Sowohl beim Einkommen, als auch später in der Pensionen können selbständige Frauen bei weitem nicht mit den Einkommen von selbständigen Männern mithalten.
Wirtschaft

Warum selbständige Frauen oft unter der Armutsgrenze verdienen

Selbständige Frauen verdienen im Schnitt um die Hälfte weniger als selbständige Männer. Dieser eklatante Einkommensunterschied setzt sich in der Pension fort. Damit verdienen die meisten selbständigen Frauen unter der Armutsgrenze.

Drucken

Schriftgröße

Als Frau selbständig zu sein, ist oft der Weg in die Armutsfalle. Dafür gibt es einen wesentlichen Grund: Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sind bei Selbständigen wesentlich größer als bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das rächt sich spätestens am Ende der Aktivzeit bei Pensionsantritt. Im Jahr 2022 lag die durchschnittliche Erstpension von selbständigen Frauen bei nur 918 Euro brutto im Monat, ohne etwaige Zulagen für die Mindestpension von 1030 Euro im Vorjahr. Diese Ausgleichszulage bekommen aber viele Frauen wegen weiterer Einkommen, etwa vom Ehepartner, ohnehin nicht. Bei Männern beträgt die Anfangspension immerhin 2117 Euro brutto.

Die Pension von selbständigen Frauen ist also um 57 Prozent geringer als jene von ehemals selbständigen Männern. „Es gibt noch keine aussagekräftige Studie über die Ursachen der extrem niedrigen Pensionen von selbständigen Frauen“, sagt Christine Mayrhuber, WIFO-Expertin für soziale Sicherheit. Bei Angestellten und Arbeiterinnen und Arbeitern ist der sogenannte „Gender Pension Gap“ deutlich geringer als bei Selbständigen.

Eine wesentliche Ursache ist, dass Selbständige meist Ein-Personen-Unternehmer sind. Größere und profitablere Unternehmen mit vielen Mitarbeitern sind dagegen oft als GmbH oder als Aktiengesellschaft tätig. Hier fallen keine Einkommen aus selbständiger Tätigkeit an, sondern Kapitalausschüttungen und gegebenenfalls zusätzliche Einkommen als angestellte Geschäftsführer. In Zahlen: Es gibt in der Wirtschaftskammer 351.000 Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Damit stellen die Solo-Unternehmer immerhin 61 Prozent aller Mitglieder der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). WIFO-Expertin Mayrhuber: „Es gibt besonders bei Frauen eine sehr starke Zunahme der EPUs.“ Das liegt unter anderem daran, dass Personenbetreuung seit dem Jahr 2007 als selbständiges Gewerbe gilt und damit auch die 24-Stunden-Pflegerinnen Kammermitglieder wurden. Immerhin knapp ein Drittel der weiblichen Unternehmerinnen waren dem Bereich Personenbetreuung zugeordnet.

Außerdem sind die meisten selbständigen Frauen zwischen 50 und 60 Jahre alt. Oft waren sie in ihren früheren Berufsjahren angestellt und wurden erst später mehr oder weniger freiwillig zu Unternehmerinnen. Für Frauen jenseits der 50, die ihren Job verlieren, ist es sehr schwer, eine neue Stelle zu finden. „Wer beschäftigt noch Frauen im Alter? Der Arbeitsmarkt ist trotz der Klagen über zu wenig Facharbeiter nicht darauf vorbereitet, Frauen länger zu beschäftigen“, meint Klaudia Frieben, Vorsitzende des überparteilichen Österreichischen Frauenrings. Ein möglicher Ausweg aus der Arbeitslosigkeit ist die Selbständigkeit, auch wenn man weniger verdient.

Um Kleinselbständigen zu helfen, wurden ab 2018 ihre Mindestbeitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung stufenweise gesenkt. Außerdem können sich Mini-Unternehmer unter bestimmten Umständen ganz von der Pensions- und Krankenversicherung befreien, was gerade Frauen öfter in Anspruch nehmen. Hierfür gilt zum Beispiel eine Umsatzgrenze von 35.000 Euro im Jahr und heuer ein maximales Jahreseinkommen von 6010,92 Euro. Beides kann zwar das aktive Wirtschaftsleben von Kleinverdienern erleichtern, rächt sich aber naturgemäß in der Pension.

