Zweiter Anlauf: Vamed will Wiener Anton-Proksch-Institut verkaufen
Von Clara Peterlik
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800.000 Menschen in Österreich trinken zu viel Alkohol, 350.000 trinken problematisch viel, und 250 von ihnen sind derzeit im Wiener Anton-Proksch-Institut in Behandlung. Im beschaulichen Teil von Wien-Liesing, nahe der Stadtgrenze, befindet sich das Institut. Die Blätter sind schon rot und gelb gefärbt, die Herbstsonne scheint durch die großen Fenster. Nach einer langen Renovierung wurde das Haus im September neu eröffnet. Am Eingang steht groß der Sinnspruch „Eines Tages oder Tag eins. Das Morgen beginnt heute.“ Wie passend, das frisch eröffnete Institut soll nämlich verkauft werden.
Das Anton-Proksch-Institut ist zu 60 Prozent im Besitz des börsennotierten Gesundheitsdienstleisters Vamed und gehört zu 40 Prozent der Anton-Proksch-Stiftung, in der die Stadt Wien, die Arbeiterkammer, das Sozialministerium und die Gewerkschaft sitzen. Im Frühling wurde bekannt: Die Vamed will das Institut zusammen mit 20 weiteren österreichischen Reha-Einrichtungen an das französische Private-Equity-Unternehmen PAI verkaufen. Der deutsche SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnete diese Firma anlässlich ihres Einstiegs in deutsche Zahnarztpraxen als „Heuschrecke“.
Auch in Österreich war der Aufschrei groß, letztlich wurden nur 14 Standorte an PAI verkauft. Sieben nicht, darunter das Anton-Proksch-Institut. Nach dem Deal ist vor dem Deal. Die Vamed möchte nach wie vor verkaufen. Bei der Wiener Suchtklinik wird es jetzt ernst. Diese Woche langte der Notariatsakt für den Verkauf bei der Anton-Proksch-Stiftung ein. Was bedeutet das nun? Übernimmt es die öffentliche Hand? Oder ein privates Unternehmen?
Geschäftsführerin Anton-Proksch-Institut Gabriele Gottwald-Nathaniel
„Wir versuchen, dass Patienten ihre vorhanden Ressourcen und Fähigkeiten (wieder)entdecken und eine andere Antwort als das Suchtmittel finden“
Frisch renoviert, frisch verkauft?
Im Regal stehen eine rosa Katzenfigur, zwei Rosen und ein paar Schüsseln aus Ton, sie werden in Kürze gebrannt. Auch das ist Teil der Therapie hier. „Wir versuchen, dass Patienten ihre vorhanden Ressourcen und Fähigkeiten (wieder)entdecken und eine andere Antwort als das Suchtmittel finden“, erklärt Geschäftsführerin Gabriele Gottwald-Nathaniel. Das Institut bezeichnet sich selbst gerne als führende Suchtklinik Europas und ist in Österreich sehr anerkannt. Fast drei Viertel der Patienten kommen wegen Alkoholproblemen, aber auch Medikamenten-, Spiel-, Online-, Drogensucht werden hier behandelt. Sie bleiben sechs bis zwölf Wochen da.
Im letzten Jahr ging es Schlag auf Schlag: Die österreichische Vamed gehört mehrheitlich dem deutschen Gesundheitskonzern Fresenius – und da sie schon länger in wirtschaftlichen Problemen steckte, begann Fresenius mit dem Abverkauf. Der Verkauf der Rehazentren hätte schnell über die Bühne gehen sollen. Weder Vamed noch PAI hatten mit so viel Gegenwind gerechnet, heißt es aus Unternehmenskreisen. Für viel Ärger sorgten aber Aussagen, dass der französische Fonds die Standorte nur ein paar Jahre halten wolle und dann weiterverkaufen werde. Betriebsräte, Gewerkschaften und die SPÖ mobilisierten gegen den Verkauf. 14 Reha-Einrichtungen wurden mit 1. Oktober letztlich an den Fonds verkauft (eine Minderheitsbeteiligung von einem Drittel geht an Fresenius), sieben aber nicht. Viele davon haben komplizierte Eigentümerstrukturen, und die öffentliche Hand ist beteiligt. Wie etwa beim Anton-Proksch-Institut.
Notariatsakt da – zwei Optionen
Vamed möchte das Anton-Proksch-Institut aber weiterhin verkaufen. Diese Woche traf das Angebot zum Anteilsaufgriff bei der gleichnamigen Stiftung ein, wie sie bestätigt. Das heißt, sie könnte den Vamed-Anteil von Fresenius selbst übernehmen, bevor ein anderer Käufer zuschlagen kann. Eine Möglichkeit wäre, dass die Stiftung federführend durch die Stadt Wien die Einrichtung erwirbt, als Holding ausgliedert oder in den Wiener Gesundheitsverbund eingliedert.
Das ist derzeit sehr hypothetisch. SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker zeigt sich davon wenig begeistert. „Wir sollten nicht vergessen, dass der bisherige Besitzer ein börsennotierter Investor in Deutschland war, und somit wechselt der Besitz, von einem börsennotierten Unternehmen zu einem nicht börsennotierten Unternehmen in Frankreich“, sagte er im Wiener Gemeinderat auf eine Anfrage der Wiener Grünen. Er betont, es sei eine bürokratische, keine politische Entscheidung.
