Die Wachstums-Champions Österreichs
Die 150 wachstumsstärksten Unternehmen des Landes
Die ältere Generation ist ja ziemlich dumm. Das muss man leider so deutlich sagen. Fordert man ihre Vertreter zur Arbeit auf, bleiben sie stumm und untätig. Zerrt man sie hinter sich her, folgen sie zwar bereitwillig, doch kaum stoßen sie auf ein Hindernis, beginnen die Probleme. Im schlimmsten Fall kippen sie einfach zur Seite, und man muss sie mühselig wieder auf Spur bringen.
Klassische Staubsauger gehören eindeutig nicht zu den smartesten Objekten. Auch die meisten auf dem Markt befindlichen Saugroboter haben Defizite. Da gibt es verhaltensoriginelle, die stur gegen die Wand fahren. Oder solche, die ihre Maße falsch einschätzen und unterm Sofa stecken bleiben. Andere wiederum verirren sich auf dem Weg zur Ladestation. Saugrobotern mit einem Innenleben der Linzer Robart GmbH soll das nicht passieren. Denn sie sind lernfähig. Das oberösterreichische Unternehmen entwickelt künstliche Intelligenz und Navigationssysteme für Heimroboter. Vergangenen September stellte Robart bei der IFA in Berlin sein System erstmals in Europa vor. In den USA wird es vom Staubsaugerhersteller Hoover bereits eingesetzt.
Tendenz: stark steigend
Das Besondere an der Technologie: Das Gerät kann seine Umgebung kartografieren. Hat es einmal sein Revier erkundet, kann es sich darin orientieren. Wird der Staubsauger während des Betriebs in einen anderen Raum versetzt, findet er sich auch dort zurecht und nimmt seine Arbeit wieder auf. Er erkennt Hindernisse wie beispielsweise Stuhlbeine und weicht ihnen aus – auch dann, wenn sie jedes Mal woanders stehen. Per Smartphone kann man den elektronischen Helfer dirigieren. Die Technologie ist nicht nur auf Staubsauger beschränkt; in Zukunft sollen Heimroboter auch andere Aufgaben erfüllen. Dass es sich bei der Entwicklung der Linzer nicht nur um technologische Spielereien handelt, zeigt sich daran, dass sowohl der deutsche Bosch-Konzern als auch die französische SEB-Gruppe (mit Haushaltsmarken wie Rowenta, Moulinex, Krups und WMF) Anteile an Robart halten. Das große Interesse an dem System schlägt sich auch in den Umsätzen nieder. Tendenz: stark steigend.
Die von Harold Artés und Michael Schahpar gegründete Robart GmbH schaffte es nun an die Spitze einer in dieser Form einzigartigen Liste. Sie vereint 150 österreichische Unternehmen, denen eines gemeinsam ist: Sie wachsen – und zwar sehr viel flotter, als es das insgesamt eher mäßig erheiternde Wirtschaftswachstum der jüngeren Vergangenheit vermuten ließe. So konnte die Linzer Roboter-Softwareschmiede ihren Umsatz zwischen 2013 und 2016 um nicht weniger als 1429 Prozent auf zuletzt 3,14 Millionen Euro erhöhen; der Mitarbeiterstand wurde in der Zeit annähernd vervierfacht.
Unweit dahinter findet sich ein weiteres Linzer Unternehmen: die Kosmetikmanufaktur Bademeisterei, die ihrerseits drei Jahre brauchte, um die Erlöse um rund 1200 Prozent auf zuletzt 4,6 Millionen Euro zu schrauben. Der Personalstand wurde sogar verdreizehnfacht. Auf Rang drei steht der burgenländische Tierfutterhersteller Austria Pet Food, dessen Umsatz von 1,7 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 21,4 Millionen Euro im Jahr 2016 sprang – ein Plus von knapp mehr als 1100 Prozent. Am Standort Pöttelsdorf werden mittlerweile 70 Mitarbeiter beschäftigt (nach zuvor 24).
