Fachkräftemangel

Wie Brasilianer die Personalnot im Wintertourismus lindern sollen

Immer mehr Südamerikaner zieht es in die österreichischen Alpen. Grund dafür ist vor allem die Wintergastronomie, die händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften sucht und sie in Brasilien gefunden haben will.

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„Wir haben im November Einjähriges gefeiert“, lacht die 32-jährige Portugiesin Ana Egger. Seit über einem Jahr lebt sie zusammen mit ihrem gleichaltrigen brasilianischen Mann Bruno im Tiroler Ort Mayrhofen im Zillertal.  Egger kellnert in einem gehobenen Burgerlokal, Ana Egger arbeitet als Zimmermädchen in dem dazugehörigen Hotel. Über die Jobvermittlungsagentur „You Work Life!“ sind die beiden nach Österreich gekommen. Der Grund für ihren Umzug? Der Fachkräftemangel hierzulande, sowie fehlende Perspektiven in ihren Heimatländern, Portugal und Brasilien.

Brunos Großvater war Wiener, zog im Erwachsenenalter jedoch nach Rio de Janeiro - Österreich ist dem 32-Jährigen also zumindest aus Erzählungen bekannt. „Das war ein Mitgrund, weshalb wir uns für Österreich entschieden haben, ich wollte zurück zu meinen Wurzeln“, erzählt Egger profil. Die österreichische Staatsbürgerschaft haben seine Frau und er jedoch nicht.

Ich möchte Menschen, die sonst nicht die Möglichkeit haben, ins Ausland zu gehen, genau diese Chance geben

Georg Klausner, Gründer von „You Work Life!“

Eine bedeutende Rolle bei der Umzugsentscheidung spielte jedoch nicht nur Bruno Eggers Großvater, sondern auch Georg Klausner. Er ist gebürtiger Tiroler und betreibt mit seinem brasilianischen Partner Eduardo Vidolin eine Agentur, die insbesondere Gastronomie-Fachpersonal aus Brasilien an westösterreichische Unternehmen vermittelt. „Ich möchte Menschen, die sonst nicht die Möglichkeit haben, ins Ausland zu gehen, genau diese Chance geben“, so Klausner. Egger lernte Klausner in dem Hotel in Rio kennen, in dem er in seinem Heimatland arbeitete.

Georgs Klausners „You Work Life!“-Agentur arbeitet mit großen Konzernen, wie den Marriott-, Sheraton- oder Falkensteiner-Hotels, sowie der brasilianischen WKO-Außenstelle zusammen. Vermittelt werden vor allem Personen aus Mangelberufen, die bereits drei bis sieben Jahre Berufserfahrung, eine abgeschlossene Fachausbildung und sehr gute Englisch- beziehungsweise Deutschkenntnisse vorweisen können. „Wir können nur Personal vermitteln, das sich für die Rot-Weiß-Rot-Karte qualifiziert“, erklärt der Unternehmer. Bisher konnten rund sechzig Menschen mithilfe der Agentur nach Österreich ziehen, die meisten sind laut Klausner Männer, die zwischen 25 und 35 Jahre alt sind. Für die Vermittlung verrechnet Klausners Agentur einen Bruttomonatslohn als Gebühr. 

Die Rot-Weiß-Rot-Revolution

Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist eine Aufenthaltsbewilligung für Personen aus Drittstaaten. Anwärter müssen mehrere Kriterien erfüllen: Eine der Bedingungen ist, dass man Fachkraft in einem Mangelberuf oder hochqualifiziert ist. Seitdem sich die Personalnot österreichweit verschärft hat, sucht die Politik händeringend nach Lösungen. Der bisher meist versprechendste Ansatz ist es, gebildete Fachkräfte aus dem Ausland nach Österreich zu rekrutieren. Die WKO verstärkt deshalb auch ihre Vernetzungsarbeit mit Außenstellen - wie in Brasilien. 

Monatelanger Bürokratie-Prozess

Auch der Salzburger Gastronom und Ex-Neos-Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn ist auf Mitarbeitersuche. „Gemeinsam mit einem brasilianischen Mitarbeiter von mir richtete ich im März 2022 eine Homepage ein, auf der sich Brasilianer, die in einem meiner Lokale arbeiten wollen, bewerben konnten“, erzählt er profil.

Die passenden Mitarbeiter hätte er rasch gefunden, Probleme gab es jedoch mit der Beantragung der Rot-Weiß-Rot-Karte. Monatelang hätte Schellhorn eigenen Angaben zufolge mit österreichischen Behörden gekämpft: „Mal passte es nicht, dass Dokumente nur auf Englisch übersetzt wurden oder dass die Bewerber ihre Gastronomie-Ausbildung an brasilianischen Universitäten absolviert haben. Außerdem mussten wir teilweise Monate auf Antworten warten“, so der Gastronom. Nach fünf Monaten gelang es ihm schließlich, eine Mitarbeiterin nach Österreich zu lotsen. 

Immerhin: Das Verfahren wurde im Oktober des Vorjahres überarbeitet. Aufgrund des Arbeitskräftemangels wurde das Zulassungsverfahren für Drittstaatler digital weiterentwickelt, vereinfacht und beschleunigt. Schellhorn kritisiert die österreichische Bürokratie, sowie die hohen Anforderungen, die die Rot-Weiß-Rot-Karte bis dahin stellte. Seit den Neuerungen hat er es jedoch nicht nochmal versucht, Arbeitskräfte zu rekrutieren. 

Vergangenen Dezember arbeiteten laut dem AMS zirka 236.000 Personen in den Bereichen Beherbergung und Gastronomie. Die meisten von ihnen, 98.555, sind österreichische Staatsbürger, gefolgt von Ungarn (28.611) und Deutschen (11.932). Rund 650 Personen kamen aus Südamerika, 217 aus Brasilien, gefolgt von 91 Chilenen und 83 Peruanern.

Zu den 217 Brasilianern zählt auch Bruno Egger. Das Ehepaar und seine zwei Katzen und Hunde fühlen sich in den Tiroler Bergen mittlerweile wie zuhause, erzählen sie profil. Zurück nach Brasilien zu gehen, ist für sie keine Option mehr. 

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.