YLine-Gründer Werner Böhm: Die Nähe zur FPÖ war mein größter Fehler
25,5 Millionen Euro Schulden; neun Millionen Euro verwertbares Vermögen; eine Gläubigerquote von recht ordentlichen 35 Prozent. Als Konkurs war die YLine Internet Business Services entstanden 1998, entschwunden 2001 nicht eben das große Spektakel. Und doch ist die Story vom Aufstieg und Fall des Internetdienstleisters auch 13 Jahre nach ihrem vermeintlichen Ende heiß. Weil sie von einer Zeit erzählt, in der Internetpioniere mit nichts als einer flotten Idee über Nacht zu Multimillionären wurden, ehe die Dot.com-Blase platzte (eine neuerliche ist gerade im Entstehen). Eine Zeit, in der Erscheinungen wie Karl-Heinz Grasser aus dem Nichts in höchste Regierungsämter gespült wurden. Vor allem aber ist YLine die Geschichte eines Justizdebakels. Seit April dieses Jahres, zwölfeinhalb Jahre nach dem Konkurs, wird zwölf Personen unter anderem wegen vermuteter Untreue, schweren Betrugs, betrügerischer Krida, Bilanzfälschung und Insiderhandel der Prozess gemacht. Eine weitere ursprünglich Beschuldigte nahm sich noch vor der Eröffnung das Leben. Es brauchte letztlich drei Staatsanwälte und zwei Anklagebehörden, um die Causa vor Gericht zu bringen. Und dies auf Basis eines bereits 2006 erstellten Gutachtens, das nunmehr unbrauchbar ist, weil der Sachverständige aus gesundheitlichen Gründen nicht länger zur Verfügung steht. Folglich muss ein neues Gutachten her, weitere Komplikationen sind zu erwarten. Schon allein deshalb, weil zwischenzeitlich wesentliche Datenträger unauffindbar oder unlesbar sind. So verschwanden bereits vor Jahren zehn behördlich beschlagnahmte YLine-Laptops aus einem versperrten Polizeifahrzeug (Nr. 10/04).
Nach bisher 29 Verhandlungstagen kam das Gericht mangels Gutachten und brauchbarer Erinnerungen wichtiger Zeugen nicht wirklich vom Fleck. Der Weg zu einer rechtskräftigen Erledigung ist im Lichte dieser Pannen nur noch länger geworden. Und teurer. Die Verfahrenskosten werden deutlich jenseits einer Million Euro liegen, wobei von den Angeklagten im Falle einer Verurteilung kaum mehr etwas zu holen sein dürfte.
Werner Böhm ist einer der zwölf Beschuldigten. Er war Gründer, Aktionär und Vorstandschef der YLine. Er war auch jener Mann, der um die Jahrtausendwende, die zugleich auch eine politische Wende im Lande zeitigte, die Nähe zu Haiders FPÖ suchte und YLine zu einer Art verlängerten Werkbank der Blauen machte.
Das folgende Interview wurde im Beisein von Böhms Verteidiger Oliver Scherbaum (Wille Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte) geführt.
profil: Herr Böhm, seit mehr als einem Jahrzehnt tragen Sie gezwungenermaßen die Unschuldsvermutung mit sich herum. Wie fühlt sich das an?
Werner Böhm: Nicht besonders gut. Die vergangenen Jahre waren sehr belastend. Die Familie wurde zerrüttet. Als YLine 2001 in Konkurs ging, waren meine Tochter sechs und mein Sohn fünf. Sie schleppen die YLine-Sache also ihr ganzes bisheriges Leben mit und das mit der Unsicherheit, nicht zu wissen, was ihr Vater getan oder nicht getan hat.
profil: Wie erklärt man seinen Kindern, was der Vater getan oder nicht getan hat?
Böhm: Meine Kinder sind heute erwachsen und haben ihr eigenes Leben. Und doch ist YLine, wann immer wir einander sehen, ein Thema. Auch bei Geburtstagen oder Familienfeiern wird nur darüber gesprochen. Und selbst meine Familie ist nicht mehr ganz so sicher, ob der Vater nicht vielleicht doch etwas angestellt hat.
profil: Nach meinen Recherchen ist YLine die längste unerledigte
Wirtschaftsstrafsache Österreichs. Als Ihr Unternehmen im September 2001 kollabierte, rechneten wir noch in Schilling.
