Wirtschaft

Wie ein Sparpaket der nächsten Regierung aussehen könnte

Österreichs Staatsfinanzen drohen gegen die Finanzregeln der EU zu verstoßen. Welche Maßnahmen muss die nächste Regierung beschließen, damit die Einnahmen und Ausgaben des Staates langfristig nicht auseinanderlaufen?

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„Mein Konto war noch nie im Minus“, sagte der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vor viereinhalb Jahren über den Umgang mit seinem privaten Geld. Und auch mit dem Geld des Staates hatte Blümel damals Ähnliches vor: „Ich will darauf achten, dass es einen sorgsamen Umgang mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher gibt“, sagt er, als er erst wenige Tage im Amt war. Von diesen Ansagen der Koalition ist heute, vier Jahre später, wenig übrig. Die Schulden des Staates steigen an. Und die Rufe der Ökonom:innen nach einem Sparpaket, das die nächste Regierung beschließen sollte, werden immer lauter. Unabhängig davon, welche Parteifarbe der nächste Finanzminister haben wird.

Magnus Brunner (ÖVP), Blümels Nachfolger als Finanzminister, hatte es nicht leicht: Zuerst die Coronapandemie, die große Teile der Weltwirtschaft zum Erliegen gebracht hat. Darauf folgten steigende Energiepreise, auch aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Zudem müssen aufgrund der menschengemachten Erderhitzung viele Bereiche der Gesellschaft klimafit gemacht werden: Vom Verkehr bis zum Einfamilienhaus. Und das alles kostet Geld.

Geld, das der Staat in den vergangenen vier Jahren den Bürgerinnen und Bürgern meist in Form von Förderungen oder Gutschriften, wie etwa dem Anti-Teuerungsbonus oder der Strompreisbremse, zugeschossen hat. „Vieles davon war nicht ordentlich gegenfinanziert“, sagte der Chef des Instituts für Höhere Studien Wien (IHS) Holger Bonin am Donnerstag bei der Vorstellung der IHS Konjunkturprognose bis zum Jahr 2028.

Bonin ist nicht der einzige Wirtschaftsforscher, der das so sieht. „Die Einnahmen und die Ausgaben passen einfach nicht zusammen“, sagte Christoph Badelt, der Chef des Fiskalrats, bereits vor einem Monat. Laut den Prognosen des Fiskalrates droht das öffentliche Defizit künftig die Maastricht-Kriterien von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu überschreiten.

Welche kurz- und langfristigen Maßnahmen muss die nächste Regierung also setzen, um keinen blauen Brief aus Brüssel – also einen Verstoß gegen die EU-Fiskalregeln – zu riskieren? Andernfalls hätte Österreich zumindest Erklärungsbedarf gegenüber der EU-Kommission.

Diese Maßnahmen empfehlen Wirtschaftsforscher:

  • Die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen
  • Effizientere Ausgaben im Bildungswesen
  • Reformen im Gesundheitsbereich
  • Abbauen von (Über-)Förderungen, die durch Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Länder entstanden sind
  • Die Anpassung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche

Reform der Pendlerpauschale, Dienstwagen- und Dieselprivileg

Bonin empfiehlt als kurzfristige Maßnahmen, bei umweltschädlichen Subventionen oder Steuervorteilen anzusetzen. Konkret bei der Pendlerpauschale, dem Dienstwagen und dem Dieselprivileg. Laut dem österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) betrugen diese Subventionen in den letzten Jahren durchschnittlich zwischen 4,1 und 5,7 Milliarden Euro. Aber nicht nur Ausgaben, die private Haushalte treffen, sollten laut Bonin unter die Lupe genommen werden. So könnte etwa bei Energiekostenzuschüssen, die auch Unternehmen treffen, gespart werden.

Klimaschädliche Subventionen abschaffen

IHS-Chef Holger Bonin empfiehlt als kurzfristige Sparmaßnahmen, bei umweltschädlichen Subventionen oder Steuervorteilen anzusetzen. Konkret etwa bei der Pendlerpauschale, dem Dienstwagen und dem Dieselprivileg.

Mit Einzelmaßnahmen allein wird sich das Budget aber nicht sanieren lassen, da sind sich die Wirtschaftsforscher einig. „Faktum ist, dass das Fördersystem in Österreich sehr umfangreich ist und schon seit langem umfassend evaluiert werden sollte mit der Zielsetzung, Förderungen effektiver auszugestalten und überkommene Förderungen abzuschaffen“, sagt Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller.

Die weitaus größeren Brocken betreffen demnach Ausgaben im Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie bei den Pensionen. „Da muss man in der nächsten Regierung ran. Aber das muss als nachhaltige Finanzkonsolidierung und nicht als kurzfristiges Sparpaket angegangen werden“, meint Bonin.

„Sogenannte Brennpunktschulen bekommen meist nicht mehr Geld als andere.“ 

Monika Köppl-Turyna, Eco Austria

über Reformmöglichkeiten im Bildungsberich

Bildungsausgaben reformieren: Mehr Geld für „Brennpunktschulen“

„Die öffentlichen Gesamtausgaben vom Elementarbereich bis zur oberen Sekundarstufe betrugen 2021 (die aktuellsten Daten; Anm.) in Österreich 14,4 Milliarden Euro“, sagt die Chefin des industrienahen Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria, Monika Köppl-Turyna. Mit Blick auf die Ergebnisse der PISA-Studie, bei denen österreichische Schülerinnen und Schüler etwa beim Lesen oder bei naturwissenschaftlichen Fragen eher im Mittelfeld liegen, sei der „Output dieser kostspieligen Bemühungen nicht erfreulich“, so Köppl-Turyna.

