Österreichs Dilemma: Minensuchdrohnen 'Made in Austria' dürfen nicht in die Ukraine
Eine heimische Firma würde gern Drohnen zur Entminung an die Ukraine liefern. Das Neutralitätsgesetz steht dem im Weg. Österreich darf Millionen für die Entminung in der Ukraine ausgeben. Heimische Geräte liefern dürfen wir aber nicht.
Fast acht Jahre lang durchstreiften Drohnen „Made in Austria“ den Himmel über der Ost-Ukraine. Sie sollten im Rahmen der „Special Monitoring Mission“ (SSM) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die zuvor zwischen Russland und der Ukraine mühsam ausverhandelte Waffenruhe in der Ost-Ukraine überwachen. Diese war von Anfang brüchig und wurde mal von Kanonenschüssen, mal von anrollenden Panzern unterbrochen. Der erste Testflug des unbemannten Camcopter S-100 der Wiener Neustädter Firma Schiebel fand am 23. Oktober 2014 nahe der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol statt.
Aus der Luft sollten die unbemannten und unbewaffneten Schiebel-Drohnen Informationen über mögliche militärische Aktivitäten in den damals von russischen Separatisten umkämpften Gebieten für die OSZE sammeln. Der Einsatz wurde damals von der österreichischen Bundesregierung genehmigt, weil die Ukraine da offiziell nicht im Krieg war – zumindest noch nicht.
Der letzte Flug fand am 23. Februar 2022 statt. Einen Tag später war die Waffenruhe endgültig vorbei, das russische Militär marschierte mit Panzern und Soldaten in die Ukraine ein. Die OSZE brach die Überwachungsmission ab und evakuierte alle Mitarbeiter mitsamt den Drohnen. Seitdem herrscht dort Krieg.
Nun würde Schiebel gerne wieder Drohnen in die Ukraine schicken. Nicht zur Kriegsführung. Sondern um verminte Landstriche und Gewässer abzusuchen. Das heimische Neutralitätsgesetz verbietet aber grundsätzlich Exporte in Kriegsgebiete. Die Debatte keimte schon vor einem Jahr auf. Jetzt ist sie mit fortschreitender Kriegsdauer und vor dem Hintergrund, dass die Österreichische Bundesregierung sieben Millionen Euro für die Entminung in der Ukraine bereitstellt, wieder aktuell. Aber der Reihe nach.
Seit Kriegsbeginn sind ganze Landstriche in der Ukraine stark vermint. NGOs gingen im Vorjahr von einer Fläche von der doppelten Größe Österreichs aus. Die internationale Staatengemeinschaft und Organisationen wie Human Rights Watch machen Russland für das Ausstreuen der Land-, aber auch der Seeminen verantwortlich. Human Rights Watch hat aber auch die ukrainischen Streitkräfte im Vorjahr aufgefordert, den Einsatz von Anti-Personen-Minen zu überprüfen. Die Ukraine ist auf Jahre hin vermint. Die Weltbank schätzt die Kosten für die Entminung der betroffenen Gegenden auf 38 Milliarden US-Dollar. In der Landwirtschaft bedrohen die verminten Äcker nicht nur das Leben der Landwirte, sondern auch deren ökonomische Existenz, wenn die Felder unbewirtschaftet bleiben.
UKRAINE: ÖSTERREICHISCHE SCHIEBEL-DROHNEN NAHE MARIUPOL PRÄSENTIERT
Überwachungsmission
Ab 2014 waren heimische Drohnen im Rahmen der „Special Monitoring Mission“ (SSM) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die zuvor zwischen Russland und der Ukraine mühsam ausverhandelte Waffenruhe in der Ost-Ukraine überwachen. Am 23. Dezember 2022 fand der letzte Flug statt. Ein Tag später überfiel Russland die Ukraine.
