Wirtschaft

Wolf und Wolfsburg

Übernimmt Siegfried Wolf das Russland-Geschäft des deutschen VW-Konzerns? Gerüchte kursieren, Antworten gibt es keine.

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Journalismus ist stets auch ein Geduldspiel. Am 22. September übermittelte profil dem Medienberater von Siegfried Wolf eine Anfrage, die tagelang unbeantwortet blieb. Am 4. Oktober fragten wir nach, ob die Anfrage womöglich übersehen worden sei. Die Replik kam umgehend: Nichts wurde übersehen, vielmehr: „Keine Antwort ist ja auch eine Antwort.“
Was wir wissen wollten: Ist Siegfried Wolf eben dabei, das Russland-Geschäft des deutschen Volkswagen- Konzerns zu übernehmen?


Dafür gibt es keinen Beleg, nur Spekulation. Die Online-Plattform neweurope.eu berichtete darüber am 12. September – unter Berufung auf nicht näher bezeichnete russische Medienberichte. profil suchte nach diesen, konnte bis Redaktionsschluss allerdings keine finden. Wenig überraschend wollte auch VW das Gerücht nicht kommentieren, wie der Konzern auf profil-Anfrage mitteilte.

Volkswagen produzierte in Russland seit 2007 Autos. Bis zum Überfall auf die Ukraine arbeiteten im Werk Kaluga keine 200 Kilometer von Moskau entfernt rund 4000 Menschen, seit 3. März stehen die Bänder still. Daneben betrieben VW und Oleg Deripaskas Automobilbauer GAZ in Nischni Nowgorod ein gemeinsames Werk, aus dem VW mittlerweile ausgestiegen ist. Deripaskas langjährigem Partner Siegfried Wolf wurden bis zuletzt rund zehn Prozent an GAZ zugerechnet. 2021 übernahm Wolf von der VW-Tochter MAN das Lkw-Werk in Steyr, das nunmehr unter Steyr Automotive operiert – und bis Kriegsbeginn eine (zwischenzeitlich ausgesetzte) Kooperation mit GAZ im Aufbau hatte.


Sollte VW tatsächlich einen Käufer für das Russland-Geschäft suchen, wäre Siegfried Wolf am Stammsitz in Wolfsburg zumindest kein gänzlich Unbekannter. Bei VW wollte man gegenüber profil „aufgrund der hohen Unsicherheit in der Gesamtsituation keine Aussagen über einen möglichen Neustart der Produktion in Russland machen“. „Wir beobachten die Situation ständig und ziehen verschiedene Szenarien für die weitere Entwicklung in Betracht. Eine Entscheidung darüber ist jedoch noch nicht gefallen“, so eine Sprecherin.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.