Böhm: Das sagt eigentlich alles.
profil: Seit 23. April dieses Jahres müssen Sie sich gemeinsam mit elf weiteren Personen vor dem Wiener Straflandesgericht verantworten. Die Anklage lastet den Beschuldigten im Wesentlichen Untreue, schweren Betrug, betrügerische Krida, Insiderhandel und Bilanzfälschung an. In Ihrem Blogeintrag zu diesem Tag schreiben Sie: Pünktlich um 9.30 Uhr hat heute im Großem Schwurgerichtssaal die lang herbeigesehnte Hauptverhandlung begonnen. War das ernst gemeint?
Böhm: Ja.
profil: Wie kann man sich danach sehnen, vor Gericht gestellt zu werden?
Böhm: Weil zumindest die Ungewissheit endet. 2007 hatte ich mich bereits in einem Finanzstrafverfahren in Zusammenhang mit YLine vor Gericht verantworten müssen. Nach zwei Verhandlungstagen wurde ich freigesprochen. Der Ankläger war damals Georg Krakow (später Kabinettschef unter Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, heute Rechtsanwalt, Anm.). Er erschien am zweiten Verhandlungstag gar nicht mehr. Und ich war der Meinung, da komme nichts mehr. Als die Anklage im Dezember 2012 kam, fiel ich aus allen Wolken. Da gibt es diesen blöden Spruch: Die schlimmste Bedrohung ist die, auf die man wartet.
profil: Die erste Aktenzahl des Ermittlungsverfahrens stammt aus dem Jahr 2002. Es dauerte zehn Jahre bis zur Anklageerhebung und noch einmal fast eineinhalb Jahre, ehe der Prozess schließlich eröffnet wurde. Wie haben Sie die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwälte wahrgenommen?
Böhm: Eigentlich gar nicht. 2001 war die Insolvenz, 2004 wurde ich das erste Mal einvernommen. Die Geschichte lief bis dahin hauptsächlich über die Medien, und ich hatte politische Kontakte. Peter Pilz zum Beispiel interessierte sich besonders für unsere Verbindungen zur FPÖ und zu Karl-Heinz Grasser. Christoph Matznetter wiederum brachte im Parlament die kriminellen Aktivitäten der Blauen bei YLine zur Sprache. Ich rief ihn daraufhin an immerhin hatten wir zuvor ja eine geschäftliche Beziehung gehabt: Seine Kanzlei machte seinerzeit die Lohnverrechnung und Buchhaltung der YLine, meine Schwester hatte bei ihm gelernt, und außerdem hatte er mir auch meine Privatstiftung aufgesetzt. Außerdem kommen wir beide aus dem roten Lager. Matznetter meinte: Herr Böhm, das ist Politik. Das dürfen S nicht so ernst nehmen. 2004 wurde ich zwei Tage lang von der Wirtschaftspolizei einvernommen. Dann war Pause bis 2007, ehe ich wegen der Finanzvergehen angeklagt wurde. 2011 wurde ich dann das zweite und letzte Mal vom jetzt zuständigen Staatsanwalt einvernommen. Und dann passierte wieder nichts bis zur Anklageerhebung 2012.
Oliver Scherbaum: Das ergibt sich auch aus dem Antrags- und Verfügungsbogen der Staatsanwaltschaft, wo die Ermittlungsschritte genau aufgelistet sind. Man sieht, dass es zwischen 2002 und 2006 zu mehreren Einvernahmen mit Beschuldigten und Zeugen kam, aber zwischen Mitte 2006 und 2011 klafft ein Loch. In diesen fünf Jahren ist seitens der Staatsanwaltschaft, gelinde gesagt, gar nichts unternommen worden, obwohl ihr seit 2006 auch das Gutachten des Sachverständigen Thomas Keppert vorlag. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot der Strafprozessordnung ist das schwer zu bemängeln. Der Akt siechte offensichtlich in irgendeinem Kammerl der Staatsanwaltschaft vor sich hin.
profil: Herr Böhm, als YLine 2001 in Konkurs ging, waren Sie 37
Böhm:
jetzt, wo Sie das sagen.
profil: Mittlerweile sind Sie im 51. Lebensjahr. Wie plant man sein Leben, wenn man nicht weiß, ob und wann und weshalb man vor Gericht gestellt wird?