Hinzu kommen Seeminen, die seit Kriegsbeginn im Schwarzen Meer treiben und eine Gefahr für Handelsschiffe, Fischer und Touristen an den Stränden sind. Und zwar auch für die Nachbarländer der Ukraine. Allein in Rumänien seien rumänischen Medien zufolge, die sich auf Zahlen der rumänischen Marine berufen, 94 frei treibende Seeminen neutralisiert worden. Vorfälle mit Treibminen gab es auch in bulgarischen und türkischen Hoheitsgewässern. Deshalb haben Rumänien, Bulgarien und die Türkei heuer eine gemeinsame Taskforce zur Neutralisation von Seeminen eingerichtet.
Drohnen für die Entminung
Zurück nach Österreich. An der Entminung in der Ukraine und im Schwarzen Meer möchten auch heimische Unternehmen verdienen. Letzten Endes geht es ums Geschäft. Und seit dem globalen Trend zum Aufrüsten blüht dieses weltweit. „Wir hatten zahlreiche Anfragen aus verschiedenen Ministerien in der Ukraine, diese sind aber dann versandet“, erklärt Schiebel-Geschäftsführer Hannes Hecher. Dass solche Anfragen „versanden“, liegt daran, dass es grundsätzlich verboten ist, kriegsführende Parteien zu beliefern, die an einem Konflikt beteiligt sind. Kurz erklärt: Österreichische Hersteller dürfen keine Waffen oder Dual-Use-Güter, die militärisch genutzt werden können, an kriegsführende Parteien verkaufen. Dazu zählen zum Beispiel Drohnen. Und die Ukraine gilt seit dem 24. Februar 2024 als Kriegsgebiet.
„Wir hatten zahlreiche Anfragen aus verschiedenen Ministerien in der Ukraine, diese sind aber dann versandet“, sagt Schiebel-Geschäftsführer Hannes Hecher.
Im konkreten Fall geht es nicht nur um Entminungsgeräte an Land, sondern ebenso um das Aufspüren von Land- und Seeminen aus der Luft mittels Drohnen. An den unbemannten Helikoptern werden zwei Kameras montiert – eine elektro-optische Tag-/ Nachtbildkamera und ein Laserscanner –, um Treibminen in Gewässern und Landminen relativ genau zu orten. Die Technologie stammt aus der Vermessungstechnik und Kartografie und wurde von einem anderen heimischen Unternehmen entwickelt – Riegl. Die 3D-Lasertechnologie wird in Österreich zum Beispiel bei der Vermessung und Überwachung von Hochspannungsleitungen eingesetzt oder bei der Vermessung von Wäldern.
Riegl ist seit 40 Jahren in der Lasertechnologie und Vermessung tätig und beschäftigt 240 Mitarbeiter in Österreich sowie 40 weitere im Ausland. Der Großteil der Kunden stammt aus dem Ausland. Geschäftspartner Schiebel beschäftigt 300 Mitarbeiter an zwei Standorten in Österreich. Es gibt Ableger der Firma in den Emiraten, in Australien und den USA.
Auf Drohnen montiert, kann man damit aber auch Minen aus der Luft lokalisieren. „Wir würden gern die Ukraine mit dieser Technologie beliefern“, sagt Hecher. Dass die Technologie in der Ukraine zum Einsatz kommt, ist aber sehr unwahrscheinlich. Drohnen gehören zur genehmigungspflichtigen Kategorie der sogenannten Dual-Use-Güter. Deren Export muss durch das Wirtschaftsministerium ganz grundsätzlich genehmigt werden. Entminungsgeräte an sich gelten nicht als Dual-Use-Güter, aber auch hier ist der Export, vor allem wenn er für Kriegsgebiete bestimmt ist, genehmigungspflichtig.
Liegt ein Antrag vor, wird dieser stets in Hinblick auf die Genehmigungskriterien der §§ 4–12 Außenwirtschaftsgesetz (AußWG) geprüft. Zu diesen gehört die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen, zu denen auch die Neutralität Österreichs zählt.