Was diese Liste, die wir ab Seite 38 vollständig abbilden, so einzigartig macht: Noch nie wurde Österreichs Wirtschaft auf diese Weise vermessen. Gängige Rankings stellen auf Parameter wie den Umsatz eines Jahres, den Mitarbeiterstand, das Anlagevermögen oder – so vorhanden – die Börsenkapitalisierung ab. Das bedingt, dass die vielbeschworenen Klein- und Mittelbetriebe des Landes selten bis nie in der Auslage stehen. Gerade weil Österreichs Unternehmenslandschaft nicht aus den OMVs, den Erste Banks, den voestalpines alleine besteht, war es höchste Zeit, eine andere Form der Reihung zu finden – nach der Umsatzentwicklung über einen Zeitraum von drei Jahren, und das ungeachtet der Betriebsgröße.
Die nun gesammelten und ausgewerteten Daten entstammen einem Gemeinschaftsprojekt von profil und dem international tätigen Informationsdienstleister Statista GmbH. Das renommierte Hamburger Unternehmen betreibt mit statista.com ein mittlerweile recht pralles Statistikportal, das Daten aus mehreren Tausend Quellen bündelt und visualisiert. Rund 450 teils hochspezialisierte Mitarbeiter halten die Datenreihen à jour. Statistas Kundenliste umfasst Unternehmen, öffentliche Institutionen und Agenturen, daneben wurden in den vergangenen Jahren Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen und Medien eingegangen – aus Deutschland etwa die Verlagsgruppe Handelsblatt, der Focus Magazin Verlag, „Spiegel online“ und die „FAZ“; aus Großbritannien die „Financial Times“, aus Frankreich „Les Echos“, aus der Schweiz „Bilanz“ und aus den USA „Forbes“. Aus Österreich reiht sich die Verlagsgruppe News ein, der profil angehört.
Zum Prozedere: Bereits im Frühjahr hatte Statista begonnen, aus den mehr als 300.000 österreichischen Unternehmen eine Shortlist mit 3000 für die Erhebung relevanten Namen zu erstellen, die in weiterer Folge auch direkt angeschrieben und zur Teilnahme eingeladen wurden. Formell lanciert wurde der Wettbewerb am 15. Juni dieses Jahres via profil, die Bewerbungsphase lief bis 31. August. Interessierte Unternehmen und Unternehmer bekamen die Möglichkeit, sich über profil.at kostenlos anzumelden (auch die Aufnahme in die Liste war und ist für die Genannten mit keinen wie immer gearteten Kosten verbunden). Um Eingang zu finden, mussten allerdings mehrere Kriterien erfüllt werden: a) Ein Umsatz 2013 von zumindest 100.000 Euro; b) ein Umsatz 2016 von zumindest einer Million Euro; c) Hauptsitz in Österreich; d) Eigenständigkeit (also keine Tochterunternehmen oder Zweigniederlassungen); und schließlich e) überwiegend organisches Wachstum. Soll heißen: Unternehmen, die nur durch Fusionen oder Zukäufe stark gewachsen waren, fanden keine Berücksichtigung – ebenso wenig Unternehmen, deren Geschäftsmodell primär aus dem Kauf von Firmenbeteiligungen besteht.
Mit Ende der Anmeldefrist begann die Prüfung der eingelangten Datensätze; zusätzlich bemühte Statista öffentlich zugängliche Quellen, um auch die Geschäftszahlen von rund 90 börsennotierten Unternehmen zu erfassen. Aus den gemeldeten und recherchierten Informationen erstellte Statista schließlich das Ranking der 150 wachstumsstärksten Unternehmen des Landes. Gewertet wurde nach der „compound annual growth rate“-Methode (CAGR), maßgeblich war also das durchschnittliche prozentuale Umsatzwachstum in drei Geschäftsjahren.