Wirtschaftskammer verschlossen

Auf die Frage, warum die Pensionen ihrer weiblichen Kammermitglieder so gering sind, zeigte sich die Wirtschaftskammer zugeknöpft. „Die Eigenpensionen bei Selbständigen stagnieren nicht, sondern sind geprägt durch unterschiedliche Erwerbsverläufe, Karrierewege sowie auch durch mehrfache Beschäftigungen. Viele Selbständige, darunter vor allem Frauen, sind nicht in vollem Ausmaß unternehmerisch tätig, sondern analog dem unselbständigen Bereich Teilzeit. Dies führt zu einer niedrigeren Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung“, lautet die knappe, nur schriftliche Antwort auf profil-Nachfrage. Und weiter: „Niedrige Pensionen als Selbständige bedeuten daher nicht zugleich auch eine niedrige Gesamtpension, da viele Selbständige mehrfache Beschäftigungen ausüben.“

Dieser Teil der Antwort ist allerdings irreführend, weil von hybriden Doppelpensionen ausgegangen wird. Das ist aber rechtlich anders geregelt. Man erhält in Österreich entweder eine Pension als Arbeitnehmer von der Pensionsanstalt (PVA) oder eine Pension von der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS). Wer in seinem Leben sowohl selbständig als auch angestellt tätig war, wird nach einem klar definierten Verfahren genau einem Pensionsträger zugewiesen, der die Gesamtpension auszahlt. In der Regel ist das jene Versicherung, bei der man zuletzt eingezahlt hat. Auch von den „Frauen in der Wirtschaft“, das Frauennetzwerk der WKO, gab es keine Stellungnahme mit Verweis auf die WKO-Pressestelle.

Die SVS führt den hohen „Gender Pension Gap“ wiederum auf das niedrigere Pensionsantrittsalter zurück: „Frauen verlieren dadurch potenziell ihre einkommensbesten Jahre. Die Empirie zeigt auch, dass die geringen Erwerbseinkommen der Frauen den größten Erklärungswert der Pensionslücke haben, die hohe Teilzeitquote zahlt insbesondere darauf ein.“ Ex-Sozialminister Walter Pöltner, der bis Herbst 2021 Chef der Alterssicherungskommission war, sieht klare Gründe, warum dieses sozialpolitisch drängende Problem kaum beachtet wird: „Selbständige Frauen haben keine Lobby.“

Außerdem sind diese Frauen meist in niedrig bezahlten Branchen unterwegs: „Das reicht von der Blumenverkäuferin über Friseurinnen und Tupperware-Beraterinnen bis zu Kosmetikerinnen und freien Hebammen. Einen großen Einfluss haben auch die 24-Stunden-Pflegerinnen, die eine psychisch sehr belastende Tätigkeit ausüben und eigentlich als Arbeitnehmerinnen eingestuft werden müssten.“ Der hohe Anteil an überwiegend ausländischen Pflegerinnen bei den Selbständigen drückt schon deshalb den Gesamtschnitt der Pensionen von selbständigen Frauen, weil oft nur wenige Jahre in Österreich gearbeitet wird und dementsprechend niedrige Gutschriften am Pensionskonto erworben werden.

Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn schon vor der Pension verdienen selbständige Frauen nur 43 Prozent des aktiven Einkommens von selbständigen Männern, wie der Einkommensbericht des Rechnungshofs aus dem Jahr 2022 zeigt. Und den größten Gender Pay Gap gibt es laut Rechnungshof bei den Gesundheitsberufen. Hier verdienen Frauen nur knapp über einem Zehntel dessen, was Männer verdienen. Der Grund: Männer sind in der Regel Ärzte, Frauen Pflegerinnen.