Im Vergleich zur Photovoltaikanlage auf dem Dach ist der Wechselrichter ein sehr unscheinbares Teil. Meist nicht einmal halb so groß wie eine Gastherme, steckt darin aber so ziemlich alles, was eine PV-Anlage benötigt, um zu funktionieren. Er wandelt nicht nur Gleichstrom in Wechselstrom um, sondern überwacht sowohl die eigene Anlage als auch die Verbindung zum öffentlichen Stromnetz, trennt die beiden im Falle eines Stromausfalls voneinander und optimiert die Erzeugung je nach Sonneneinstrahlung. Der Wechselrichter ist nichts weniger als das Gehirn einer Photovoltaikanlage.
Das oberösterreichische Unternehmen Fronius erzeugt solch intelligente Komponenten. In den vergangenen Jahren fast rund um die Uhr in drei Schichten. Doch damit ist jetzt Schluss. Fronius hat auf zwei Schichten reduziert, und zu den 350 im Juni ausgesprochenen Kündigungen kamen weitere 650 im Juli. Dabei wurde in den vergangenen beiden Jahren noch kräftig investiert. 420 Millionen Euro gingen in den Ausbau der Fertigung an den Standorten Sattledt und Krumau in Tschechien, rund 2000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden eingestellt. Von insgesamt tausend Beschäftigten trennt man sich nun wieder.
2022 und 2023 hat der Technologiekonzern aus Oberösterreich noch rund 420 Mio. Euro in den Ausbau der Fertigungslinien an den Standorten Sattledt und Krumau investiert und 2.000 neue Mitarbeiter eingestellt. Insgesamt tausend Beschäftigte müssen nun wieder gehen.
Fronius ist mit seinen ökonomischen Turbulenzen kein Einzelfall. Dabei hatte bei den PV-Unternehmen gerade noch Goldgräberstimmung geherrscht. Jetzt aber ist Katzenjammer angesagt. Viele Betriebe in der Branche straucheln. Während die einen Mitarbeiter abbauen, müssen andere sogar Insolvenz anmelden. Und das, obwohl immer mehr Menschen Solarstrom auf ihren Dächern produzieren. Wie konnte es so weit kommen? Eine Fehlersuche zwischen betrieblichem Missmanagement, undurchdachter Wirtschaftspolitik und der Machtlosigkeit gegenüber weltpolitischen Ereignissen.
Eigentlich ist die Photovoltaik eine echte Krisengewinnerin: Zuerst war es die Pandemie, welche die Österreicherinnen und Österreicher, denen es an Gelegenheiten mangelte, Geld auszugeben, motivierte, in ihr persönliches Sonnenkraftwerk zu investieren. Dann kam der Ukrainekrieg. Die Sorge vor einer ausfallenden Energieversorgung und exorbitant in die Höhe schießenden Energiepreisen lösten einen wahren Sturm auf PV-Anlagen aus.
Die einschlägigen Zahlen sprechen eine eindrückliche Sprache: Laut dem jährlich vom Klimaschutzministerium veröffentlichten Marktbericht für „Innovative Energietechnologien in Österreich“ erwirtschafteten die österreichischen PV-Planer und -Errichter im Jahr 2020 einen Gesamtumsatz von 513 Millionen Euro. Ein Jahr später hatte er sich bereits verdoppelt. Und 2023 stiegen die von der Branche erwirtschaften Umsatzerlöse auf 4,34 Milliarden Euro. Ein solches Wachstum macht den Sonnenunternehmern so schnell niemand nach.
Nach dem Höhenflug kam die Pleite
Einer, der Teil dieser Rally war, ist Markus König. Der Niederösterreicher erlebte die Achterbahnfahrt der vergangenen Jahre hautnah mit. So stieg in seiner Suntastic Solar Handels GmbH der Umsatz von 16 Millionen Euro im Jahr 2020 auf zuletzt 125 Millionen . „Da konnten wir ernten, was wir in jahrelanger Aufbauarbeit gesät hatten“, so der Gründer des Großhandelsunternehmens für PV-Module, Wechselrichter und Stromspeicher mit Sitz in Bisamberg bei Wien.