Böhm: Gar nicht. Das ist mein persönliches Drama, und das nicht nur auf familiärer Ebene. Ich hatte bei YLine private Haftungen, die von den Gläubigern geltend gemacht wurden. Eine restlose Entschuldung war mir aber nie möglich, weil alle sagten, sie warten auf den Ausgang des Strafverfahrens. In einer solchen Situation findest du auch keinen Geschäftspartner, der sich mit dir einlassen will. Ich musste mich mit kleinen Beratertätigkeiten über Wasser halten. Hauptsächlich grausliche Sanierungsaufträge.
profil: Sie haben am ersten Verhandlungstag angegeben, vermögens- und einkommenslos zu sein und derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Böhm: Ja. Ich musste mir deshalb auch Geld von einem Freund leihen. Sie können sich vorstellen, dass das nicht lustig ist.
profil: Auf dem Höhepunkt des damaligen Hypes war der YLine-Gründungsaktionär Werner Böhm unvermittelt einige hundert Millionen Schilling schwer, und sei es nur auf dem Papier.
Böhm: Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich plötzlich Millionär war. Als ich YLine 1998 gründete, war ich faktisch pleite. Dann kam der Börsegang, und auf einmal waren meine Anteile auf dem Papier 25 Millionen Schilling wert, später noch sehr viel mehr. Nur habe ich diese Gewinne eben nie realisiert.
profil: Ein maßgeblicher Grund für den Konkurs Ihrer Gesellschaft war ein Vertragsverhältnis mit dem Partner IBM, das schließlich zu Auseinandersetzungen über wechselseitige Forderungen führte.
Böhm: Aus meiner Sicht ja. Das kommt im Geschäftsleben vor. Die Staatsanwaltschaft steht aber auf dem Standpunkt, das sei ein außergewöhnlich gewagtes Geschäft gewesen.
profil: Was war die Idee dahinter?
Böhm: Wir wollten die PCs so verkaufen, wie heute jedes Handy verkauft wird: über eine geringe Anzahlung, mit einem Gebührenmodell auf Monatsbasis. Und weil ich eine IBM-Vergangenheit hatte, lag das nahe: die Hardware von IBM, Internetsoftware und -zugang von YLine und einem weiteren Partner. Wir haben zunächst kleinere Versuche gemacht, und weil das gut klappte, wollten wir das gemeinsam ausbauen. Groß wurde die Sache erst, als News einstieg.
profil: Im Wege von Abobeigaben.
Böhm: Der erste Test war mit Format 1999. Wir haben zunächst 2000 Stück abgesetzt. Und dann standen die Brüder Fellner schon da und haben IBM und mir vorgeschlagen, das richtig aufzuziehen. Wir wollten mit News auch eine gemeinsame Firma gründen und diese an die Börse bringen, dazu kam es aber nie. Die Fellners waren übrigens sehr anstrengend.
profil: Inwiefern?
Böhm: Denen ging es um jedes Abo. Wir hatten deshalb x Meetings. Einmal tauchte Helmut Fellner unangemeldet in einer YLine-Vorstandssitzung auf und wollte wissen, ob eh alles läuft.
profil: Und wie lief es?
Böhm: Wir haben schlussendlich gut 35.000 PCs abgesetzt. Das ist wirklich nicht wenig. Dann drängte IBM die YLine aber dazu, die Vertragskonditionen zu unserem Nachteil zu ändern. Das war für uns inakzeptabel und letztlich der Anfang vom Ende.
profil: Geht es nach der Anklage, dann war YLine mehr Schein als Sein und nie darauf ausgerichtet, reale Umsätze zu generieren. Die YLine-Organe sollen Geld auf dem Kapitalmarkt eingesammelt und damit hauptsächlich überbewertete Beteiligungen aufgekauft haben, um die Unternehmensgruppe künstlich aufzublähen. Bezahlt wurde dabei stets mit YLine-Aktien.
