Geldanlage
WU-Professor: Warum die Lust auf Dividenden irrational ist
Manfred Frühwirth, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, über die richtige Streuung beim Wertpapierinvestment und warum Anleger weder Scheu vor Anleihen noch Rohstoffen haben müssen.
25.01.24
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2023 war ein fantastisches Börsenjahr, 2024 ist eher mau gestartet. Was können Anleger – und solche, die es noch werden wollen – tun, um ihr Geld möglichst gut in Wertpapiere zu investieren?
Manfred Frühwirth
Das Ziel sollte immer Diversifizierung sein. Das heißt, das Vermögen auf möglichst viele verschiedene Wertpapiere aufzuteilen. Von Aktien quer durch alle Branchen und Länder, über Anleihen bis hin zu Immobilien und Rohstoffen. Das ist in Wirklichkeit einer der wenigen Tricks, die es bei der Geldanlage gibt.
Wie diversifiziert man denn richtig?
Manfred Frühwirth
Ich habe mir angesehen, was die Wissenschaft zur optimalen Asset Allocation (Vermögensaufteilung, Anm.) sagt und wie aktiv gemanagte Fonds das machen. Wichtig ist ein fixer Aufteilungsschlüssel, der sich nicht wahnsinnig ändern soll und an dem man sich in Zukunft orientieren kann. So habe ich meine eigene Gewichtung für das riskant veranlagte Vermögen.
Verraten Sie uns die?
Manfred Frühwirth
55 Prozent Aktien, 24 Prozent Anleihen, 10,5 Prozent Rohstoffe und 10,5 Prozent Immobilien. Wenn dann etwa die Rohstoffe im Wert steigen, kann es passieren, dass dort möglicherweise plötzlich 20 Prozent meines Vermögens investiert sind – dann muss ich verkaufen. Gehen die Rohstoffe hingegen im Wert runter, muss ich nachkaufen, um meine Ziel-Asset-Allocation zu halten. So kaufe ich automatisch billig und verkaufe teuer.
Haben Sie auch Tipps für die Diversifizierung innerhalb der einzelnen Anlageklassen?
Manfred Frühwirth
Bei den Aktien würde ich einen sehr breit gestreuten ETF (steht für Exchange Traded Funds, Anm.), also einen Indexfonds, wählen, der einen globalen Aktienmarktindex nachbildet. Am besten gefällt mir der MSCI All Country World Investable Market Index (MSCI ACWI IMI), weil dieser über 9000 Aktien aus Industrie- und Entwicklungsländern sowie auch kleine Unternehmen enthält.
Wie findet man als Neueinsteiger in die Welt der Wertpapiere konkrete ETFs auf bestimmte Indizes?
Manfred Frühwirth
Es gibt Online-Plattformen wie etwa JustETF, da geben Sie den Namen des Index ein, und dann wird aufgelistet, welche ETFs es dazu gibt. Meistens sind das gar nicht so viele pro Index. Dazu findet man eine Art Steckbrief, wo man über die Eigenschaften des Fonds, wie etwa die Zusammensetzung, die Gesamtkostenquote und vieles mehr, informiert wird.
Es ist Teil der Diversifizierung auch in Fremdwährungen zu investieren
Wie gehe ich beim Anleihenkauf vor?
Manfred Frühwirth
Da würde ich ETFs wählen, die einen Aggregate Bond Index replizieren. Wie zum Beispiel den Bloomberg Global Aggregate Bond Index. Dieser hat rund 29.300 Anleihen im Portefeuille – von Staatsanleihen über Unternehmensanleihen bis hin zu besicherten Anleihen. Da gibt es auch Fonds, die sind gehedgt. Das heißt, wenn Anleihen in fremden Währungen notieren, ist man gegen das Währungsrisiko abgesichert. Davon halte ich aber nicht so viel. Denn meiner Ansicht nach ist es ebenso Teil der Diversifizierung, auch in Fremdwährungen zu investieren. Damit kann man sich auch ein bisschen gegen das Inflationsrisiko im Euro absichern.
Private Kleinanleger denken oft, dass der Anleihenkauf recht kompliziert sei …
Manfred Frühwirth
Das ist nicht komplizierter als der Kauf eines jeden anderen Indexfonds. Und im Gegensatz zu einem durch einen Fondsmanager gemanagten Fonds ist ein ETF viel besser diversifiziert. Welcher Anleihenfonds hat sonst über 29.000 Anleihen drinnen?
Anleihen haben jedoch immer begrenzte Laufzeiten. Worauf ist da zu achten?
Manfred Frühwirth
Wenn man eine einzelne Anleihe kauft und die dann ausläuft, muss man eine neue kaufen. Bei einem Fonds kann einem das egal sein. Denn der hat nur ein Ziel: den Index zu duplizieren. In dem Moment, wo die Anleihe ausläuft, kommt eine andere rein. Als Anleger muss man nichts machen. Außer es ist ein ausschüttender, und das ist bei Anleihenfonds sehr häufig der Fall: Da bekommt man Ausschüttungen, die man dann wieder veranlagen muss.
