Tax me if you can: Warum wir eine CO2-Steuer brauchen

CO2-Steuer: Tax me if you can

Vom Nobelpreisträger bis zum streikenden Schüler: Immer mehr Menschen fordern eine CO2-Steuer. Warum wir sie brauchen - und wie wir verhindern, dass sie die Falschen trifft.

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Dieser Artikel erschien erstmals im profil Nr. 28/2019 vom 07.07.2019.

Wenn der Frühsommer heiß wird, entdecken ansonsten desinteressierte Politiker ihr Herz für das Klima. FPÖ-Chef Norbert Hofer und sein ÖVP-Pendant Sebastian Kurz, gerade noch Regierungsmitglieder, fielen dieser Tage mit eher eigenwilligen Aussagen auf. Ob mangelnder Sachkenntnis oder einer Vernebelungstaktik geschuldet, sei dahingestellt. Hofer jedenfalls erklärte in einem Interview sinngemäß, Fliegen sei keine Mehrbelastung für das Klima, weil man dadurch schneller ans Ziel komme als mit dem Auto. Kurz wiederum will Österreich zur "Wasserstoff-Nation Nummer eins" machen. Dass diese Technologie als vorrangige Lösung im Kampf gegen die Klimakrise taugt, gilt unter Experten - freundlich ausgedrückt - als gewagte Annahme.

Viel mehr Potenzial hingegen wird einer anderen Maßnahme zugetraut, die sowohl Kurz als auch Hofer dezidiert ablehnen: der sogenannten CO2-Steuer.

Eine Maßnahme, die sich immer regeren Zuspruchs erfreut. Bei den freitäglichen Schülerstreiks für eine wirksame Klimapolitik wird sie von jungen Demonstranten gefordert. Unter Wirtschaftswissenschaftern wird sie weithin befürwortet - selbst im konservativ-wirtschaftsliberalen Spektrum, das Steuern und Staatseingriffen generell skeptisch gegenübersteht: Erst im Jänner unterzeichneten 3500 Ökonomen weltweit, darunter 27 Nobelpreisträger, einen öffentlichen Aufruf zur Einführung einer CO2-Steuer. Und erst vergangene Woche hat eine Gruppe renommierter heimischer Klimaforscher ein Konzept vorgelegt, in dem eine ökosoziale Steuerreform als vordringlichste Maßnahme bezeichnet wird - inklusive CO2-Steuer.

Warum wir die Steuer brauchen

Zehn Tonnen. So viel Kohlendioxid und andere Treibhausgase verursacht jeder Österreicher im Schnitt pro Jahr. Jedes Mal, wenn wir Treibstoff in unsere Autos füllen. Jedes Mal, wenn wir im Sommer nach Ibiza fliegen oder im Winter unsere mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizung anwerfen. Jedes Mal, wenn wir ein Schnitzel aus Intensivtierhaltung oder Paradeiser aus dem Glashaus essen. Immer dann sorgen wir dafür, dass CO2 in der Atmosphäre freigesetzt wird und die Erderwärmung weiter vorantreibt.

Sollen die Klimaziele von Paris erfüllt und der Klimakrise Einhalt geboten werden, dürfte Österreich im Jahr 2030 - statt besagter zehn Tonnen pro Person - nur noch eine einzige Tonne ausstoßen. Wahrlich eine Herausforderung.

Tatsächlich steigt der CO2-Ausstoß global gesehen weiterhin an. Und während es dem Großteil der EU-Staaten gelungen ist, die Emissionen zu reduzieren, gehört Österreich zu jenen fünf Ländern, in denen sie weiterhin ansteigen. Hauptverursacher: der Verkehr, der hierzulande für rund 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Seit 1990 stiegen die Emissionen in diesem Sektor um knapp 72 Prozent. Und wie reagieren die Österreicher darauf? Sie kaufen sich einen SUV. Inzwischen ist jeder dritte Neuwagen, der in Österreich angemeldet wird, ein solcher Spritfresser.

Wie sie aussehen soll

Wenn Menschen Produkte kaufen und nutzen, die der Allgemeinheit schaden, ohne sie dafür zu entschädigen, sprechen Volkswirtschafter von Marktversagen. Tatsächlich können Unternehmen und Konsumenten CO2 in die Atmosphäre blasen, ohne für die Schäden aufzukommen. Bezahlen tun andere: nämlich jene, die unter den Folgen (Überschwemmungen, Dürren, Stürme, extreme Hitze) leiden. Laut Karl Steininger, Klimaökonom am Wegener Center der Universität Graz, verursacht jede Tonne CO2 im globalen Durchschnitt einen Schaden von rund 100 Euro.