Notwendig sei die zielgerechtere Verwendung von Geldern im Bildungssystem, meint die Ökonomin: „Tatsächlich spielen soziostrukturelle Faktoren bei der finanziellen Ausstattung von Schulen bei uns kaum eine Rolle. Sogenannte Brennpunktschulen bekommen meist nicht mehr Geld als andere“.

„Nur auszurufen, dass jede Österreicherin und jeder Österreich das Recht auf einen entsprechenden Arzttermin innerhalb von 14 Tagen hat, ist hier zu wenig.“

Holger Bonin, IHS-Chef

fordert langfristige Reformen im Gesundheitsbereich

Teures Gesundheitssystem

Reformbedarf gibt es den befragten Wirtschaftsforschern zufolge auch im Gesundheitssystem. „Nur auszurufen, dass jede Österreicherin und jeder Österreich das Recht auf einen entsprechenden Arzttermin innerhalb von 14 Tagen hat, ist hier zu wenig“, sagt IHS-Chef Bonin. „Die Ausgaben sind relativ hoch, die Ergebnisse mäßig. Hier bräuchte es institutionelle Veränderungen, die Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich oder die bessere Abstimmung von Spitalskapazitäten zwischen den Bundesländern“, sieht Schratzenstaller Möglichkeiten für Reformen.  

Erste Schritte seien zwar im Rahmen des neuen Finanzausgleichs (der die Mittelverwendung zwischen Bund und Länder regelt; Anm.) gesetzt worden, laut der Ökonomin brauche es aber weitere Reformen: „Sie könnten in einigen Bereichen sogar die Qualität für die Patienten verbessern“, sagt Schratzenstaller, „solche Reformen müssen nicht unbedingt Leistungsverschlechterungen bedeuten, können aber den künftigen Ausgabendruck verringern.“

Steigende Lebenserwartung versus Pensionsantrittsalter

Weil sich nicht nur zahlreiche neu ausgehandelte Kollektivverträge im Vorjahr an der hohen Inflation orientiert haben, sondern auch Sozialleistungen indexiert wurden, werden die staatlichen Ausgaben auch künftig ansteigen.

„Die Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters würde künftige Pensionisten treffen. Grundsätzlich wäre das eine richtige Stoßrichtung, um die Ausgabendynamik im Pensionssystem zu dämpfen.“

Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin Wifo

Sowohl Bonin als auch Schratzenstaller sprechen sich deshalb auch dafür aus, das tatsächliche Pensionsantrittsalter an das gesetzliche heranzuführen. Laut Pensionsversicherungsanstalt (PV) gehen Männer im Durchschnitt mit 62,1 Jahren in Pension, obwohl das Regelpensionsalter 65 Jahre beträgt. „Die Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters würde künftige Pensionisten treffen, deren Möglichkeiten für einen vorzeitigen Pensionsantritt eingeschränkt werden würden. Grundsätzlich wäre das eine richtige Stoßrichtung, um die Ausgabendynamik im Pensionssystem zu dämpfen“, sagt Schratzenstaller.

Braucht es auch neue Einnahmequellen?

Vorstellbar sei das jedenfalls, meint Bonin am Donnerstag. Etwa die höhere Besteuerung von Tabak und Alkohol sowie Grund und Boden. „Die Einführung einer Erbschaftsteuer und die Erhöhung der Steuer auf Grund und Boden empfiehlt auch die OECD, da sich Österreich seit Jahrzehnten unter den unrühmlichen Schlusslichtern bei vermögensbezogenen Steuern einreiht – nur 1,5 Prozent des gesamten Steueraufkommens stammen aus der Besteuerung von Vermögenswerten“, fordert etwa das arbeitnehmernahe Momentum Institut.

Reformmöglichkeiten gibt es aber auch abseits von Einnahmen und Ausgaben, meint IHS-Chef Bonin am Donnerstag. „Es braucht eine Stärkung der wachstumsfördernden regulatorischen Rahmenbedingungen. Dazu zählt weit mehr als der oft geforderte Bürokratieabbau“, sagt der Wirtschaftsforscher, „etwa eine kraftvolle Wettbewerbsaufsicht, eine starke Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Beobachtung der Lobbyarbeiten in der Wirtschaft“, sagt Bonin.

Eine weitere Möglichkeit sei laut Köppl-Turyna auch (Über-)Förderungen, die durch Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Länder entstehen, abzubauen. „Während bei uns 2022 rund 7,5 Prozent der Wirtschaftsleistung unter diesem Titel ausgegeben wurden, waren es in Dänemark nur 4,7 Prozent, in Schweden 5,2 und in Irland 2,0 Prozent. Auch der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt mit 6,7 Prozent niedriger“, sagt die Chefin von Eco Austria.

Bonin ist sich bewusst, dass die wenigsten dieser Maßnahmen populär sind, dennoch, „wäre es angebracht, den Bürgerinnen und Bürgern auch im Wahlkampf reinen Wein einzuschenken.“ Die nächste Regierung müsse sich jedenfalls hinsetzen und Reformen angehen, „wenn man das weitere fünf Jahre aufschiebt, werden die Probleme nur größer.“

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.