Windkraft: 2024 droht eine große Flaute
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Auf dem Windsfeld ist der Name Programm. Das ganze Jahr über pfeift es ordentlich auf dem 2000 Meter hohen Plateau der Unterpleissling-Alm im Pongau. Deshalb wunderten sich die fünf Bäuerinnen und Bauern, die die Alm gemeinsam bewirtschaften, nicht sonderlich, als 2018 ein Windparkbetreiber bei ihnen vorstellig wurde. Ob sie sich vorstellen könnten, dass ihre Kühe künftig unter Rotorblättern weiden? Sie konnten – und riefen das erste Windkraftprojekt Salzburgs ins Leben.
Das ist jetzt fünf Jahre her, und auf dem Windsfeld steht nun immerhin ein Mast zum Messen des Windes. Dessen Ergebnisse sind vielversprechend: „13 Windräder können in Zukunft Strom für 30.000 Haushalte liefern“, erklärt Marcus Kirchner in der aktuellen Folge des profil-Klimapodcasts. Er ist Obmann der Almgemeinschaft Unterpleissling und Geschäftsführer der Windsfeld GmbH, der Betreibergesellschaft der Anlage. Doch die bürokratischen Hürden sind enorm, auch wenn der Flachauer Gemeinderat einstimmig hinter den Plänen steht. Gerade startete die Umweltverträglichkeitsprüfung, die Ende nächsten Jahres abgeschlossen sein soll. Nach etwa zwei Jahren Bauzeit könnten sich 2026 die ersten Windräder drehen – wenn alles glattgeht.
„Mit 13 Windrädern können wir in Zukunft Strom für 30.000 Haushalte liefern.“
Marcus Kirchner ist Landwirt und Geschäftsführer der Windsfeld GmbH
Salzburg gehört neben Tirol und Vorarlberg zu den drei Bundesländern, in denen noch kein einziges Windrad steht. Dabei wäre der Ausbau der Windkraft für die Energiewende unerlässlich. Warum kommt Österreich, und allen voran der Westen, hier nicht in die Gänge?
Ende 2022 gab es in Österreich 1374 Windkraftwerke, die jährlich Strom in Höhe von 8,3 Terawattstunden erzeugen – das entspricht elf Prozent des bundesweiten Stromverbrauchs. Laut Erneuerbaren-Ausbaugesetz müssten Windräder bis 2030 17,2 Terawattstunden liefern. Fast ein Viertel des heimischen Strombedarfs könnten sie dann decken; gerade im Winter, wenn wenig Sonne scheint und die Flüsse wenig Wasser führen, ist Windkraft eine wichtige Ergänzung im Energiemix. Das Problem: Dafür müssten 120 Windkraftanlagen pro Jahr gebaut werden. Davon ist Österreich weit entfernt.
„Um Windkraftprojekte umsetzen zu können, müssen sich alle politischen Ebenen dazu bekennen. Der Bund, die Länder sowie die Gemeinden. Das macht es so kompliziert“, sagt Martin Jaksch-Fliegenschnee, Sprecher der IG Windkraft.
Im Schneckentempo durch die Instanzen
Meist fehlt es am politischen Willen in den Ländern. Und so stehen aktuell 90 Prozent aller Windräder in Niederösterreich und im Burgenland. Das liegt unter anderem daran, dass die meisten Bundesländer säumig sind, was die Ausweisung von Flächen als Eignungszonen betrifft. „Wenn die Flächen fehlen, fehlen auch die Projekte“, sagt Jaksch-Fliegenschnee. Eine Erfahrung, die auch die oekostrom AG macht. Sie wartet derzeit bei acht neuen Windanlagen, die mehr als 50.000 Haushalte mit sauberem Strom versorgen könnten, auf Bewilligungen. Dabei sind die Projekte fertig geplant, die Investitionen getätigt. Der Hauptgrund für die Verzögerung: unzureichende Flächenwidmungen. „Es braucht seitens der Bundesländer Zielsetzungen, wie viele Windräder bis wann errichtet werden sollen“, so Jaksch-Fliegenschnee.