Scherbaum: Im Kern geht es um zwei Themenbereiche: zum einen um die vermutete überhöhte Bewertung sogenannter Sacheinlagen, zum anderen um eine behauptete Verschleppung des Konkurses. Die zweite Frage stellt sich de facto ja bei jeder Insolvenz. Zur ersten habe ich schon in meinem Eröffnungsplädoyer festgehalten: Was ist das Internet wert? Facebook kauft WhatsApp um 16 Milliarden Dollar und das nicht 2001, sondern im Jahr 2014. Was hat WhatsApp? Nichts außer User. Da gibt es kein Betriebs- oder Anlagevermögen, kaum Umsätze. Die klassische Unternehmensbewertung war und ist auf das Internet nicht anwendbar. Dessen ungeachtet hat YLine nicht einfach so gekauft, sondern stets auf Grundlage von Bewertungen anerkannter Wirtschaftsprüfer.
profil: Eine beteiligte Wirtschaftsprüferin sitzt heute mit auf der Anklagebank.
Scherbaum: Das stimmt.
Böhm: Die Anklage ist subjektiv nicht schlüssig. Mehr als zwei Drittel der Gelder, die wir auf dem Kapitalmarkt eingesammelt haben, sind an IBM gegangen. Außerdem floss im Zuge der Expansion kein Geld. Wir haben Aktien von Unternehmen übernommen und dafür mit Aktien von YLine bezahlt. Wenn nun von der Staatsanwaltschaft eine Überbewertung der Aktien dieser Internet-unternehmen vorgeworfen wird, dann muss diese Überbewertung auch für die Aktien des Internetunternehmens YLine gelten. Mit anderen Worten, auch die erworbenen Unternehmen hätten dann nur weniger erhalten, als sie erwartet haben. Den Preis hat schließlich der Markt bestimmt, nicht der Werner Böhm. Ich bin aber bis heute davon überzeugt, dass die Bewertungen richtig waren.
profil: Die Beweiswürdigung obliegt dem Gericht, wir werden das mit Blick auf das laufende Verfahren nicht final klären können. Dreh- und Angelpunkt der Anklage ist ein Gutachten des Sachverständigen Thomas Keppert, das jetzt allerdings keine Relevanz mehr hat. Warum?
Scherbaum: Die Strafprozessordnung sieht vor, dass Sachverständigengutachten vom Verfasser mündlich vorgetragen werden müssen. Das kam hier nicht infrage, da Keppert dem Gericht aus gesundheitlichen Gründen für die Dauer des Verfahrens nicht zur Verfügung stand. Sein Gutachten fällt damit zur Gänze weg. Zwischenzeitlich gibt es einen neuen Gutachter.
profil: Heißt das, dass die Anklage auf Vorwürfen basiert, die es, rechtlich gesehen, gar nicht mehr gibt?
Scherbaum: Die Grundlage der Anklage ist weggefallen. Daher wird jetzt im Hauptverfahren versucht, die für eine Anklage notwendigen Ermittlungen durchzuführen. Das ist meines Erachtens eine völlig unzulässige Art der Beweislastumkehr und stellt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes dar.
profil: Professor Keppert hat drei Jahre für sein Gutachten benötigt. Wie viel Zeit hat der neue Sachverständige?
Scherbaum: Es sollte schneller gehen, weil er nur die anklagerelevanten Themen klären soll. Ursprünglich sollte mit Ende Oktober ein Teilgutachten vorliegen, mittlerweile ist damit zu rechnen, dass auch beim nächsten Verhandlungstag am 4. Dezember keine Expertise vorliegen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass wesentliche Datensätze mittlerweile verschwunden oder nicht mehr lesbar sind ganz zu schweigen davon, dass wichtige Zeugen sich nicht mehr an die Vorgänge vor zwölf, 13 Jahren erinnern können. Teils wussten sie nicht einmal mehr, dass sie polizeilich einvernommen wurden. Auch das bewirkt eine Verletzung der Menschenrechte, weil Zeugen von der Verteidigung nicht mehr adäquat befragt werden können.
