Wolfgang Waldner - ein Diplomat auf Kriegspfad
Wahlkampf ist ein brutales Geschäft. Kein Mensch würde diese Knochenmühle wochenlang aushalten, gäbe es nicht hin und wieder kleine Siege zu feiern. Und als Erfolg gilt bereits, wenn dem politischen Gegner etwas Peinliches passiert.
Mitte der Vorwoche machte in der Kärntner ÖVP eine Geschichte die Runde, die selbst den müdesten Funktionär wieder aufweckte: Kurt Scheuch, Chef der Kärntner Freiheitlichen, sei samt Entourage aus einem Wirtshaus geworfen worden, erzählte man sich. Den Wirt habe gestört, dass Scheuch dort unangemeldet eine Wahlkampfveranstaltung abhalten wollte.
Wolfgang Waldner, VP-Landesrat in der Kärntner Regierung, war gerade unterwegs zu einem Termin, als er davon erfuhr. Das heißt schon was, meinte er grinsend. So etwas hätte es unter Jörg Haider nicht gegeben.
Der 58-Jährige glaubt, dass in seiner Heimat gerade ein Umdenkprozess im Gange sei. Es bleibt ihm auch nichts anderes übrig, als das zu glauben. Nur wenn die Kärntner Wähler ihre bisherigen politischen Vorlieben grundsätzlich korrigieren, hat Waldners Projekt einen Sinn. Sollte sich bei der Landtagswahl am 3. März herausstellen, dass alles beim Alten bleibt, kann er die gesamte Aktion nur in der Rubrik Lebenserfahrung verbuchen.
Wolfgang Waldner ist auf den ersten Blick kein typischer Quereinsteiger. Bevor er im August 2012 nach Kärnten ging, war er immerhin Staatssekretär im Außenministerium. Dennoch gilt er unter den Landtagswahlkandidaten als schillernder Exot und zwar nicht nur in Kärnten. Der studierte Jurist war Kulturattaché in Washington, Leiter des österreichischen Kulturinstituts in New York und zwölf Jahre lang Geschäftsführer des Wiener Museumsquartiers. Er ist kultiviert, gebildet und zurückhaltend und zu seinem bisherigen Berufsleben passten diese Eigenschaften auch sehr gut. Waldner hat eindrucksvoll bewiesen, dass er ein weltoffener und versierter Politiker mit viel Erfahrung und hohem diplomatischem Geschick ist, erklärte ÖVP-Chef Michael Spindelegger, als sich sein Staatssekretär in Richtung Kärnten verabschiedete. Das war natürlich als Lob gemeint. Aber wer die Gepflogenheiten in der Landespolitik kennt, konnte es auch anders verstehen. Weltoffenheit und diplomatisches Geschick sind beim Hauen und Stechen in der Provinz nicht die allertauglichsten Waffen. Der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler, nur zum Beispiel, gewann seine letzte Wahl unter anderem mit ekeligen Witzen und Strömen von Freibier.
Lohnt sich das alles?
Am Mittwochabend vergangener Woche sitzt Waldner im Fond seines Dienstwagens und freut sich, dass er ausnahmsweise einmal nicht zu spät dran ist. Nächster Programmpunkt ist eine Bezirkswahlveranstaltung in der Gemeinde Lendorf, etwa eine Dreiviertelstunde von Klagenfurt entfernt. Zwar schneit es heftig, aber bis halb acht sollte es sich ausgehen. Seit dem frühen Morgen ist Waldner schon unterwegs, und wie immer wird es auch heute wieder spät werden. Lohnt sich das alles?
Er habe den Wechsel nach Kärnten bisher nicht bereut, behauptet Waldner. Obwohl sich die Freiheitlichen schlimmer aufführen, als ich gedacht habe. Die Partei des Landeshauptmanns habe ihn behindert, wo es nur ging. Erst überhäufte man ihn mit Zuständigkeiten, dann verweigerte man das nötige Personal. Dem Landeshauptmann entzog Waldner vor Kurzem das in der Kärntner Politik übliche Du-Wort. Mittlerweile geben wir uns nicht einmal mehr die Hand, erklärt er. In der Welt der Diplomatie, aus der Waldner kommt, wäre dergleichen ein Affront. Im Kärntner Mikrokosmos entfaltete die Aktion bis dato wenig Wirkung.
Trotz des unfreundlichen Wetters ist der Gemeindesaal in Lendorf bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein gutes Zeichen, findet Waldner. Die Funktionäre sind offenbar motiviert. Auf der Bühne hat bereits ein Bläserquartett Aufstellung genommen. Auf den Tischen liegen Nimm 2-Zuckerl wohl eine Anspielung auf die Doppelspitze, mit der die ÖVP in die Landtagswahl geht. Parteichef Gabriel Obernosterer ist Spitzenkandidat, der Neuling aus Wien soll wieder in die Landesregierung einziehen. Ein Arrangement, das den Wähler hoffentlich nicht zu sehr verwirrt.