Betriebsrat Steer
„Ich hoffe, dass die politische Willensbildung abgeschlossen ist, damit das Anton-Proksch-Institut nicht einem internationalen Finanzhai kurzfristig in den Rachen geworfen wird.“
Das sehen nicht alle so. In der SPÖ würden sich einige ein stärkeres Engagement für die Gesundheitseinrichtungen wünschen, sie wollen sich aber nicht mit der Stadt Wien anlegen. Für Vamed-Betriebsrat Harald Steer ist klar: „Ich hoffe, dass die politische Willensbildung abgeschlossen ist, damit das Anton-Proksch-Institut nicht einem internationalen Finanzhai kurzfristig in den Rachen geworfen wird.“
Die zweite Option ist, dass die Vamed bereits einen konkreten externen Käufer hat. Solche Gerüchte machen derzeit die Runde. Der heimische Krankenhausbetreiber Vinzenz Gruppe sei interessiert. Offizielle Gespräche werden dort nicht bestätigt, aber dass „wir grundsätzlich offen für eine Zusammenarbeit sind“. Auch der Reha-Betreiber Klinikum Austria und der Baukonzern Porr werden genannt, heißt es im Umfeld. Offiziell bestätigt wird das allerdings nicht.
Doch warum ist eine Suchtklinik wirtschaftlich interessant?
Für einen Baukonzern etwa? Derzeit ist die Suchtklinik keine Cashcow. Im Vorjahr lag das Institut mit rund 840.000 Euro im Minus, zeigt der Jahresabschluss. Das lag vor allem am Umbau und einer niedrigen Auslastung. Der Tagsatz pro Patienten wird (zu einem großen Teil) von den Sozialversicherungen bezahlt. Daher ist es für die Suchtklinik wichtig, dass die Betten voll sind, damit sich der Betrieb finanzieren kann.
Ein möglicher Ansatzpunkt um diesen lukrativ zu machen, wären die Personalkosten. Man könnte teilweise niedriger qualifizierte Mitarbeiter einstellen – Hilfskräfte etwa. Das senkt die Personalkosten, erhöht den Arbeitsdruck auf die ausgebildeten Kräfte. Das kommt in Gesundheitseinrichtungen auch durchaus vor. Als gemeinnütziger Betrieb kann man Rücklagen bilden, Geld an andere (auch gewinnbringende) Unternehmen verleihen oder Aufträge auslagern. Nichts davon ist nicht verwerflich, die Sorge, dass am Patienten und seiner Betreuung gespart wird, aber nicht ganz von der Hand zu weisen.
Kapfenberg prüft
In der Steiermark ist gerade Wahlkampf, und mittendrin das neurologische Therapiezentrum Kapfenberg. Es wurde auch nicht an die PAI verkauft. Ähnlich wie die Wiener Suchtklinik ist diese Institution sehr spezialisiert, und der Stadt Kapfenberg gehört ein Teil. Das Zentrum ist finanziell gut aufgestellt, es wird nicht wie die anderen Rehaeinrichtungen über einen Tagessatz finanziert, sondern über Leistungsabrechnungen wie Akutspitäler. „Wir prüfen gerade die wirtschaftlichen Fakten und überlegen uns ernsthaft, von unserem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, wenn es so weit ist“, sagt Bürgermeister Matthias Bachernegg. Noch habe es kein Angebot von der Vamed gegeben.
Wie es mit der Kinder-Onkologie in St. Veith in Salzburg weitergeht, ist noch nicht klar. Auch vier Kliniken in Ober- und Niederösterreich wurden nicht verkauft. In den restlichen 14 Einrichtungen wird der Betrieb seit
1. Oktober unter dem neuen Mehrheitseigentümer PAI fortgeführt. Im Burgenland kündigte SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil an, dass er Verhandlungen aufnehmen wolle, um das Rehazentrum Bad Sauerbrunn und den Standort in Eisenstadt zurückzukaufen.
„Konzerne, die nur Profite machen wollen, bitte geht raus aus dem Gesundheitsbereich.“
„Sind mehr Krankenhaus geworden“
Zurück im Anton-Proksch-Institut. Seit Monaten wissen die Angestellten nun: So wie bisher wird es nicht weitergehen. Wer den Betrieb übernimmt, steht in den Sternen. „Das schafft viel Ungewissheit, die Personalsituation verschlechtert sich“, sagt eine Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. In den städtischen Krankenhäusern in Wien seien in den letzten Jahren die Gehälter ordentlich gestiegen, das mache einen Wechsel für viele attraktiver. Ein weiterer Mitarbeiter erzählt: „Wir waren früher viel mehr Reha und sind nun viel mehr Krankenhaus geworden.“ Die Patienten bleiben – auch aus finanziellen Gründen – länger in der Ambulanz und kommen in schlechterer Verfassung als früher auf die Stationen, das erschwere auch die Behandlung. Wen sich das Personal als neuen Eigentümer wünscht? „Konzerne, die nur Profite machen wollen, bitte geht raus aus dem Gesundheitsbereich.“
Clara Peterlik
ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.