Bis vor wenigen Jahren war eine Heizung noch ein harmloses Gerät, dessen Daseinszweck sich darin erschöpfte, möglichst gut und günstig einzuheizen. Doch dann wurde sie zum Politikum. Durch den Angriff auf die Ukraine schnellten die Energiepreise nach oben, Gas wurde zum Druckmittel. Gleichzeitig versuchten Politikerinnen und Politiker, den Ausstieg aus fossilen Heizungen für die Klimawende voranzutreiben. In Deutschland eskalierte die Debatte um das dortige „Heizungsgesetz“, die „Bild“-Zeitung stilisierte den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck zur bevormundenden Hassfigur. In Österreich diskutierte die ehemalige Bundesregierung lange, man einigte sich auf großzügige Förderungen für den Umstieg. Doch jetzt sind die Mittel erschöpft, das Budget auch. Und es bleibt unklar, wie es weitergeht, während noch immer über eine Million Haushalte im Land mit Öl oder Gas heizen.
In einer kleinen Gemeinde am Ende des Hallstätter Sees wirken diese hitzigen Debatten fern, ja fast schon weltfremd. Die Traun fließt durch das enge Tal, auf den Bergwänden links und rechts des Dorfs glänzt der Schnee. In Obertraun reihen sich unzählige Wärmepumpen entlang der Hausmauern aneinander, an Neubauten genauso wie an jahrhundertealten Gemäuern. Auch das Gemeindegebäude hat umgestellt, ebenso die evangelische Kirche, das Einsatzzentrum der Feuerwehr und der Bergrettung sowie der Kindergarten. „Fast die Hälfte der Haushalte heizt mittlerweile mit Wärmepumpen“, erzählt der örtliche Installateur Johannes Platzl. Und das ohne große ideologische Diskussionen, sondern einfach, weil es sich für die Bewohner auszahlt.
Etwas Tourismus aus der berühmten Nachbargemeinde Hallstatt schwappt ab und zu über, sonst ist es ziemlich ruhig hier im Ort. Zweithausbesitzer sind – anders als sonstwo im Salzkammergut – rar. „Der Winter ist lang hier. Wir haben uns immer schon mit dem Heizen beschäftigt und uns etwas einfallen lassen müssen“, erzählt Platzl. Der 39-Jährige installierte allein im vergangenen Jahr gemeinsam mit seinem Bruder und zwei Mitarbeitern 30 bis 40 Luft- und Wasser-Wärmepumpen zwischen Obertraun und Bad Ischl.
Auf dem Weg durch den Ort fällt Platzl bei fast jedem Haus etwas zum Heizsystem ein: Wann, wie und unter welchen Bedingungen wurde umgerüstet? Auch bei Gebäuden, die über 100 Jahre alt sind. Bei manchen ist die Wärmepumpe sogar Teil der Fassade. Bei einem relativ neuen Einfamilienhaus kostet die Luft-Wärmepumpe plus Einbau rund 30.000 Euro. Im Vorjahr wurden hier bei einem Tausch gegen eine Öl- oder Gasheizung bis zu 75 Prozent der Kosten durch Bundes- und Landesförderungen übernommen, bei Menschen mit geringem Einkommen sogar 100 Prozent. Oft heißt es, ohne eine entsprechende Dämmung sei eine Wärmepumpe ineffizient. „Natürlich gibt es Häuser, bei denen ich rate, über eine andere Option nachzudenken, aber bei ziemlich vielen lässt sich eine gute Lösung finden.“ Viele im Ort heizen auch mit Holz, nur mehr wenige haben einen Ölkessel im Keller.
Auch für alte Häuser findet Platzl gangbare Lösungen - Luft- oder Wasserwärmepumpen.
Wärmepumpe in Obertraun
Auch für alte Häuser findet Platztl gangbare Lösungen.
„Sehen, wie der Gletscher zurückgeht“
Auf dem Einsatzzentrum der Bergrettung prangt das Obertrauner Wappen mit Bergspitzen, Bär und Wasser, drinnen heizt eine Wärmepumpe. Der Installateur Platzl, der selbst hier aktiv ist, überprüft den Verbrauch. Die Basis ist recht einfach, es geht darum, wie viel Wärme aus einer Kilowattstunde Strom entsteht. „Wir stehen jetzt bei sieben Kilowattstunden. Das schaut gut aus.“
Der Installateur ist kein Klimaschützer der ersten Stunde, kein Bioverfechter oder jemand, der sich für das Klima ankleben würde, sondern vor allem ein Techniker, der gerne tüftelt. Aber: „Wir sehen hier vor der Haustür, wie der Gletscher am Dachstein zurückgeht. Dass ich das allein nicht ändern kann, ist mir klar, aber zumindest etwas kann ich tun.“
Die Gebäudewärme macht insgesamt rund zehn Prozent der heimischen CO2-Emissionen aus. „Der Wärmemarkt wird unterschätzt, wir verbrauchen 50 Prozent unserer Energie als Wärme, aber die meisten denken bei Energiewende nur an Strom“, sagt Johannes Schmidl vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ). „Wir müssten in Österreich jährlich 80.000 Ölkessel und Gasthermen wechseln, damit wir 2040 klimaneutral werden. In den Jahren 2022 und vermutlich 2024 haben wir das geschafft.“
Platzl baute bei einem alten Hallstätter Haus eine Wärmepumpe ein - und kaschierte sie als Teil der Fassade.
Wo ist die Wärmepumpe?
Platzl baute bei einem alten Hallstätter Haus eine Wärmepumpe ein - und kaschierte sie als Teil der Fassade.