Der Staat kann ein solches Marktversagen mithilfe einer CO2-Steuer verhindern. Deren Konzept ist simpel: Wer Emissionen verursacht, soll zur Kasse gebeten werden. Dabei legt der Staat (oder ein Staatenbund) einen Preis für CO2 fest. Die Vorschläge reichen von 20 Euro je Tonne (Deutschlands Umweltministerin Svenja Schulze) bis 180 Euro ("Fridays for Future").

Ansätze in Richtung CO2-Steuer gibt es bereits: Etwa den EU-Emissionshandel, in dessen Rahmen sich Großunternehmen Rechte kaufen müssen, um Treibhausgase ausstoßen zu dürfen. Der Emissionshandel umfasst unter anderen die Stromerzeugung sowie die Stahl- und Papierindustrie. Diese Branchen sind für 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Ein weiterer Ansatz der CO2-Steuer ist die heimische Mineralölsteuer, von der aber etwa die Luftfahrt ausgenommen ist.

Was alles von einer weitergehenden CO2-Steuer umfasst sein soll, dazu liegen derzeit noch unterschiedliche Modelle vor. Grundgedanke: Immer, wenn CO2 emittiert wird, ist sie fällig. Beim Tanken genauso wie auf das Gas, das für Warmwasser sorgt. Unternehmen, die CO2-intensiv produzieren oder lange Transportwege haben, werden ihre Kosten an die Kunden weitergeben. Alles, was viel CO2 verursacht, würde teurer werden. Ein durchaus gewünschter Effekt.

Durch den Preisanreiz sollen die Menschen ihr Geld quasi automatisch für klimaschonende Dinge ausgeben. Ebenso sollen Unternehmen in Richtung klimaschonendere Technologien forschen. Vereinfacht gesagt: Je weniger CO2-Ausstoß, desto geringer die Steuerbelastung.

Was die Haken sind

Ein paar Hundert Euro pro Jahr. So viel wird, nimmt man die gängigen Modelle der CO2-Steuer zum Maßstab, jeder Österreicher zu berappen haben, schätzt Matthias Kirchner von der Universität für Bodenkultur. Wie hoch die Steuer für den Einzelnen tatsächlich ausfällt, variiert freilich stark je nach individuell verursachtem Treibhausgas-Ausstoß. Das ist der Sinn der Übung. Laut Angela Köppl, Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) in Wien, würde sich eine CO2-Steuer von 100 Euro je Tonne mit 25,6 Cent Mehrkosten je Liter Benzin und 28 Cent je Liter Diesel niederschlagen. Heißt: Einmal volltanken kostet rund 15 Euro mehr als heute.

Die Fallstricke: Ist die Steuer zu niedrig angesetzt, werden die Konsumenten ihr Verhalten nicht ändern - und nehmen die Mehrbelastung einfach in Kauf. Immerhin kosten Verbesserungen auch Geld: Klimafreundlichere Autos etwa sind in der Anschaffung (noch) teurer als Treibstoffschlucker. Die thermische Sanierung eines Hauses muss man finanziell auch erst einmal stemmen können. Ist die CO2-Steuer hingegen zu hoch, leistet man sich die Sanierung möglicherweise erst recht nicht, weil schlicht das Geld dafür fehlt. Dann würde die Steuer vor allem finanzschwache Schichten treffen.

Wie brisant solche Fragen sind, zeigten die Gelbwesten-Proteste in Frankreich. Auslöser waren die von Präsident Emanuel Macron durchgesetzten höheren Öko-Steuern auf Diesel. "Frankreich zeigt, wie man es nicht macht", sagt Sigrid Stagl, Umweltökonomin von der Wiener Wirtschaftsuniversität. Die Einnahmen aus der Steuer flossen in das Staatsbudget. Soziale Ausgleichsmaßnahmen? Keine.

"Ein viel besseres Vorbild liefert die Schweiz", so Stagl. Beim westlichen Nachbarn gibt es seit dem Jahr 2005 eine CO2-Steuer auf Heizen. Entscheidend: Das Schweizer Modell beinhaltet den sogenannten Öko-Bonus. Die mit der CO2-Abgabe eingenommenen Gelder werden zu einem Drittel in Maßnahmen zur Gebäudesanierung gesteckt. Die restlichen zwei Drittel gehen als Pro-Kopf-Rückerstattung direkt an die Bürger zurück. Je nachdem, wie hoch der individuelle CO2-Ausstoß war, bleibt vom Bonus netto mehr oder weniger übrig. "Wer in Sachen Klimaschutz besser als der Durchschnitt lebt, bekommt unter dem Strich sogar etwas dazu", sagt Klimaökonom Karl Steininger.

