Dennoch, was vor Kurzem noch undenkbar war, ändert sich allmählich: Menschen, die in der einst erfolgsverwöhnten Industrie oder am Bau ihre Jobs verloren haben, wechselten zuletzt ins Gastgewerbe und in den Tourismus. Auch aus anderen Branchen wie dem Handel wechselten zuletzt immer öfter Arbeitskräfte.
Und das, obwohl die Branche bis vor Kurzem noch wegen der im Vergleich geringeren Bezahlung und der unregelmäßigen Arbeitszeiten als unattraktiv galt. Laut der Karriereplattform Stepstone beträgt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt für Servicemitarbeiter nicht ganz 30.000 Euro.
Hotel statt Werkshalle
Laut einer Sonderauswertung des Arbeitsmarktservice (AMS) für profil wechselten 1220 Jobsuchende aus dem Bereich „Herstellung von Waren“ – also der Industrie – ins Gastgewerbe. Aus dem Handel waren es fast 2500 Menschen, und sogar aus der Pflege gab es mehr als 1000 Übertritte in die Gast- und Freizeitwirtschaft. „Während der Coronapandemie haben wir erlebt, dass viele Beschäftigte vom Gastgewerbe in andere Branchen abgewandert sind“, sagt Anna Burton, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). „Jetzt ist die Branche aber recht stabil, und für den einen oder die andere gibt es dort recht gute Möglichkeiten, einen Job zu finden.“
Diese Zahlen sind dennoch mit Vorsicht zu deuten. Denn nur weil jemand das Unternehmen wechselt, bedeutet das nicht zwingend, auch den Beruf zu wechseln. „Das ist die normale Dynamik am Arbeitsmarkt. Meistens wechseln Menschen zwar die Branche nicht, jedoch den Beruf. So wechselt etwa ein Elektriker aus der Industrie in einen Tourismusbetrieb, arbeitet aber weiterhin als Elektriker“, erklärt Gregor Bitschnau, Sprecher des AMS, die aktuelle Dynamik am Arbeitsplatz.
Absoluter Nächtigungsrekord
Wer in der Vorweihnachtszeit durch die Stadtzentren wanderte oder zuletzt über die heimischen Pisten streifte, dem werden das Gedränge und die Schar an Touristen kaum entgangen sein. Mit 154 Millionen Nächtigungen markierte das Vorjahr einen absoluten Rekord. Damit machten mehr Menschen in Österreich Urlaub als im letzten Rekordjahr 2019. Der Zuwachs fußt vor allem auf Gästen aus dem Ausland.
Zum einen sind nach der Pandemie die Gäste aus China und Fernost wieder zurückgekehrt. Zum anderen hat sich die Österreich-Werbung zuletzt ganz aktiv um Wintergäste aus den USA bemüht. Skifahren ist dort teurer Luxus für die gut betuchte Oberschicht. Und genau diese wurde mit gezielten Angeboten aktiv angeworben. Denn auch mit Übersee-Flug, Hotel und Liftpass ist dieser Luxus hierzulande nicht ganz so teuer wie in den USA. Das Umwerben zahlt sich jedenfalls aus, denn Gäste aus den USA geben hier laut Austria Tourismus mit fast 350 Euro pro Tag doppelt so viel Geld aus wie der durchschnittliche Österreich-Urlauber. Was Österreich für US-Amerikaner und -Amerikanerinnen auch attraktiv macht, ist der schwächere Euro gegenüber dem US-Dollar.
Und noch eine kleine Trendwende gab es in den vergangenen Jahren. Osteuropäer kommen immer öfter als Gäste und immer seltener als Gastro-Saisonniers nach Österreich. „In den östlichen EU-Ländern ist der Wohlstand gestiegen, und das sehen wir jetzt in der Tourismus-Statistik“, meint Ökonomin Burton. Auch in Filzmoos hört man immer mehr Slowakisch, Tschechisch und Rumänisch auf den Skihütten.
Jännerloch adé
„Es ist ein sehr guter Winter. Und es gibt kein Jännerloch mehr, wir sind komplett ausgebucht“, sagt Herbert Rettenwender. Er betreibt ein Hotel und ein Café in Filzmoos in Salzburg.
Dieser Trend spiegelt sich auch ein Stück weit in der Liste der Mangelberufe wider. Das bedeutet, heimische Gastronomiebetriebe haben trotz der gestiegenen Arbeitslosigkeit noch immer Schwierigkeiten, Köchinnen und Kellner zu finden. Vor allem im Westen des Landes. Und das, obwohl die Arbeitslosenzahlen zuletzt deutlich gestiegen sind. „Trotzdem ist die Branche Tourismus immer eine, die Mitarbeiter:innen sucht. Im Jahr 2024 gab es im Schnitt 9395 offene Stellen im Tourismus“, sagt ein Sprecher des AMS dazu. Die Kontingente für Saisonfachkräfte sind jedenfalls ausgeschöpft.
Den Fachkräftemangel spürt auch der Filzmooser Hotelier Rettenwender. „Es ist kein Problem, weniger ausgebildete Hilfskräfte zu finden, zum Beispiel für die Reinigung. Aber bei höher Qualifizierten (Köche zum Beispiel, Anm.) wird es schwieriger“, sagt er.
Trügerische Buchungen
Die überaus gute Buchungslage ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist etwas weniger hell und hoffnungsvoll. „Wir sehen, dass die Profitabilität sinkt, weil die Kosten so stark gestiegen sind“, erzählt Martin Schaffer, Managing Partner bei mrp Hotels. Die Gewinne (vor Steuern) seien gegenüber 2019 vor allem im Mittelklasse- und im höheren Segment um zwei bis drei Prozent gesunken.
Wirklich gut geht es derzeit dem Low-Budget-Segment. Buchungen privater, günstiger Unterkünfte boomen. Und auch wenn Touristen wohl gern und öfter in Österreich Urlaub machen, sie geben hier nicht zwangsläufig mehr Geld aus. Statt eines Abendessens im Restaurant gibt es dann eben Selbstgekochtes im Apartment.
„Bei der Wertschöpfung sind die Effekte gedämpft“, erklärt Ökonomin Burton. „Ich würde nicht von großen Steigerungen beim BIP-Beitrag ausgehen.“ Die Beherbergung und Gastronomie tragen direkt gerade einmal vier Prozent zur heimischen Wirtschaftsleistung bei. Rechnet man andere Wirtschaftsbereiche mit ein, tragen der Tourismus und die Freizeitwirtschaft direkt und indirekt 15 Prozent zur Wertschöpfung bei. Weil etwa Bäcker nicht nur für Supermärkte, sondern auch für Gasthäuser Semmeln backen oder weil Baufirmen nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch Hotels und Apartments für Touristen bauen. Zum Vergleich: Der Industriesektor trägt direkt und indirekt fast ein Drittel zur heimischen Wertschöpfung bei.
So paradox das auf den ersten Blick auch scheint: Die Energiekrise, die damit einhergehende Inflation und die maue Wirtschaftslage haben die Konsumlaune und die Budgets der Bürgerinnen und Bürger deutlich geschmälert. Und so verzichten viele Menschen auf teure Urlaube im Ausland und geben ihr Geld lieber zu Hause aus. Das freut die Gast- und Freizeitwirtschaft, reicher wird das Land dadurch aber nicht.