kannst auch eine Probefahrt machen, zwei Kunden haben abgesagt.“
Keine zwei Minuten später sitzen wir in einem silbergrauen Wagen mit weißen Sitzen, bald schnurrt das Auto zwischen Einfamilienhäusern durch. Das Gefühl für Geschwindigkeit schwindet im großen Wagen, und die anfängliche Sorge, dass das Auto abrupt eingreifen könnte, zerstreut sich. Zur Einstimmung höre ich einen Podcast von zwei Deutschen, die diskutieren, warum Elon Musk doch kein Nazi ist.
„Du kannst auch eine Probefahrt machen, zwei Kunden haben abgesagt.“
Testfahrt im politischsten Auto der Welt
„Du kannst auch eine Probefahrt machen, zwei Kunden haben abgesagt.“
Rein finanziell betrachtet ließ die Trump-Unterstützung Elon Musks Vermögen enorm ansteigen. Nach der Wahl im November lag es bei schwer vorstellbaren 486 Milliarden Euro, inzwischen laut Bloomberg bei 326 Milliarden Dollar. Musk hält etwa 410 Millionen Tesla-Aktien, beim aktuellen Aktienkurs sind das 111 Milliarden Euro und damit mehr als ein Drittel seines Gesamtvermögens. Der Aktienkurs legte rund um die Wahl stark zu, stürzte aber in den vergangenen Monaten wieder klar ab – nichtsdestotrotz ist die Aktie um fast 60 Prozent mehr wert als noch vor einem Jahr. Ob sich die Nähe zu Trump für den reichsten Mann der Welt finanziell langfristig auszahlt, werden wir sehen. Die Amtszeit des US-Präsidenten geht noch fast vier Jahre.
Die Neuzulassungen brechen ein, der Aktienkurs sinkt.
Tesla auf Talfahrt
Die Neuzulassungen brechen ein, der Aktienkurs sinkt.
Cybertruck: „Der größte Flop der Autoindustrie"
In Österreich waren die Verkaufszahlen von Tesla in den ersten drei Monaten 2025 grottig. BMW, VW und der chinesische Elektro-Konkurrent BYD konnten im ersten Quartal erstmals Musks Modelle überholen, wie die Zulassungszahlen für E-Autos der Statistik Austria zeigen. Das ist ein harter Schlag für Tesla. Auf weitere Fragen zur aktuellen Lage reagierte die Pressestelle nicht. Vor allem BYD, das erst seit 2023 in Österreich am Markt ist, legte zuletzt stark zu. Nach der Veröffentlichung der jüngsten Zulassungszahlen der Statistik Austria folgte die Jubelaussendung: „BYD Österreich feiert Traumquartal.“ Im ungarischen Szeged baut der chinesische Autohersteller gerade eine riesige Fabrik, die im Herbst eröffnen soll. Damit entfallen für sie künftig die EU-Zölle auf E-Autos aus China.
Die Teslaflaute liegt nicht nur an Elon Musk und seiner politischen Radikalisierung. Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ etwa lässt kein gutes Haar an der Qualität seiner Autos und bezeichnete den Tesla Cybertruck diese Woche in einem vernichtenden Artikel als den „größten Flop der Autoindustrie seit Jahrzehnten“. Die Auslieferungszahlen sind niedrig, die Produktionskosten hoch, und das Produkt weist Qualitätsmängel auf. Tesla musste bereits zahlreiche Fahrzeuge zurückrufen. Auch auf Wiens Straßen steigt die Skepsis. Anfrage bei einem Taxifahrer, der gerade ein neues E-Auto für sein Unternehmen kauft, weil in der Stadt nur noch elektrische Taxis zugelassen werden. Er meint: „Ein Tesla sieht super aus. Wenn du viel Zeit darin verbringst, was bei uns der Fall ist, fällt dir schnell auf, dass nicht so viel dahintersteckt. Bei anderen Marken ist das anders. Wer will jetzt noch einen Tesla?“
„Wir erkennen das Problem Musk schon seit Jahren, viele aber erst, seit er auf offener Bühne einen Hitlergruß zeigte“
Caro Weber
über Elon Musk
„I bought this before Elon went crazy"
Mit einem Tesla sticht man im Straßenbild derzeit definitiv ins Auge. An einer der vielen Kreuzungen zwischen Autobahn, Gewerbebauten und Einfamilienhäusern schaut ein Mann neugierig auf den Testwagen. Er sei zwar eher „ein Verbrennertyp, doch das Auto ist schon toll“. An der nächsten Kreuzung zeigt mir ein Mann auf seinem Motorrad nur den Vogel, als ich ihn frage, was er von Tesla hält.
Anti-Tesla-Proteste sind in Österreich bislang ausgeblieben. Selbstkritische Teslafahrer kleben Sticker auf ihre Autos mit Sprüchen wie „I bought this before Elon went crazy.“ (Ich habe das gekauft, bevor Elon Musk verrückt wurde). In Deutschland sieht die Situation anders aus. Dort betreibt Tesla eine Gigafactory im Berliner Umland, wo die Initiative „Tesla den Hahn abdrehen“ seit Jahren gegen den Bau der Fabrik im Wasserschutzgebiet, den hohen Wasserverbrauch und verschiedene arbeitsrechtliche Vorfälle protestiert. „Wir erkennen das Problem Musk schon seit Jahren, viele aber erst, seit er auf offener Bühne einen Hitlergruß zeigte“, berichtet Caro Weber, eine Sprecherin der Initiative.