Etliche Studien zeigen: Wohlhabende verhalten sich tendenziell klimaschädlicher. Denn Finanzschwache fahren weniger Auto, verreisen seltener oder wohnen auf weniger Raum. Gäbe es einen Öko-Bonus nach Schweizer Vorbild, würden Reiche draufzahlen - während Ärmere profitieren.

Ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Steuer könnte in Töpfe fließen, aus denen etwa die Umrüstung von Heizungen gefördert wird oder Pendler, die vom Auto abhängig sind. Damit ließen sich Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit in eine gewisse Balance bringen.

Denn ohne Begleitmaßnahmen wird die CO2-Steuer nicht durchsetzbar sein. Wenn etwa der Staat das Autofahren erschwert, muss er auch für Alternativen sorgen, damit die Bürger überhaupt die Möglichkeit zu einer klimafreundlicheren Fortbewegung haben. Immerhin: Die Anbindung an den Öffi-Verkehr ist in vielen Regionen mangelhaft.

Wie realistisch die Einführung ist

Zehn Prozent der Wähler. Über so viele Stimmen verfügen derzeit jene Parteien im österreichischen Parlament, die dezidiert eine CO2-Steuer befürworten. Die da wären: NEOS und Liste Jetzt. Auch die Grünen, die nach der kommenden Nationalratswahl wohl wieder in den Nationalrat einziehen werden, votieren dafür. Die SPÖ hingegen kann sich nur mit starken Einschränkungen für die Steuer begeistern. Klar dagegen sind ÖVP und FPÖ.

Auch wenn die politische Unterstützung also enden wollend ist, muss das Projekt dennoch nicht als ferne Utopie gelten. Eine zunehmend rege Klimaschutzdebatte sorgt dafür, dass sich die Idee in der Öffentlichkeit verankert. Außerdem: Wenn Österreich die verpflichtenden Klimaziele (40 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß bis 2030) nicht erreicht, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Von der Erreichung der Ziele ist man derzeit meilenweit entfernt. Es sei denn, man setzt doch noch auf die CO2-Abgabe und andere durchschlagsstarke Maßnahmen.

Während eine nationale Variante der Steuer zumindest denkbar scheint, gestaltet sich die Sache auf europäischer und internationaler Ebene um einiges komplizierter. In Brüssel herrscht in Steuerfragen das Einstimmigkeitsprinzip: Jeder Mitgliedsstaat müsste einer europaweiten CO2-Steuer zustimmen - das ist unwahrscheinlich. Auf internationaler Ebene wiederum wäre der Versuch, Konsens über eine derart weitreichende Anstrengung herzustellen, wohl noch aussichtsloser. Nicht nur demagogische Haudegen wie US-Präsident Donald Trump und Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sind dagegen, sondern etwa auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel.

Aufgrund des fehlenden internationalen Gleichschritts droht eine Wettbewerbsverzerrung. Wenn einige Staaten voranpreschen und CO2-Steuern einführen, könnte sich das für sie rächen: Unternehmen könnten in Länder abwandern, die es weniger ernst nehmen mit dem Klimaschutz. Um dieser Gefahr zu begegnen, plädieren Ökonomen für eine Art Klimazoll. "Was hilft der Klimaschutz innerhalb Europas, wenn wir etwa gleichzeitig beispielsweise Stahl importieren, der anderswo billiger hergestellt werden kann - weil es dort keine CO2-Besteuerung gibt?", fragte Gabriel Felbermayr, deutscher Wirtschaftsforscher österreichischer Herkunft, kürzlich im profil-Interview. Um international faire Bedingungen herzustellen, müsse man Importgüter je nach CO2-Gehalt "nachbesteuern, sobald sie die Grenze zur EU überqueren", so Felbermayrs Vorschlag.

Dass eine CO2-Steuer - auch ohne Nachbesteuerung - nicht gleich den Todesstoß für jegliches Wirtschaftswachstum sein muss, zeigt das Beispiel Schweden. Dort wurde bereits in den 1990er-Jahren eine solche Abgabe eingeführt; heute liegt sie bei 118 Euro pro Tonne. Somit ist die Steuer gar höher als jene 100 Euro pro Tonne, die österreichische Klimaforscher neuerdings fordern. "Die schwedische Wirtschaft ist nicht zusammengebrochen, ganz im Gegenteil", sagt WU-Expertin Stagl. Beim schwedischen Beispiel muss eines jedoch mitbedacht werden: Schwedens Industrie ist nicht von der CO2-Steuer erfasst. Sie unterliegt nämlich bereits dem EU-Emissionshandel. Er ist eine Art Vorform der CO2-Steuer, bisher ausschließlich für Industrieunternehmen. Ob diesem bald eine echte CO2-Steuer folgen wird, das werden die kommenden heißen Sommer zeigen. Fest steht vorläufig nur: Viele Österreicher stehen der CO2-Steuer durchaus aufgeschlossen gegenüber. Wie eine profil-Umfrage im vergangenen April ergab, würden immerhin 40 Prozent im Land die Einführung gutheißen. 50 Prozent sind dagegen, zehn sind unentschlossen.