Ist es generell sinnvoller, einen ausschüttenden oder einen thesaurierenden Fonds zu nehmen?
Manfred Frühwirth
Ich denke beim Anlagezweck immer an die Pensionsvorsorge. Und in dem Fall sind thesaurierende Fonds besser, denn da werden die Zinsen oder bei Aktienfonds die Dividenden automatisch reinvestiert. Man profitiert vom Zinseszinseffekt. Abgesehen davon könnte es sein, dass es bei ausschüttenden auch zu steuerlichen Nachteilen kommt. Besonders stören mich jene Fonds, die zwei- oder viermal pro Jahr ausschütten. Das verursacht jedes Mal Spesen. Ich weiß, die Leute stehen auf Dividenden, oft aus irrationalen Gründen. Aber zurück zu den Anleihenfonds: Da hätte ich persönlich am liebsten einen, der weltweit diversifiziert, der die Währung nicht absichert und der thesaurierend ist. Aber so einen habe ich bis jetzt noch nicht gefunden.
Wie schaut es mit einem Investment in Rohstoffe aus? Da haben auch viele eine Scheu davor.
Manfred Frühwirth
Stimmt. Das macht kaum jemand. Aus Gründen der Diversifizierung wäre das aber sehr sinnvoll. Weil auf Rohstoffe ganz andere Preiseinflussgrößen wirken als auf Aktien oder Anleihen. Rohstoffpreise hängen beispielsweise davon ab, ob die OPEC Ölmengen verändert. Oder von Kriegen wie aktuell in der Ukraine. Der hatte zwar auch Auswirkungen auf die Aktien, aber nicht sehr große.
Wie wähle ich Rohstoffe aus?
Manfred Frühwirth
Es gibt fünf Rohstoffklassen: Energie, Edelmetalle, Industriemetalle, Lebendvieh und landwirtschaftliche Rohstoffe. Wichtig ist auch hier ein breiter Index. Sie haben nichts von einem Edelmetall-ETF oder solchen, die landwirtschaftliche Rohstoffe ausschließen. Das zweite Kriterium: Wie schaut es mit Rollverlusten aus? Weil Rohstoffe ja nicht physisch hinterlegt werden, wird mit Futures, also Derivaten gearbeitet. Kurz bevor ein Future nach drei oder sechs Monaten abläuft, muss man den alten verkaufen und einen neuen kaufen. Der ist dann meistens teurer. Diese Verluste versuchen manche ETFs zu reduzieren.
Sie scheinen ein großer Fan von ETFs zu sein.
Manfred Frühwirth
Ja, weil sie viel weniger kosten als gemanagte Fonds. Und wie die Empirie zeigt, erzielen Fondsmanager nur in den seltensten Fällen ein besseres Ergebnis als der Vergleichsindex.
Wenn Sie sich das Nachbargrundstück kaufen, haben Sie ein unglaubliches Klumpenrisiko
Und wie investiere ich in Immobilien?
Manfred Frühwirth
Da gibt es im Prinzip drei Möglichkeiten: Sie kaufen sich das Nachbargrundstück, aber dann haben Sie ein unglaubliches Klumpenrisiko. Da ist es besser, einen offenen Immobilienfonds zu kaufen. Der investiert in viele verschiedene Immobilien, wo Ihnen von jeder, Daumen mal Pi, 0,0001 Prozent gehören. Wenn dann vor ein Wohnhaus eine Autobahn gebaut und dieses dadurch entwertet wird, kann ihnen das fast egal sein. Wenn es Ihr eigenes Grundstück ist, haben Sie auf einen Schlag einen Wertverlust von 40 Prozent oder mehr. In Österreich gibt es von Erste Bank und Unicredit Bank Austria sehr bekannte Immofonds. Der Nachteil: Sie haben natürlich einen Ausgabeaufschlag. Billig ist das nicht – insofern würde ich da auch nicht laufend kaufen und verkaufen. Der perfekte Immobilienfonds wäre einer, der global investiert und alle möglichen Immobilienarten drinnen hat. Von Geschäfts- zu Wohnimmobilien, über Logistik und Einzelhandel.
Sie haben noch von einer weiteren Möglichkeit, in Immobilien zu investieren, gesprochen.
Manfred Frühwirth
Ja, indem man Aktien von Immobiliengesellschaften kauft.
Wäre die Signa börsennotiert, wäre das aktuell wohl ein ziemlich abschreckendes Beispiel für diese Möglichkeit …
Manfred Frühwirth
Ja, aber der Vorteil ist, dass es auch dafür sehr breit diversifizierte ETFs gibt. Doch das Risikoprofil im Vergleich zu offenen Immobilienfonds ist natürlich ein anderes. Während der weltweiten Immobilienkrise im Jahr 2008 sind die meisten offenen Immobilienfonds – relativ flach, aber doch – nach oben gegangen, während die Aktien der Immobilienunternehmen, auch der österreichischen, einen massiven Absturz erlebt haben. Weil es eben nur ein indirektes Immoinvestment ist und man hier auch allen Irrationalitäten am Aktienmarkt ausgeliefert ist.
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Christina Hiptmayr
war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.