Wirtschaft

Wolford: Mit Stellenabbau und mehr Zeitgeist aus der Krise

Der heimische Strumpfhersteller Wolford hängt in den Seilen, der Luxus vergangener Zeiten ist passé. Wie erfindet er sich neu?

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So begehrt wie sie einmal waren, werden sie nie wieder sein. Bei Strumpfhosen denkt man an Großmütter, die stolz die Geschichte ihrer ersten Nylonstrümpfe erzählen. Damals war Wolford ein Synonym für Luxus, und Strümpfe wurden zu einem fixen Bestandteil der Damengarderobe. Doch ähnlich wie bei Zigaretten und Autos sind die goldenen Zeiten als Statussymbol vorbei, und Strumpfhosen sind eine Möglichkeit von vielen geworden. Das merkt auch die dazugehörige Industrie.

Die in Vorarlberg produzierende Firma gilt seit geraumer Zeit als angeschlagen. Vor einigen Jahren übernahm der chinesische Investor Fosun die Mehrheit der Aktien, die Verluste blieben, die Manager kamen und gingen. Heuer will Wolford wieder schwarze Zahlen schreiben. Doch geht sich das aus? Und wie kann sich Wolford neu erfinden?
 

Nur mehr matter Glanz

Vor über 70 Jahren gründeten die Industriellen Reinhold Wolff und Walter Palmers die Bregenzer Strumpffirma, das Unternehmen expandierte international. In den 1990er-Jahren ging die sogenannte Lady-Aktie an die Börse. Sie war lange die Luxusmarke im Palmers-Konzern, doch nach der Jahrtausendwende trübten sich die Aussichten ein. Mitte der 2010er-Jahre wollten die Palmers- Erben beziehungsweise diverse Stiftungen, denen mehr als 50 Prozent des Unternehmens gehörten, ihre Anteile loswerden. Das Griss darum war nicht besonders groß. Der chinesische Investor Fosun, der zu dieser Zeit in ganz Europa finanzschwache Modeunternehmen aufkaufte, wurde neuer Mehrheitseigentümer und kündigte eine Kehrtwende an.

Doch die lässt auf sich warten. In der Corona-Zeit war der Bedarf an edlen Strümpfen gering. Wolford musste auf Corona-Hilfen zurückgreifen. Das Unternehmen erhielt sieben Millionen Euro Fixkostenzuschuss und war damit laut Beihilfentransparenzdatenbank der EU der größte Einzelempfänger von Corona-Hilfen im Ländle. Um den Umsatzrückgang bei Strümpfen entgegenzuwirken, setzte man verstärkt auf schicke, aber gemütliche Kleidung für daheim. Damit wollte die Firma nun wirklich die Trendwende schaffen, wie der damalige Betriebsleiter Andrew Thorndike ankündigte.

Tatsächlich musste die Veröffentlichung der Geschäftszahlen zweimal verschoben werden. Das Ergebnis schaute längst nicht so rosig aus wie angekündigt. Der Umsatz stieg zwar fast um ein Drittel auf 54,3 Millionen Euro, doch so auch der Betriebsverlust (EBIT). Er erhöhte sich im ersten Halbjahr um weitere 2,1 Millionen auf 16,9 Millionen Euro. Thorndike verließ den Laden, er hatte sein Versprechen nicht halten können. 

Nun aber wirklich

Heuer soll sich wieder einmal alles ändern. Kurz vor Weihnachten erklärte das Vorstandsduo Silvia Azzali und Paul Kotrba: „2023 haben wir gute Chancen, operativ wieder Gewinn  zu erzielen.“

Doch wie soll das funktionieren? „Wir haben kein Nachfrageproblem, sondern eines auf der operativen Seite“, meint Kotrba. Die zweimal verschobene Präsentation der Geschäftszahlen im Vorjahr sei ein Desaster gewesen, so etwas werde es nicht mehr geben. „Andrew hat uns nicht in einer guten Verfassung verlassen“, spart Kotrba nicht mit Schuldzuweisungen. Und auch Azzali sagt: „Ich kann nicht behaupten, dass wir ein Dream-Team waren.“ Es habe rund um Thorndike zu viele externe Berater gegeben, die viel kosteten, aber keine langfristigen Lösungen schufen. Hier habe man die Ausgaben um 65 Prozent gekürzt. Die unter Thorndike ausgelagerte Logistik wolle man wieder ins Haus holen, denn das habe unangenehme Abhängigkeiten geschaffen. Ein weiteres Problem: Seit über zweieinhalb Jahren gab es in der angeschlagenen Firma keinen eigenen Finanzchef. Anfang Dezember wurde nachbesetzt. Auch ein neuer Designchef kommt, und im Aufsichtsrat gab es ein Sesselrücken.