„Die Suche nach den österreichischen Wachstums-Champions war enorm aufwendig“, schildert Statista-Direktor Thomas Clark, ein Wiener, der unter anderem das internationale Geschäft des Informationsdienstleisters verantwortet. „Dessen ungeachtet ist die österreichische Datenqualität sehr gut, sowohl in Bezug auf öffentlich zugängliche Daten als auch auf proprietäre Informationen von Kreditschutzbüros und anderen privaten Anbietern. Dadurch konnten wir sehr viele Unternehmen identifizieren, die aus unserer Sicht infrage kamen.“
Werkschau der österreichischen Wirtschaftstreibenden
Die Liste ist eine Art Werkschau der österreichischen Wirtschaftstreibenden. Sie führt quer durch Branchen, Bundesländer und Betriebsgrößen – hippe Start-ups und traditionsreiche Konzerne, Dienstleister, Manufakturen, gewerbliche und industrielle Produzenten, High- und Low-Tech, digitale und analoge Geschäftsmodelle. Die steirische Tischlerei Radaschitz (Rang 109) auf Augenhöhe mit KTM Industries (Rang 121), einem der weltweit führenden Motorradhersteller; die Tiroler Bäckerei und Konditorei Mitterer (135) in Rufweite der international tätigen Gastronomie-Gruppe Do&Co (129); das zum erlauchten Kreis der NASA-Lieferanten zählende Wiener Softwarehaus TTTech (87) Seite an Seite mit dem niederösterreichischen Armaturengroßhändler Vinicky (86).
Ziel der Erhebung war es übrigens nicht, qualitative Aussagen zu treffen. Dafür wären Umsatzzahlen alleine bei Weitem nicht ausreichend. Es steht außer Zweifel, dass Erlöse, zumal über einen mehrjährigen Zeitraum, per se keine validen Aussagen über den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ermöglichen. Österreichs Pleiten-, Pech- und Pannenstatistik ist voll mit Firmen, die in kurzer Zeit stark gewachsen waren, ehe ihnen das Geld ausging – siehe Alpine Bau, siehe Libro, siehe Hypo Alpe-Adria, siehe Maculan Bau, siehe A-Tec. Mal war kriminelle Energie im Spiel, mal waren es Managementfehler, mal unzulängliche Strukturen, bisweilen auch ein bisschen von allem. Was hilft das stärkste Umsatzwachstum, wenn dieses mit Verlusten erkauft wurde, die dann mit Schulden ausgeglichen werden müssen?
Das Ranking muss diese Antwort schuldig bleiben. Es könnte also gut sein, dass der eine oder andere „Wachstums-Champion 2018“ den nächsten Bilanzstichtag nicht erlebt (was wir natürlich niemandem wünschen). Aber der Faktor Scheitern lässt sich nun einmal nicht aus dem Abenteuer Wirtschaft herausrechnen. profil und Statista wollen das Projekt über das Jahr 2018 hinaus fortsetzen – mit dem Einlangen neuer Daten wird sich auch zeigen, wie nachhaltig das Umsatzwachstum der Gereihten war. Jedenfalls erhebt die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Der Blick auf die Datenreihen zeigt vor allem zweierlei. Erstens: Am schnellsten wachsen kleine und mittelständische Unternehmen, die obendrein sehr jung sind. Zweitens: Die IT-Branche im allerweitesten Sinne stellt die mit Abstand meisten Gewinner – ein untrügliches Zeichen dafür, dass auch im digital vermeintlich verschnarchten Österreich einiges in Bewegung geraten ist. Dass kleinere Unternehmen (relativ) dynamischer wachsen als große, sollte indes nicht überraschen. Den Umsatz von einer Million Euro auf zwei Millionen zu erhöhen, ist natürlich nicht annähernd so schwierig wie von einer Milliarde Euro auf zwei – wenngleich die Differenz da wie dort 100 Prozent betrüge.