Wirtschaftsministerium
zu Anfragen für Minensuchgeräte und Dual-Use-Güter für die Ukraine.
Auf Nachfrage zur Thematik sagt ein Sprecher des zuständigen Wirtschaftsministeriums dazu: „Ob Minensuchgeräte darunterfallen, kann nicht generell gesagt werden: Hier kommt es im Wesentlichen auf die technischen Spezifikationen an. Liegt ein Antrag vor, wird dieser stets in Hinblick auf die Genehmigungskriterien der §§ 4–12 Außenwirtschaftsgesetz (AußWG) geprüft. Zu diesen gehört die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen, zu denen auch die Neutralität Österreichs zählt.“
Das gilt übrigens ebenso für den Weiterverkauf solcher Technologien. Theoretisch könnte zum Beispiel die rumänische Marine Geräte für die Minensuche im Meer suchen. Das rumänische Verteidigungsministerium dürfte diese aber nicht ohne Österreichs Zustimmung an die Ukraine weitergeben.
Vor allem 2022 gab es seitens der Ukraine nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den zuständigen Behörden zahlreiche Anfragen bezüglich möglicher Lieferungen – nicht nur für die Front, sondern auch für andere Güter, die etwa humanitären Zwecken dienen sollten. Mit Verweis auf Österreichs immerwährende Neutralität wurde aber nicht geliefert, wie profil aus involvierten Kreisen erfuhr. Seitdem fragt man kaum noch nach.
Sieben Millionen für Entminung
Wobei, dass sich Österreich nicht an der Entminung der Ukraine beteiligt, stimmt so nicht ganz. Die Bundesregierung hat insgesamt sieben Millionen Euro für das Aufspüren und Entschärfen von Minen in der Ukraine zugesichert. Im Vorjahr war ein entsprechendes Projekt mit der slowenischen Entminungsorganisation ITF im Umfang von zwei Millionen Euro geplant. Ein paar heimische Unternehmen hatten sich damals Hoffnungen auf entsprechende Aufträge gemacht. Aus dem Vorhaben wurde aber letzten Endes nichts.
Deshalb sollen jetzt vier Millionen Euro laut dem zuständigen Außenministerium für „das laufende Entminungsprojekt des Welternährungsprogramms (WFP) und der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO)“ fließen, erklärt eine Sprecherin. Weitere drei Millionen Euro an das „Internationale Komitee des Roten Kreuzes“ für die Unterstützung von Minenopfern in der Ukraine. Geld ist aber noch keines geflossen, „da der Vertragspartner die Voraussetzungen dafür noch nicht schaffen konnte“, sagt eine Ministeriumssprecherin. Die Auszahlung soll irgendwann im Sommer erfolgen. Also Geld für die Entminung: ja. Aber der Export eigener Geräte für die Minensuche vor Ort: nein.
Ausfuhren in Kriegsgebiete sind tatsächlich problematisch. Grundsätzlich zivile Technologien könnten auch für militärische Zwecke verwendet werden oder über Umwege beim Feind landen. 2022 geriet zum Beispiel der oberösterreichische Motorenhersteller Rotax in die Schlagzeilen, weil die Antriebstechnik bei russischen Kamikaze-Drohnen in der Ukraine gefunden wurde. Die Technologie war über Umwege zunächst in den Iran und dann nach Russland gelangt. Auch Schiebel geriet vor rund fünf Jahren unter Druck, als damals Drohnen, die eigentlich für die Kartografie und den Bergbau in Myanmar bestimmt waren, in die Hände des dortigen Militärs gerieten.
Auf direktem Weg von Wien nach Kiew werden so bald wohl keine Kriegsgüter gelangen. Auch solche nicht, die eigentlich die Folgen des Kriegs beseitigen sollen. Neutral heißt eben neutral gegenüber allen – auch den Angegriffenen.