Doch die Freude währte nicht allzu lange: Ende Mai dieses Jahres musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Mit 26 Millionen Euro Verbindlichkeiten steht die Suntastic Solar Handels GmbH bei über 300 Gläubigern in der Kreide. Auch über die übergeordnete Suntastic Solar Holding wurde am Landesgericht Korneuburg ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Dort betragen die Passiva rund 13 Millionen Euro. In Summe sind 125 Mitarbeiter betroffen.
Der Umsatz von Markus Königs Suntastic Solar Handels GmbH ist von 16 Millionen Euro im Jahr 2020 auf zuletzt 125 Mio. gestiegen. Als nach der Lieferkettenkrise aufgrund des blockierten Suezkanals und des Ukrainekrieges der Markt eingebrochen ist, ging der Suntastic-Gruppe das Geld aus.
„Die Lieferkettenkrise aufgrund des blockierten Suezkanals und des Ukrainekrieges – das war alles zu meistern“, sagt König. Zum Verhängnis geworden sei seiner Suntastic-Gruppe der Einbruch des Marktes ab dem Sommer 2023. „Uns ist schlichtweg das Geld ausgegangen“, erklärt König. „Um die Krise durchzutauchen, haben uns die finanziellen Ressourcen gefehlt. Dafür waren wir noch zu jung“, so der Unternehmensgründer.
Aufgrund der hohen Nachfrage nach PV-Anlagen erhöhten die Hersteller ihre Kapazitäten. Und nach den Erfahrungen mit den gestörten Lieferketten stockten viele Unternehmen ihre Lager enorm auf, um diese Nachfrage bedienen zu können. Das Überangebot am globalen Markt führt zu einer hohen Wettbewerbsintensität und einem enormen Preisdruck: „Wir haben das Problem, dass etwa asiatische Modulhersteller ihr Produkte jetzt sehr günstig anbieten“, sagt Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria. „Das heißt, alle Unternehmen, die im vergangenen Jahr vergleichsweise teure Module eingekauft haben, müssen diese jetzt relativ günstig verkaufen. Und diese Lagerentwertung hat zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei den Unternehmen geführt.
„Es sind sehr viele Branchenfremde in das Geschäft eingestiegen. Allein die Zahl der Importeure hat sich verdreifacht. Auch große Baufirmen wurden plötzlich zu großen Playern.”
Markus König, Suntastic-Gruppe
über heimische Konkurrenz branchenfremder Unternehmen
Man habe mit einem Preisverfall bei den Modulen von über 70 Prozent zu kämpfen gehabt, ergänzt Suntastic-Gründer König. Was den Unternehmen schwer zu schaffen macht, ist für die Konsumenten eine gute Nachricht. So günstig waren PV-Anlagen schon lange nicht mehr.
Doch nicht nur das Überangebot am Weltmarkt macht der PV-Branche zu schaffen, auch die Wettbewerbssituation in der Heimat geriet immer mehr zur Herausforderung. Die enorme Boomphase der vergangenen Jahre habe auch jede Menge Glücksritter angelockt, die das große Geschäft gewittert hätten: „Es sind sehr viele Branchenfremde in das Geschäft eingestiegen. Allein die Zahl der Importeure hat sich verdreifacht. Auch große Baufirmen wurden plötzlich zu großen Playern“, sagt König.
Sei es in Niederösterreich, in Oberösterreich, in Kärnten oder Vorarlberg: In den vergangenen Monaten häuften sich die Meldungen über Insolvenzen bei den Sonnenunternehmern. Wie viele Unternehmen es tatsächlich sind, lässt sich allerdings gar nicht so eindeutig sagen. Denn je nachdem, ob sie in Planung, Handel oder Errichtung tätig sind, werden sie unterschiedlichen Branchen zugeordnet. PVA-Geschäftsführerin Immitzer will nicht von einer Pleitewelle, sondern von einer Marktbereinigung sprechen.