Die nun vorliegenden nationalen Resultate decken sich mit den Ergebnissen einer europaweiten Statista-Analyse, welche die „Financial Times“ im heurigen Frühjahr veröffentlichte. Unter den 1000 am schnellsten wachsenden Unternehmen Europas im Zeitraum 2012 bis 2015 (ohne Österreich) fanden sich zum überwiegenden Teil solche mit einem Jahresumsatz von deutlich unter 100 Millionen Euro, deren Gründung ins 21. Jahrhundert fällt. Und auch hier war die IT-Branche überproportional gut vertreten. „Dass IT- und E-Commerce-Unternehmen in der österreichischen Liste stark vertreten sind, ist nicht überraschend. Das ist auch in anderen Ländern so“, erklärt Statista-Analyst Michael Bausch. „Außergewöhnlich ist aber, dass in Österreich das verarbeitende und produzierende Gewerbe so stark vertreten ist. Zudem finde ich es beeindruckend, wie viele herausstechende Aktivitäten die Wachstums-Champions made in Austria abbilden – von Badezusätzen und Edeltiernahrung über Leichtbauteile für die Luftfahrt bis hin zu Airbag-Systemen für den Sport- und Stuntbereich.“
Was noch auffällt: Dort, wo das Geld zu Hause ist, scheint das Wachstum an seine Grenzen gestoßen zu sein. Im Ranking findet sich kein einziges Unternehmen aus der Finanzwirtschaft – jedenfalls nicht im engeren Sinne. Die auf Rang 24 platzierte Online-Trading-Plattform wikifolio Financial Technologies AG zählt sich selbst zu den IT-Dienstleistern, Stichwort „Fin-Techs“.
Dass nicht nur kluge Technologien, sondern auch ungewöhnliche Geschäftsmodelle Unternehmen zum Wachsen bringen, zeigt das Beispiel der Greenstorm mobility GmbH (vormals Littlegreentoe). Das Unternehmen kauft in großen Mengen E-Bikes und stellt sie Hotels kostenlos zur Verfügung. Im Gegenzug erhält Greenstorm mobility Hotelgutscheine für auslastungsschwache Zeiten, welche es mit bis zu 60 Prozent Rabatt online weiterverkauft. Nach einer Saison werden die gebrauchten Elektrofahrräder zurückgeholt, gewartet und mit zwei Jahren Garantie an Privat- und Firmenkunden verkauft. Nach eigenen Angaben wurde Greenstorm mobility so zum größten Gebrauchthändler für E-Bikes in Europa und hat mittlerweile auch Elektroautos im Sortiment. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 100 Prozent in drei Jahren schaffte es das Tiroler Unternehmen auf Rang vier.
Im Bundesländervergleich zeigt sich jedoch, dass die wachstumsfreudigsten Betriebe in Oberösterreich zu Hause sind. Knapp jedes vierte der gelisteten Unternehmen stammt aus dem Land ob der Enns.
Und wie hätten sich Österreichs Unternehmen im internationalen Vergleich geschlagen? Solides oberes Mittelfeld. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von durchschnittlich 148 Prozent, gerechnet auf drei Jahre, hätte die Linzer Robart GmbH im „FT“-Ranking Rang 52 erreicht, die zehntplatzierte niederösterreichische getBEST Personalservice GmbH wäre für Rang 310 gut gewesen. „Österreich hat zwar derzeit keinen Wachstums-Superstar, der internationale Schlagzeilen bringt, aber dafür ist die Dichte an Unternehmen mit beeindruckender Umsatzentwicklung enorm hoch. Respekt!“, resümiert Statista-Direktor Thomas Clark. Das kann man so stehen lassen.
Die Teilnahme am Wettbewerb war für die Unternehmen kostenlos, die Aufnahme in die Liste ebenso. Die Gereihten haben optional die Möglichkeit, das eigens geschaffene "Wachstums-Champion"-Siegel gegen Entrichtung einer Lizenzgebühr zu erwerben und zu nutzen. Am 26. Februar 2018 werden die Ergebnisse des Wettbewerbs im Rahmen einer "profil Portfolio"-Strecke noch einmal vertieft.