Wohnungseigentümer gegen eigene Hausverwaltung

Bewohner eines neuen Porr-Gebäudes in Wien wehren sich vor Gericht gegen die eigene Hausverwaltung.

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Der Regen hat der kleinen Grünfläche gutgetan. Vor dem Haus Canettistraße 4 im Quartier Belvedere am Wiener Hauptbahnhof wächst jetzt wieder üppiges frisches Gras. Nur das junge Bäumchen hat den heißen Sommer nicht überlebt. Welke Blätter hängen an den dürren Zweigen; die Bewässerung hat offenbar nicht funktioniert. Trotzdem sei der Anblick des Mini-Parks angenehmer als noch vor ein paar Wochen, meint ein Bewohner sarkastisch. "Seit da wieder Gras wächst, sieht man den vom Wind angewehten Müll nicht mehr so deutlich."

Vor drei Jahren, im Sommer 2018, waren die ersten Bewohner in das neu gebaute elfstöckige Gebäude mit der auffälligen goldfarbenen Fassade gezogen. Mittlerweile hängt der Haussegen gehörig schief: Von insgesamt etwa 120 Wohnungseigentümern sind über 40 in einer E-Mail-Gruppe verbunden, die regelmäßig unerfreuliche Erfahrungen mit der Hausverwaltung austauscht. Zu wenig Ehrgeiz bei den Reinigungsarbeiten ist nur ein Punkt der Beschwerdeliste. Noch mehr erbost die Kritiker, dass sie für die ihrer Ansicht nach bescheidene Leistung auch noch viel mehr zahlen müssen, als üblich ist. 21 Bewohner haben sich nun zusammengeschlossen, um vor Gericht gegen die Strauss Property Management GmbH vorzugehen. Über den Grazer Anwalt Markus Passer stellten sie beim Bezirksgericht Favoriten einen Antrag auf Überprüfung der Betriebskosten. "Jede Hausverwaltung ist verpflichtet, sparsam im Sinne der Mieter und Eigentümer zu wirtschaften", erklärt Rechtsanwalt Passer. "Das ist hier offenkundig nicht der Fall, die Betriebskosten liegen um mehr als 30 Prozent über dem österreichischen Schnitt. Es besteht auch der Verdacht, dass einzelne Positionen doppelt verrechnet wurden."

Dieser Praktiken beschuldigt wird in der Canettistraße 4 nicht etwa ein windiges Hinterhof-Bauunternehmen, sondern einer der renommiertesten Baukonzerne Österreichs, die Porr AG. Der Branchenriese hat rund um das Projekt eine betriebliche Familienaufstellung etabliert, die es mitunter schwierig macht, den Überblick zu bewahren: Errichtet wurde das Gebäude von der QBC Immobilien GmbH, einer Projektgesellschaft der börsennotierten UBM Development AG, deren größte Aktionäre die Porr-Hauptaktionäre Klaus Ortner und Karl-Heinz Strauss sind. Die Hausverwaltung Strauss& Partner Development GmbH ist eine Tochter der UBM Development. Mit der "technischen Verwaltung" wurde von Strauss & Partner wiederum die Porr-Tocher Porreal GmbH beauftragt. Reinigungs-und Reparaturarbeiten erledigt die Alea Gebäudedienstleistungen GmbH, die - es wird niemanden überraschen - im Besitz der Porreal steht.

In diesem Beteiligungs-Ringelspiel auf einen Anbieter zu stoßen, der nicht eng mit der Porr verwandt ist, scheint unmöglich. Die Bewohner des Hauses fühlen sich vom Konzern im Kreis geschickt und abgezockt.

Wer hier vor drei Jahren eine Wohnung gekauft hat, musste pro Quadratmeter zwischen 4000 und 6000 Euro (je nach Stockwerk) bezahlen. Dafür geboten wurden ein schickes, urbanes Umfeld, große Terrassen, ein Fitnesscenter im Erdgeschoß und die Annehmlichkeiten eines neuen, nach modernsten Maßstäben gebauten Hauses. Auch der Name Porr sei für ihn ein Kaufargument gewesen, sagt Thorsten Guggenberger, Sprecher der Antragsteller. "Wir haben uns darauf verlassen, dass wir professionell und fair behandelt werden. Leider wurden wir enttäuscht." Er mache sich langsam Sorgen um sein Investment, so Guggenberger. "Die hohen Betriebskosten könnten es schwer machen, die Wohnung eines Tages wieder zu verkaufen."