König sieht auch die heimische Politik ein Stück weit Schuld an der Misere. Die frühe Ankündigung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Herbst 2023, die Mehrwertsteuer für kleinere private Photovoltaik-Anlagen streichen zu wollen, hätte fatale Auswirkungen gehabt: „Das hat der Branche eine ordentliche Delle gebracht, denn die Leute haben bis Mitte März 2024 zugewartet, bis alle Konditionen und Bedingungen geklärt waren“, sagt König. Dadurch habe die Branche im Geschäft mit den Privatkunden ein halbes Jahr verloren, so König. „Das war nicht sehr klug von der Ministerin.“ Insgesamt sei die Branche mit dieser neuen Regelung aber sehr zufrieden.
„Die schlechte konjunkturelle Lage hat sich auch auf die Sachgüter ausgewirkt und dort dafür gesorgt, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher bei Investitionen zurückgehalten haben.“
Agnes Kügler, Ökonomin am Wifo
„Ich finde diese Argumentation nur zum Teil haltbar“, sagt Agnes Kügler, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Die Expertin mit Schwerpunkten Industrieökonomie, Innovation und internationaler Wettbewerb hält es zwar für möglich, dass Privatpersonen bis zur Befreiung der Umsatzsteuer zugewartet hätten, hält das aber nicht für den einzigen Grund.
Den Rückgang der Nachfrage macht Kügler an mehreren Aspekten fest: „Wir sehen ja anhand unserer letzten Investitionsbefragung im Frühling, dass sich die schlechte konjunkturelle Lage auch auf die Sachgüter ausgewirkt hat und dort dafür gesorgt hat, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher bei Investitionen zurückgehalten haben“, sagt die Wirtschaftsforscherin. Hinzu kommt die über lange Zeit sehr hohe Inflation in Österreich, „das macht unsere Produkte im internationalen Vergleich etwas teurer“, so Kügler.
China dominiert den Weltmarkt
Teurer auf einem Weltmarkt, der von China dominiert wird. Laut dem in Brüssel ansässigen Wirtschaftsthinktank Bruegel kommen mehr als 90 Prozent aller PV-Module aus der Volksrepublik, werden dort stark subventioniert hergestellt und zu Preisen unter jenen europäischer Hersteller verkauft. „Eine recht ungünstige Situation aus verschiedenen Faktoren also“, fasst die Ökonomin die Gründe für den Nachfragerückgang zusammen.
Langfristig werde die Branche jedenfalls weiter wachsen, nur nicht mehr im selben Tempo wie bisher, sagt Walburga Hemetsberger, Vorstandsvorsitzende des europäischen Branchenverbands SolarPower Europe. Damit heimische Unternehmen künftig auch gegenüber chinesischen Produkten wettbewerbsfähig sind, „muss es unser erklärtes Ziel sein, dass wir zumindest einen Teil dieser Produktion aus China zurückholen„, sagt Hemetsberger. Gelingen könne das, indem bei öffentlichen Ausschreibungen auch mehr Wert auf die Herkunft der Produkte gelegt wird: Also europäische Anlagen in der Anschaffung bevorzugen, auch, wenn diese teurer sind.
20 Prozent aller Wechselrichter kommen derzeit noch aus Europa. Deshalb sind „Unternehmen wie Fronius aus unserer Sicht strategisch enorm wichtig, wenn es um die Zukunft der Photovoltaikbranche in Europa geht.“, sagt Walburga Hemetsberger, CEO von SolarPower Europe.
Unterstützt werden könnte der Aufbau einer konkurrenzfähigen Produktion in Europa außerdem mit Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel, meint Hemetsberger. Auch, um die Produktion von Erzeugnissen, die bereits jetzt gefragt sind, in Europa zu halten. Wie etwa bei den Wechselrichtern. „Da haben wir in Europa starke Unternehmen, die immerhin 20 Prozent des Weltmarktes abbilden“, sagt die Chefin des Branchenverbands.
Bleibt zu hoffen, dass keine weiteren Kündigungen in Österreich dazukommen, denn „dieses Know-how und vor allem diese Arbeitsplätze gilt es zu erhalten. Unternehmen wie Fronius sind aus unserer Sicht strategisch enorm wichtig ist, wenn es um die Zukunft der Photovoltaikbranche in Europa geht“ , so Hemetsberger.