Russlands Präsident Wladimir Putin und Rosneft-Boss Igor Sechin gelten als enge Vertraute. Sechins Spuren führen auch nach Wien.
Russisches Erdöl

Wiener Öl-Drehscheibe

Die Firma Cetracore handelt Erdölprodukte für mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Bevor die EU ein Embargo verhängte, stammten diese nicht zuletzt aus Russland – der Staatskonzern Rosneft war gleich auf mehreren Ebenen involviert. Nun stellt sich die Frage, wie es weitergeht.

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Viel ist seit dem Angriff Putins auf die Ukraine im Februar 2022 von Österreichs exponierter Rolle in Zusammenhang mit russischem Gas die Rede gewesen. Doch auch in Bezug auf einen anderen fossilen Energieträger zeigen sich bemerkenswerte Verbindungen zwischen Moskau und Wien: Erdöl.

Die Cetracore Energy GmbH ist bisher eher nur in Fachkreisen ein Begriff. Dabei erzielte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2022 mit dem Handel von Ölprodukten einen Umsatz von stolzen 3,5 Milliarden Euro. Laut Firmenwebsite liefert Cetracore unter anderem nach Bulgarien, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Eine griechische Tochterfirma betreibt unter der Marke „Jetoil“ sogar ein Tankstellennetz.

Die Mutterfirma in Wien beschäftigte im Vorjahr allerdings gerade einmal zwölf Angestellte. Und bald könnten es noch weniger sein, wie Cetracore im Lagebericht zum Jahresabschluss 2022 festhält. Wegen der EU-Sanktionen gegen Russland, die sich auch auf den Ölmarkt auswirken, stehen große Veränderungen ins Haus. Man habe alle Möglichkeiten genutzt, Verträge weiterhin zu erfüllen und gleichzeitig „sämtliche neuen Vorschriften sorgfältig zu überwachen und zu analysieren“, heißt es im Lagebericht. Beziehungen zu einigen Vertragsparteien hätten nicht mehr aufrechterhalten werden können.

Wie groß der russische Anteil an den von Cetracore weiterverkauften Ölprodukten bisher war, ist nicht in den Jahresabschlüssen ausgewiesen. Das Unternehmen ließ diesbezügliche Fragen von profil unbeantwortet. Im Lagebericht für das Jahr 2022 findet sich allerdings ein Hinweis: Demnach würden „regulatorische Beschränkungen“ Cetracore daran hindern, neue Anzahlungsvereinbarungen mit russischen Lieferanten abzuschließen. Per Jahresultimo 2021 standen noch geleistete Anzahlungen von zwei Milliarden Euro in der Bilanz, Ende 2022 waren es gerade einmal 230 Millionen Euro. Es ist anzunehmen, dass ein nicht unwesentlicher Teil des Rückgangs auf Russland entfällt.

Das gilt augenscheinlich auch in Bezug auf langfristige Vorauszahlungen für Lieferverträge, die in der Bilanz unter „sonstige Ausleihungen“ verbucht sind: Diese „Ausleihungen“ gegenüber dem staatlich kontrollierten Ölkonzern Rosneft betrugen Ende 2021 immerhin 606 Millionen Euro. Ein Jahr später waren es nur noch 203 Millionen Euro.

Connections kappen

Wie profil-Recherchen zeigen, spielte Rosneft gleich auf mehreren Ebenen eine wichtige Rolle bei Cetracore: Der vom engen Putin-Vertrauten Igor Sechin gelenkte Rosneft-Konzern war offenbar nicht nur ein Lieferant von Cetracore, sondern auch mit 19,9 Prozent an der Wiener Firma beteiligt. Die restlichen 80,1 Prozent wurden von einem Miteigentümer über ein Firmenkonstrukt in Luxemburg und Singapur gehalten. Sämtliche Anteile einer luxemburgischen Zwischen-Holding waren verpfändet: an die „Russian Regional Development Bank“ (RRDB), die zum Rosneft-Konzern gehört.

Angesichts des Öl-Embargos war man zuletzt augenscheinlich bemüht, die Rosneft-Connection zu kappen. Die Anteilsverpfändung an die RRDB ist per 30. Dezember 2022 erloschen. Im März 2023 hat Rosneft seinen Cetracore-Anteil an den bisherigen Mitgesellschafter beziehungsweise dessen Holding in Luxemburg abgetreten.

Alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer ist – über das beschriebene Firmennetzwerk – nunmehr Murtaza Lakhani, ein pakistanisch-kanadischer Ölhandels-Tycoon mit früheren Berührungspunkten zu Rosneft. Lakhanis Firma „Mercantile and Maritime Energy“ wurde im Februar 2023 dahingehend zitiert, dass man den Handel mit russischem Öl im Einklang mit den internationalen Sanktionen eingestellt habe.

Bei Cetracore plante man gemäß Lagebericht, nach dem 5. Februar 2023 keine Geschäfte mit russischem Öl mehr zu tätigen. An diesem Tag trat eine weitere Stufe des EU-Embargos in Kraft. Bestehende Verträge bezüglich nichtrussischer Produkte reichen laut Lagebericht aus, damit Cetracore bis Ende 2025 weitermachen kann. In der Zwischenzeit sucht man nach neuen Exporteuren und Märkten. Es wird sich zeigen, ob und wo man fündig wird.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).