Mehrkosten von rund 115.000 Euro

Zu beanstanden gäbe es einiges: "Die Tätigkeit der Hausverwaltung umfasst praktisch nur die Buchhaltung, trotzdem wurde die volle Hausverwaltung verrechnet. Aufgaben der Hausverwaltung wurden von Porreal ein zweites Mal abgerechnet", heißt es im Antrag an das Bezirksgericht. "Die in Rechnung gestellten Jahresbetriebskosten sind nicht nachvollziehbar und unangemessen hoch. Die in Rechnung gestellten Prämien für die Versicherungen sind nicht nachvollziehbar." Außerdem seien etwa im Jahr 2018 Wartungsarbeiten pauschal verrechnet worden, die in diesem Jahr nachweislich nicht durchgeführt wurden. Nebenbei genehmige sich die Porreal noch eine jährliche Pauschale für die Objektleitung. "Wofür diese Pauschale verrechnet wurde, ist überhaupt unklar." Allein für die Jahre 2018 und 2019 seien Mehrkosten von rund 115.000 Euro angefallen, glauben die Antragsteller.

Es sind auch Kleinigkeiten, die für schlechte Stimmung sorgen. Ende des Jahres 2018 wurden die Eigentümer beispielsweise informiert, dass für das gesamte Quartier Belvedere (das aus insgesamt acht Gebäuden besteht) ein Sicherheitsdienst angeheuert werden solle. Alle anwesenden Eigentümer in der Canettistraße 4 sprachen sich dagegen aus. Das Veto nützte ihnen allerdings nichts; sie müssen seither über 26.000 Euro im Jahr dafür bezahlen, dass ein Security-Mitarbeiter auf dem Gelände seine Runden dreht.

Auf die profil-Frage, warum die Betriebskosten in einem neuen Haus höher seien als in vielen Altbauten, antwortet Strauss Property Management per E-Mail: "Das gegenständliche Gebäude ist aufgrund seiner technischen Ausstattung sowie diverser Zusatzausstattungen (...) nicht mit einem durchschnittlichen Gebäude vergleichbar. Das spiegelt sich auch in der Höhe der Betriebskosten wider." Von einer gerichtlichen Überprüfung wisse man nichts, so die SPM. Den Vorwurf, dass nur verwandtschaftlich verbundene Unternehmen zum Zug kämen und die Preise deshalb zu hoch seien, will Strauss Property Management nicht gelten lassen. Man handle im Sinne der Eigentümergemeinschaft, heißt es in dem E-Mail. Die Vergabe erfolge stets im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. "Hierbei werden geeignete Unternehmen für die zu erbringende Leistung, unabhängig jedweder Konzernzugehörigkeit, kontaktiert und der Bestbieter beauftragt."

Das Bezirksgericht Wien-Favoriten muss nun klären, welche Seite recht hat. Anwalt Passer rechnet mit einem ersten Verhandlungstermin im Herbst.

"Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, was man alles als Betriebskosten verrechnen darf"

Nur eine Minderheit wehrt sich vor Gericht, aber Probleme mit der Hausverwaltung gibt es an vielen Standorten. Oft ist es sehr schwer, die Dienstleister loszuwerden. Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, bestätigt das: "Wir bekommen laufend Beschwerden. Das Problem ist: Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, was man alles als Betriebskosten verrechnen darf." Besonders bei Neubauten sei es meist so, dass der Bauträger die Hausverwaltung bestimme, sagt Rosifka. Das führe fast zwangsläufig zu Interessenskonflikten. "Wohnungseigentümer sind Malversationen der Hausverwaltung und Preisabsprachen bei der Bewirtschaftung der Liegenschaft weitgehend ausgeliefert, weil Mehrheitsbeschlüsse im Zusammenhang mit Schadenersatzforderungen wegen zu hoher Betriebskosten in der Praxis kaum zu erreichen sind", heißt es in einer AK-Studie aus dem Jahr 2020, die Walter Rosifka mit einem Kollegen erstellte.

Derzeit arbeitet das Justizministerium an einer Reform des Wohnungseigentumsgesetzes. Der Arbeiterkammer gehen die geplanten Änderungen nicht weit genug. In ihrer Stellungnahme fordern die Experten unter anderem, dass jeder Eigentümer die Möglichkeit erhalten solle, gegen unkorrekte Abrechnungen im Außerstreitverfahren vorzugehen. Das grundsätzliche Problem sieht Rosifka darin, dass die Verwaltung im mehrgeschossigen Wohnbau meist von zwei Parteien vereinbart werde und ein dritter die finanziellen Konsequenzen tragen müsse. "Kein Wunder, wenn so nicht die günstigsten Preise herauskommen."

Und oft wohl auch nicht der beste Service. Er habe die kaputte Lüftungsanlage in seiner Wohnung über ein Jahr lang reklamiert, erzählt Thorsten Guggenberger, Wohnungseigentümer in der Canettistraße 4. "Erst nach mehreren Anläufen hat es mit der Reparatur geklappt." Dazu Strauss Property Management: "Meldungen über die monatelange Nichterledigung eines Schadens sind uns nicht bekannt."

Rosemarie Schwaiger