Wolfgang Waldner wirkt mit seinem dunklen Anzug ein wenig deplatziert. Die meisten Herren im Saal tragen Strickjacke oder Trachtenjanker. Dafür hat der Landesrat Verstärkung mitgebracht: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist extra aus Wien angereist, um die Parteifreunde im Wahlkampf zu unterstützen. Obwohl auch der Minister textil aus der Rolle fällt, passt er insgesamt besser in diesen Saal. Mitterlehner kann bei Bedarf einen deftigen Mühlviertler Dialekt zuschalten. Das kommt zwar nicht ganz so gut wie ein echtes Kärntner Idiom, aber immer noch besser als Hochdeutsch. Ihr könnts froh sein, einen Landesrat zu haben, der frei ist im Denken, erklärt Mitterlehner. Zoagts denen, dass wir da sind!
Etwas später darf Waldner selbst ans Rednerpult. Mit einem Dialekt kann er nicht dienen. Anders als die meisten Exil-Kärntner spricht er absolut akzentfrei. Wieder einmal klagt er über die Zustände in der FPK-dominierten Landesregierung. Wenn man gegen etwas ist, wird man sofort als Verhinderer hingestellt. Wir brauchen einen neuen Stil in der Politik. Dann erzählt er über die Schwierigkeiten in der täglichen Arbeit und die vielfältigen wirtschaftlichen Probleme des Landes. Im Auditorium beginnt es zu rascheln ein Anzeichen, dass die Zuhörer nicht ganz bei der Sache sind. Waldner ist kein mitreißender Redner. Er spricht leise und verliert sich gerne in Details. Seine Welt bestand bisher aus gepflegtem Diskurs und dem Austausch gut durchdachter Argumente. Da kann man sich mit Ende 50 nicht plötzlich hinstellen und freche Sprüche ins Publikum rufen. Er bemüht sich, urteilt ein Besucher anschließend. Aber er ist halt noch ziemlich neu im Geschäft. Nach Waldners Auftritt intoniert die Blasmusik etwas ungelenk den Song New York, New York.
Grübelei und Pension
Die Kärntner ÖVP ist traditionell keine rasend erfolgreiche Landespartei. Den absoluten Tiefpunkt erlebten die Schwarzen jedoch im vergangenen Sommer, als Parteichef Josef Martinz im so genannten Birnbacher-Prozess (nicht rechtskräftig) zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Danach musste erst einmal ordentlich aufgeräumt werden. Der Nationalratsabgeordnete Gabriel Obernosterer übernahm den Parteivorsitz und holte Wolfgang Waldner als Nachfolger für den zurückgetretenen Landesrat Achill Rumpold. Der Gabi ist mir damals bis nach Grado nachgefahren, um mich zu überreden, erzählt Waldner. Nach ein paar Tagen Grübelei sagte er zu. Ich will mir in der Pension einmal nicht vorwerfen müssen, dass ich vielleicht etwas hätte ändern können und es nicht versucht habe.
Die zwei Kandidaten teilen sich die Wahlkampftermine nach Möglichkeit typgerecht: Der bodenständige Obernosterer ist seit Wochen auf Stammtisch-Tour und geht auch sonst gerne auf Tuchfühlung mit dem Volk. Waldner diskutiert derweil mit Kulturschaffenden und absolviert Betriebsbesuche. Sonderlich massenwirksam sind seine Einsätze mitunter nicht. Am Donnerstagvormittag sitzt er etwa stundenlang mit Sozialarbeitern der Stadt Villach zusammen und hört sich geduldig deren Probleme an.
Nur im Fasching ließ sich diese Einteilung nicht durchhalten. Dem organisierten Unsinn entgeht man als Kärntner Politiker beim besten Willen nicht. Also stapften Waldner und Obernosterer am Faschingsdienstag als Winnetou und Old Shatterhand durch die Klagenfurter Nacht. Das Büro des Landesrats verweist stolz auf den Umstand, dass die Kandidaten in Original-Outfits der Karl-May-Festspiele unterwegs waren. Trotzdem sieht Waldner auf einigen der bei diesem Anlass entstandenen Fotos drein, als hätte er einen eitrigen Backenzahn.
Bei der Landtagswahl 2009 erreichte die ÖVP fast 17 Prozent. Laut Umfragen wird die Partei am nächsten Sonntag ein paar Prozentpunkte verlieren. Sollte sich ein Sitz in der Landesregierung nicht mehr ausgehen, will Waldner die Politik verlassen. Eine Koalition mit der FPK hat die ÖVP-Spitze dezidiert ausgeschlossen. Ich werde mit Dörfler, Dobernig und Scheuch sicher nicht verhandeln, erklärt Waldner.
Vor neun Jahren war die damalige ÖVP-Spitzenkandidatin Elisabeth Scheucher mit dem gleichen Versprechen angetreten und hatte eine vernichtende Wahlniederlage kassiert. Doch seither wurde in Kärnten vieles anders. Glaubt Wolfgang Waldner. Vielleicht hat er Recht.
Wolfgang Waldner, 58, ist der Sohn eines Gendarmen und wuchs im Kärntner Gailtal auf. Er studierte Jus und Romanistik an der Universität Wien. Von 1983 bis 1987 war er Kulturattaché in Washington, danach wurde er persönlicher Sekretär des damaligen Außenministers Alois Mock. Elf Jahre lang leitete Waldner das österreichische Kulturinstitut in New York, zwölf Jahre lang das Wiener Museumsquartier. Vor seinem Kärnten-Einsatz war er Staatssekretär im Außenministerium. Waldner ist ein Bruder der ORF-Journalistin Gabi Waldner.