Gutes Geld

Übergewinne: "Die Gewinne können leicht manipuliert werden"

Eine Übergewinnsteuer sollte daher am Anstieg des Börsenwerts bemessen werden, schlägt Ökonom Gabriel Zucman vor. Warum das einen Gedanken wert ist.

Drucken

Schriftgröße

Monatelang diskutiert, vor einer Woche beschlossen. Die EU-Energieministerinnen und -minister haben vergangene Woche dem Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt. Energieunternehmen sollen auf Profite des laufenden Jahres, die 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegen, eine Solidaritätsabgabe von 33 Prozent zahlen. Doch treten wir einen Schritt zurück: Hintergrund dieser Überlegungen ist, dass durch den russischen Angriff auf die Ukraine die Preise für Gas und andere Rohstoffe durch die Decke gingen. Einige Energiekonzerne haben durch den Krieg in der Ukraine sehr hohe Gewinne erzielt. Das sei Profit ohne Leistung, sagen die einen. Diese zu besteuern, entmutige Investoren, sagen die anderen.

Gabriel Zucman vertritt erstere Position. Er ist ein Schüler des französischen Starökonomen Thomas Piketty und hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen im Bereich Steueroasen und Fiskalpolitik gemacht. Er leitet die Europäische Steuerbeobachtungsstelle, eine von der EU finanzierte Forschungseinrichtung, in der auch diese Studie entstand. Doch was unterscheidet seinen Vorschlag von dem der EU-Kommission?

Der Vorschlag

Zucman und sein Team setzen bei ihrem Plan beim Börsenwert an. Denn: „Gewinne können leicht manipuliert werden, man kann sie schnell in Steuerparadiese verschieben“, sagt Studienmitarbeiter Bluebery Planterose. Laut einer vorangegangenen Studie Zucmans werden 36 Prozent der Gewinne, die von Unternehmen in anderen Ländern als ihrem Hauptsitz erwirtschaftet werden, in Steueroasen verlagert. Beim Börsenwert sei das aber nicht so einfach. „Den kann jeder in ein paar Sekunden herausfinden“, sagt Planterose. Dieser ergibt sich übrigens aus der Multiplikation des Aktienkurses mit der Anzahl der zum Handel zugelassenen Aktien jeder börsennotierten Firma. Insgesamt fuhren zwar nicht alle Energieunternehmen Übergewinne ein, wie der Gaskonzerns Uniper in Deutschland und der Fall Wien Energie zeigen. Beim Aktienindex Europe Stoxx 600, der die 600 größten europäischen Firmen abbildet, entsteht dennoch ein klares Bild: Der Börsenwert der Energieunternehmen stieg stärker als der anderer.

Zucmans Team rechnet bei einem Abgabesatz von 33 Prozent auf Unternehmen, die ihren Hauptsitz oder Umsatz in der Europäischen Union haben, mit rund 80 Milliarden Euro Einnahmen zwischen Jänner 2022 und September 2022. Das wären 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU und 180 Euro pro Person. Konkret sieht es folgendermaßen aus: Der Börsenwert der französischen Firma Total stieg seit Beginn des Jahres um 17,6 Milliarden Euro. Laut Zucmans Modell wären da 5,8 Milliarden Euro an Steuern fällig. Bei Nicht-EU-Konzernen würde der Anstieg des Börsenwerts je nach Umsatz in der EU besteuert werden. Die Studienautoren betonen, dass ihr Vorschlag auch zusätzlich zu dem EU-Vorschlag eingeführt werden könne. Als von der EU-Kommission gegründete Einrichtung bleiben sie in engem Austausch.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.