Es braucht seitens der Bundesländer Zielsetzungen, wie viele Windräder bis wann errichtet werden sollen.
Die Branche beklagt auch das Schneckentempo durch die Instanzen. Die Dauer des erstinstanzlichen Genehmigungsverfahrens habe sich auf knapp zwei Jahre verdoppelt, die Gesamtdauer sei auf fünf bis elf Jahre gestiegen. Immerhin: Durch die im März in Kraft getretene Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP) soll sich der Bau von Erneuerbaren beschleunigen. „Es braucht aber auch eine Aufstockung des mit Genehmigungsverfahren betrauten Personals bei den Behörden. Sonst haben wir wieder eine Situation wie 2014, wo es zu wenig Mitarbeiter gab, um die Projekte abzuarbeiten“, fordert Jaksch-Fliegenschnee.
Für das Jahr 2024 prognostiziert die IG Windkraft trotz der Verbesserungen bei den UVP einen radikalen Rückgang oder gar einen Stopp beim Ausbau der Windkraft. Der Grund: Zwischen 2020 und 2022 standen aufgrund von Gesetzesänderungen keine staatlichen Förderungen zur Verfügung. Das macht sich nun bemerkbar.
Gegenwind von den Anrainern
Doch auch aus der Bevölkerung kommt Widerstand. Ein Windpark vor der eigenen Haustür? Das ist manchen ein Dorn im Auge. Kürzlich veröffentlichte etwa die Tageszeitung „Die Presse“ ein von Fakten recht unbeflecktes Pamphlet des Schriftstellers Robert Menasse gegen die Windenergie. Und ausgerechnet in Niederösterreich, jenem Bundesland, in dem das erste Windrad Österreichs gebaut wurde – und in dem die größten Potenziale schlummern –, stemmt sich die aktivste Gruppe gegen die Windkraft. Rückenwind bekommt die Interessensgemeinschaft (IG) Waldviertel vom Zweiten Landtagspräsidenten Gottfried Waldhäusl (FPÖ), der zuletzt im Herbst vor einem „Windradwahnsinn“ warnte und sich als „Schutzpatron des Waldes“ inszeniert. Um sich den Volkszorn zu ersparen, den ein Windpark mit sich bringen kann, setzen viele Ortschefs auf Volksbefragungen – laut IG Windkraft gab es seit 2004 österreichweit 62 solcher Abstimmungen. Fazit: 23 Parks wurden abgelehnt, 19 davon in Niederösterreich; das entspricht einer Ablehnungsquote von 37 Prozent. Das ist freilich kein überragendes Ergebnis für die Anti-Windradlobby. Dennoch sorgen die Windkraftgegner mit ihren Einsprüchen für endlose Verfahren – was den Ausbau grüner Energie lähmt.
In Flachau hat hingegen kaum jemand etwas gegen die Windräder auf dem Windsfeld. Das Gebiet ist von der Gemeinde aus nicht zu sehen, außerdem wird es bereits von einer Stromtrasse durchschnitten. Trotzdem sind Proteste nicht ausgeschlossen: Es gibt Umweltorganisationen, die sich auf die Verzögerung von Windparks vor Gericht spezialisiert haben. „Einer unserer Mitgesellschafter musste das bei einem Projekt in Kärnten mitmachen. Er überstand zehn Gerichtsverfahren, die alle positiv für den Windpark ausgingen. Aber es kostete zehn Jahre“, sagt Landwirt Marcus Kirchner. Beim Windsfeld ist er optimistisch: „Alle Umweltgutachten sind wasserdicht.“ Zum Beispiel wurde eine Störung des Vogelzugs, die Gegnerinnen oft als Argument vorbringen, untersucht und ausgeschlossen.
Es sei ein sehr steiniger Weg, sagt Kirchner. „Aber ich bin Vater von vier Jungs und werde stolz sein, wenn wir fünf Bauern irgendwann da oben stehen und unseren Kindern und Enkeln zeigen, was wir geschafft haben.“
Elena Crisan
war bis Oktober 2024 Journalistin im Online-Ressort.
Franziska Dzugan
schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.
Christina Hiptmayr
war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.