Im kommenden Jahr soll nun mehr Geld ins Marketing und in den digitalen Auftritt fließen – etwa zehn Prozent des Umsatzes. Die Personalkosten sollen hingegen sinken – um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nur durch natürlichen Abgang wird das freilich nicht gehen. „Manchmal müssen sogar gesunde Firmen Mitarbeiter entlassen, und bekanntlich ist Wolford keine ganz gesunde Firma“, erklärt Kotrba die Situation diplomatisch.

Auch beim Geschäftsmodell dürfte sich etwas ändern: mehr Flagship, weniger Kleinstadt. Wolford hat 2022 in New York, Shanghai und Paris in prominenten Lagen neue Geschäfte eröffnet. Die vielen kleinen Wolfordgeschäfte – vor allem im deutschsprachigen Raum – werden aber weniger, kündigt das Vorstandsduo an. Der Onlinehandel decke diese Bereiche besser ab als der stationäre. Und kostet weitaus weniger. Eine Entwicklung, die in den letzten drei Jahren pandemiebedingt beschleunigt wurde.

Um diese neuen Pläne möglich zu machen, braucht es aber  frisches Geld: Wolford bat im Dezember zur Hauptversammlung, wo zuerst eine Kapitalherabsetzung und dann eine Kapitalerhöhung beschlossen wurde. Das Grundkapital wurde auf 32 Millionen Euro herabgesetzt, 3,3 Millionen Stückaktien ausgegeben. Damit soll die zuletzt negativ gewordene Eigenkapitalquote wieder auf zehn Prozent steigen. Es habe mehre Optionen gegeben, sagt Kotrba. Diese Maßnahme sei „ein Sicherheitsnetz und ein Fonds für regnerische Tage“.

Silvia Azzali, Wolford-Vorständin

„2023 haben wir gute Chancen operativ wieder Gewinn zu erzielen.“ 

Paul Kotrba, Wolford-Vorstand

„Manchmal müssen gesunde Firmen Mitarbeiter entlassen, und bekanntlich ist Wolford keine ganz gesunde.“

Luxus ohne Begehren

Doch wenn Wolford kein Nachfrageproblem hat, wie der Vorstand beteuert, was ist es dann? Die Krux ist: Wolford hat luxuriöse Preise, zählte aber nie wirklich zu den Luxusmarken, die jetzt – trotz Teuerung – ein Umsatzhoch verzeichnen. 

Vorstand Kotrba meint, Wolford müsse seine Geschichte neu erzählen. Das klingt auf den ersten Blick nach einem typisch inhaltsleeren Satz, der in solchen Momenten gerne gesagt wird. Aber bei Wolford nicht. Die Bregenzer Firma produziert zwar hochpreisige Ware, diese weckt aber offenbar keine Begehrlichkeiten mehr. Dabei sind Konsumenten durchaus bereit, sehr viel Geld für zuvor so nicht erkannte Bedürfnisse auszugeben. 

Die goldenen Zeiten für Strümpfe mögen zwar vorbei sein, doch Wolford produziert längst nicht mehr nur solche, sondern etwa auch Rollkragenkleider aus Merinowolle, Bodies und sportliche Alltagskleidung (Athleisure). Weit mehr als  „luxuriöse Strumpfhosen für Kostümträgerinnen, die es kaum noch gibt“, wie das deutsche „Manager Magazin“ in einem Artikel im vergangenen Sommer schrieb.
Auf der sportlichen Freizeitkleidung ruht die eigentliche Hoffnung der Bregenzer.  Sie wurde in den letzten Jahren zunehmend salontauglich. Das weltweite Marktvolumen betrage 330 Milliarden US-Dollar, heißt es bei Wolford, und der Markt wachse stark. Da wolle man sich nun als Luxusplayer positionieren. Azzali wollte den Fokus schon vor Jahren dorthin lenken, doch sie konnte sich nicht durchsetzen. Wolford habe damals versucht, sich stärker im allgemeinen Modebereich zu positionieren. Doch bereits in den 1980er-Jahren habe man Aerobic-Mode hergestellt. „Das ist viel mehr unsere DNA“, so Azzali. 

Und dorthin will sie zurück. Kommende Woche startet Wolford eine neue Kampagne, die „fluid und empowernd“ wirken soll. Eine Ikone der gerade sehr hippen 1980er-Jahre konnte als Testimonial gewonnen werden, ist zu hören. Die biedere Kostumträgerin als Zielgruppe soll dann der Vergangenheit angehören.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.