Im Vorjahr wurde als Anreiz ein großer Brocken der Umstiegskosten von der öffentlichen Hand übernommen. Das war Teil des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes der türkis-grünen Regierung. Monatelang war ein Kompromiss ausgearbeitet worden, der auch einen verpflichtenden Tausch von Öl- und Gasheizungen bis spätestens 2040 beinhaltete. Klimaministerin Leonore Gewessler wäre gerne noch weiter gegangen. Dem ÖVP-Wirtschaftsbund war das Gesetz aber ein Dorn im Auge, kurz vor dem Beschluss mobilisierten der Fachverband Gas und Wärme und Teile der ÖVP gegen das Gesetz. Schließlich wurde eine abgespeckte Version beschlossen – man einigte sich auf einen typisch türkis-grünen Kompromiss: Anreize zum Umstieg, aber keine Verbote.
Ende des Vorjahres waren die Töpfe dann leer. Insgesamt wurden in den letzten beiden Jahren 224.000 Vorhaben für den Energieumstieg registriert, 129.000 Projekte wurden bereits umgesetzt, heißt es vom Ministerium. Mit den Förderungen stiegen allerdings auch die Preise. Laut dem ORF-Magazin „ECO“ wurden Wärmepumpen seit 2020 um zwei Drittel teurer. Die Nachfrage bestimmt eben den Preis.
Auch in Obertraun spürte Platzl den durch die Förderungen ausgelösten Pumpenboom. „Ich persönlich finde, es war im Vorjahr ein bisschen zu hoch. Die Leute kriegen das Gefühl, das ist politisch gewollt. Das widerstrebt manchen. Sinnvoller wäre es, man hätte den Strompreis stärker gedeckelt. Dann hätte es nicht so hohe Förderungen gebraucht, zumindest nicht für alle.“ Er hatte sich selbst im Jahr 2022 per E-Mail an die Regierung gewandt. „Die Leute, die frisch umgestiegen waren, kamen damals zu mir und waren verzweifelt. Wir sparen im Ort Tausende Liter Heizöl durch die Wärmepumpen, aber die Stromkosten waren ein Wahnsinn.“
Seine Wärmepumpe ist mit der Photovoltaikanlage im Zaun verbunden.
Johannes Platzl mit seiner Luftwärmepumpe
Seine Wärmepumpe ist mit der Photovoltaikanlage im Zaun verbunden.
Erfolgreiche Notlösungen im Alpental
Die Sonne kommt zwischen den Wolken hervor, Platzl fährt am Haus seines Mitarbeiters vorbei – auch hier steht eine Wärmepumpe. Hinter den Häusern liegt ruhig der See, auf der anderen Seite die berühmten farbenfrohen Häuser Hallstatts. Warum funktioniert die Umstellung gerade in Obertraun so schnell? Aus der Not. Die Gasleitungen reichen nur bis zum Beginn des Hallstätter Sees, aber nicht bis nach Hallstatt und Obertraun. In den engen Gassen Hallstatts wird es für den Öllaster schwierig. Daher waren Alternativen hier schon lange vor Fridays For Future und dem Krieg in der Ukraine ein Thema. „Das ist überraschend, aber die Wärmepumpe wurde sogar im Salzkammergut erfunden, in Ebensee vor über 150 Jahren. Die Saline hatte einen enormen Energiebedarf, und da brauchte es eine Lösung.“
Bereits in den 1970er-Jahren begann ein lokaler Installateur, Klimaanlagen aus Amerika umzubauen und hier zu verkaufen. Der Ingenieur Karl Wirobal experimentierte in Hallstatt mit Wasserwärmepumpen, der Installateur Stefan Eggenreiter, bei dem Platzl früher arbeitete, widmete sich frühzeitig den Luftwärmepumpen. „Der Fortschritt verlief anfänglich schleppend“, erzählt Wirobal heute. Das neue Verfahren galt als unlogisch. „Wie kann es möglich sein, mit kaltem Wasser oder kalter Luft zu heizen, fragten viele.“ Das hat sich mittlerweile geändert.
„Sie wollen auch umsteigen. Das Angebot liegt vor, sie denken nach."
Johannes Platzl
über ein Haus mit Ölkessel
Skandinavische Werte in Obertraun
Auch die heimischen Anbieter haben sich mittlerweile weiterentwickelt. „Wir können hier von einer österreichischen Technologieexzellenz sprechen, einem Silicon-Valley-Effekt. Und die Waren werden weltweit exportiert“, sagt Johannes Schmidl vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich. In Skandinavien ist die Wärmewende dennoch schon um einiges weiter. In Norwegen haben laut European Heat Pump Association 63 Prozent aller Haushalte eine Wärmepumpe, gut die Hälfte sind es in Finnland, und in Schweden heizen 44 Prozent mit einer Wärmepumpe. Das Ergebnis: Seit dem Jahr 1990 sind die Treibhausgasemissionen beim Heizen in Schweden um mehr als 90 Prozent gefallen. Österreich liegt laut dieser Studie bei lediglich elf Prozent Wärmepumpen. Die kleine Salzkammergutgemeinde Obertraun käme mit ihren gut 50 Prozent Wärmepumpen an die skandinavischen Werte heran.
Zurück vor Platzls Haus. Links an der Außenwand steht die Wärmepumpe, verbunden mit der Photovoltaik-Anlage, die im Zaun integriert ist. Dazwischen drehen ein paar Goldfische in einem kleinen Teich ihre Runden. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht gerade ein Öllaster. Der Schlauch führt durch den Garten. Das hat in dem Ort fast schon Seltenheitswert. „Sie wollen auch umsteigen. Das Angebot liegt vor, sie denken nach“, erzählt Platzl.