„Tesla den Hahn abdrehen“ habe sich jetzt zusammen mit anderen Gruppen dem internationalen „TeslaTakedown“-Protest angeschlossen. Die nächste Veranstaltung findet diesen Samstag statt. „Er hat nicht erst im Wahlkampf die AfD unterstützt, das geht schon viel länger so. Wir sind gegen die rechte Einflussnahme von Superreichen“, sagt Weber. Werden sie weitermachen, wenn Musk sich aus DOGE (dem Department of Government Efficiency), das die US-Regierung effizienter machen soll, wo Musk aber gerade einen Kahlschlag in der Verwaltung vornimmt, zurückzieht? „Auf jeden Fall. Wir sehen seine inoffizielle Beraterfunktion bei Trump und die Finanzierung von dessen Projekten weiterhin sehr kritisch.“
Seit Jahren formiert sich Widerstand in der Nähe des Teslawerks.
Proteste gegen Tesla in Deutschland
Seit Jahren formiert sich Widerstand in der Nähe des Teslawerks.
Tesla hat technischen Vorsprung verloren
Musks Fahrzeuge funktionierten lange als Statussymbol – „ich habe Geld und schütze die Umwelt“ – und haben die E-Mobilität in ihren Anfängen cooler und angesehener gemacht. Sie wurden auch gerne als Firmenwagen eingesetzt; jetzt denken einige Unternehmen um, der Tesla erscheint ihnen gerade eher rufschädigend. In Österreich gibt es zwar noch keine norwegischen Verhältnisse (wo fast 90 Prozent aller Neuzulassungen elektrisch fahren), aber deutliche Steigerungen bei den E-Autos: Mehr als die Hälfte der Neufahrzeuge hatten im ersten Quartal alternative Antriebe – ein Viertel mehr im Vergleich zum Vorjahr. „Ich gehe jedoch von einem Rückgang in den nächsten Monaten aus“, sagt Matthias Kunsch vom Beratungsunternehmen Deloitte.
Denn in Österreich ändert sich gerade einiges: Seit April müssen E-Auto-Besitzerinnen und -Besitzer die motorbezogene Versicherungssteuer zahlen, während die Förderungen für E-Autos bereits ausgeschöpft sind. Die motorbezogene Versicherungssteuer liegt je nach Modell und Leistung im Durchschnitt unter 500 Euro pro Jahr, rechnet der ÖAMTC. Derzeit ist der höhere Preis für viele Kunden das größte Hindernis bei E-Autos, zeigen Umfragen; neue Zusatzkosten helfen da wohl wenig. Tendenziell gehe die Preisentwicklung bei den Fahrzeugen aber nach unten: „Jetzt kommen konkurrenzfähige Autos auf den Markt und vor allem kostengünstigere Modelle unter 30.000 Euro“, sagt Kunsch von Deloitte.
„Diese Stop-and-Go-Politik bei den Förderungen wirkt sich negativ aus“, erklärt Katharina Rogenhofer vom Kontext-Institut für Klimafragen. Sie hätte sich gewünscht, dass die Regierung sich stattdessen klimaschädlichen Subventionen wie Pendlerpauschale und Dieselprivileg stärker annehmen würde. „Gerade werden Batterien ohne Seltene Erden getestet, das wäre ein großer Schritt. Aber da hilft es wenig, wenn das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene mit 2035 wieder wackelt.“
In Monat vier von Donald Trumps Amtszeit bekam die Bromance mit Elon Musk erste Risse. In der Vorwoche hieß es, Elon Musk werde sich aus DOGE zurückziehen. Im offiziellen deutschen Tesla-Podcast heißt es dazu: „Elon hat also tatsächlich noch Interesse und arbeitet auch weiter für Tesla. Wer das übrigens angezweifelt hat, na ja, der hat sich eben mit Tesla noch nicht so viel befasst.“ Auch bei den Zöllen war Musk nicht Trumps Meinung. Als großer amerikanischer Autoproduzent profitiert er davon am US-Markt, auf internationaler Ebene aber nicht.
Stadtauswärts schiebt sich der Abendverkehr auf der Triester Straße, stadteinwärts steige ich ein letztes Mal aufs Gas und biege mit dem Tesla wieder auf den Parkplatz ein. Jetzt wird es kurz kompliziert. Wie schalte ich dieses Auto aus? Ich löse den Gürtel, es piepst. Aufgeregtes Winken, der Verkäufer kommt und zeigt mir den Ausstiegsknopf auf der Tür. Am Tag danach kommt ein Anruf. War ich mit der Testfahrt zufrieden? Habe ich noch Fragen? Kann man sonst irgendwie behilflich sein? Besonders busy dürfte es im Autohaus in Wien-Liesing gerade nicht zugehen.