Angesichts der Tatsache, dass neue Steuern üblicherweise nicht wahnsinnig populär sind, ist eine solche Zustimmungsrate gar nicht schlecht.

Was Österreichs Parteien zur CO2-Steuer sagen:

ÖVP Sie votiert klar gegen die CO2-Steuer. "Nationale CO2-Steuermodelle halten wir nicht für zielführend, weil sie speziell die Menschen im ländlichen Raum und sozial Schwächere belasten, die auf ihr Auto angewiesen sind", heißt es. Die ÖVP verweist darauf, dass es in Österreich bereits CO2-abhängige Abgaben gäbe, etwa die Mineralölsteuer oder den sogenannten Emissionshandel. Man plädiert stattdessen etwa für den Ausbau der Wasserstoff-Technologie und Förderungen im Bereich der E-Mobilität.

SPÖ "Als wesentliches Steuerungsinstrument wollen wir eine EU-weite, sozial ausgewogene CO2-Steuer einführen", so die SPÖ. Der Clou daran: das Wörtchen "EU-weit". Eine reine nationale CO2-Steuer "greift derzeit zu kurz". Was die ganze EU betrifft, soll die Steuer "bei 30 Euro je Tonne beginnen und dann schrittweise ansteigen". Einkommensschwächere Haushalte müssten entlastet werden.

FPÖ Sie ist gegen eine CO2-Steuer. "Österreich hat bereits eine CO2-Steuer in Form der Mineralölsteuer." Für mehr Klimaschutz plädiert man vielmehr für den Ausbau von Öffis und etwa Änderungen im Mietrecht.

NEOS Sie haben ein umfassendes Konzept vorgelegt. Demnach soll bis zum Jahr 2030 schrittweise eine CO2-Steuer von mehr als 100 Euro pro Tonne eingeführt werden; bei Benzin und Diesel bereits ab 2020. Bisherige Abgaben, die teilweise mit dem CO2-Ausstoß zusammenhängen (Mineralölsteuer, Normverbrauchsabgabe), werden im NEOS-Modell in die neue Steuer eingerechnet. Die NEOS bevorzugen eine EU-weite Reform, unterstützen aber auch eine nationale Variante.

Liste Jetzt "Wir sind starke Befürworter einer CO2-Steuer", sagt Klubobmann Bruno Rossmann. Konkret spricht er von 120 Euro je Tonne CO2, eingeführt schrittweise bis 2030. Rossmann plädiert auch für einen Öko-Bonus nach Schweizer Vorbild (siehe Hauptgeschichte). Damit einhergehend brauche es "den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie einen sozialen Härtefonds für Pendler".

Grüne "Es braucht eine vernünftige und gerechte CO2-Bepreisung", so Parteichef Werner Kogler. Diese müsse "aufkommensneutral organisiert werden, sodass es insgesamt zu keiner Steuererhöhung kommt". Heißt: Im Gegenzug zur CO2-Steuer soll es einen "Klimabonus" geben ebenso wie Entlastungen bei der Lohn- und Einkommenssteuer. Betroffen sein sollen unter anderem auch "Flugverkehr und agrarindustrielle Konzernstrukturen".

Diskussionen über den Klimaschutz, ob im privaten Gespräch oder in Medien, drehen sich häufig um individuelles Verhalten. Wie viel Fleisch isst man, wie häufig steigt man ins Flugzeug, woher bezieht man den Strom? Inklusive wechselseitiger Vorwürfe der Heuchelei im Fall mangelhafter Bemühungen. Wir finden: Ja, individuelles Verhalten ist durchaus wichtig. Aber ungleich bedeutender sind Maßnahmen auf politischer Ebene, die für die gesamte Gesellschaft Rahmenbedingungen festlegen und nicht nur den guten Willen Einzelner im Blick haben. Das kann eine CO2-Steuer genauso sein wie beispielsweise Reformen im Verkehrswesen und in der Stadt- und Raumplanung. Ansonsten siegt am Ende - wie die Autoren übrigens aus eigener Erfahrung allzu gut wissen - häufig die Bequemlichkeit über den guten Willen.