Zapfenstreich: Die letzten Tage des Wiener Opelwerks
Die Natur kommt langsam zurück in Wien-Donaustadt. Das Gras am Rand der Fahrbahn steht hüfthoch, violette Wiesenblumen blühen zwischen parkenden Autos. Früher wurde hier ein Mal in der Woche gemäht, jetzt nur noch ein Mal im Monat. „Immer sparen, sparen“, erklärt der Mann in der neonfarbenen Latzhose, der gleich seinen Rasen-
mäher anwerfen wird. Auf dem lang gestreckten weißen Funktionsbau mit den acht Türmen hinter ihm steht seit ein paar Jahren in meterhohen Buchstaben „Stellantis“ und nicht mehr wie früher „Opel“. Es ist eine Idylle aus Not.
Das Werk – seit 1982 in Betrieb – war ein Prestigeprojekt der heimischen Industrie. Die Donaustädter Belegschaft produzierte zig Millionen Motoren, Fünfgang- und Sechsganggetriebe seitdem. Der Abschied jetzt kam in Raten. 2017 wurde Opel an die französische PSA-Gruppe (Peugeot) verkauft. Bereits ein Jahr später drohte das Unternehmen, den Standort zu schließen. Die Stadt Wien schoss eine Million Euro zu. Kurz danach fusionierte Peugeot mit Fiat Chrysler zu Stellantis, und vor einem Jahr gab der Konzern das endgültige Ende des Werks bekannt. Denn ab 2030 will Stellantis in Europa nur mehr Autos mit Elektroantrieb verkaufen. Das Wiener Verbrenner-Getriebe ist ein Auslaufmodell.