Böhm: Mangels Sachverständigen haben wir bisher vor Gericht viel Zeit damit verbracht, über meinen Charakter zu sprechen. Einer Klärung der Sachlage sind wir damit nicht näher gekommen.
profil: Der Fall YLine hatte stets auch eine politische Dimension. Sie machten einst Geschäfte mit Jörg Haiders Umfeld, überhaupt galt YLine galt als eine Art verlängerte Werkbank der damaligen FPÖ. Wie kam es dazu? Sie selbst sagten ja, Sie kämen eigentlich aus dem roten Lager.
Böhm: Familiär, ja. An sich war ich immer ein unpolitischer Mensch. Über Mike Lielacher (der frühere Wertpapierchef der Ersten österreichischen Spar-Casse, Anm.) bin ich irgendwann 1999, also jedenfalls vor der Nationalratswahl, erstmals mit Ernst Hofmann in Berührung gekommen, der dann ja auch den Aufsichtsratsvorsitz bei YLine übernahm.
profil:
und der nun ebenfalls angeklagt ist. Wussten Sie, dass Hofmann einer der engsten Vertrauten Haiders war?
Böhm: Zunächst nicht. Mir wurde er als Industrieller vorgestellt. Ein jovialer Mensch, sehr sympathisch. Hofmann hat mich dann zu einem Abendessen eingeladen, da waren auch Haider und Gerhard Mikscha (ehemaliger Haider-Sekretär und FPÖ-Bundesgeschäftsführer, Anm.) dabei. Das war meine erste Begegnung mit dieser Partie. Haider fand das Internet sehr spannend, wir haben uns gut unterhalten. Danach hat mich Hofmann sukzessive in diese Kreise eingeführt. Man traf sich damals im Hotel de France in Wien: Lielacher, Hofmann, Haider, Mikscha, Peter Westenthaler, Gernot Rumpold und ich war halt auch dabei. Ich muss zugeben, dass mir das getaugt hat, so mittendrin. Ich dachte wirklich, die wollen das Land reformieren, und ich sei jetzt ein Teil davon. Das war im Rückblick total naiv. Die Nähe zur FPÖ war mein größter Fehler.
profil: Im April 2000 erhielt YLine von Gerhard Mikscha den Auftrag, die Homepage der Bundes-FPÖ neu zu gestalten. Da ging es gleich einmal um umgerechnet 1,8 Millionen Euro, wovon die FPÖ am Ende rund 900.000 Euro bezahlte. Der YLine-Masseverwalter musste den Großteil allerdings vor Gericht erstreiten.
Böhm: So gesehen kann ich von mir behaupten, dass YLine im Gegensatz zu anderen Unternehmen Geld von der FPÖ bekommen hat und nicht umgekehrt.
profil: Im November 2000 wollte die FPÖ Sie als Nachfolger für den zurückgetretenen Infrastrukturminister Michael Schmid installieren.
Böhm: Ja. Ich hätte es auch gemacht. Aber die wollten, dass ich FPÖ-Mitglied werde. Das wollte ich wiederum nicht. Außerdem gab es damals schon interne Dissonanzen zwischen Haider und Frau Riess-Passer.
profil: Zwischen 1999 und 2000 war Karl-Heinz Grasser Aktionär von YLine. Wie kam es zu dieser Beziehung?
Böhm: Ich lege Wert auf die Feststellung, dass ich nie eine Beziehung zu Grasser hatte. Grassers Beteiligung an YLine kam auf Vermittlung des Tandems Ernst Hofmann und Mike Lielacher zustande. Ich selbst hatte nur einmal direkten geschäftlichen Kontakt zu Grasser. Im Frühjahr 2000 wollten wir als YLine die Jet2Web übernehmen (Anm.: der damalige Internetarm der Telekom Austria). Ich habe Hofmann darauf angesprochen, der ein Gespräch mit Grasser arrangierte. Grasser hörte sich das an und sagte: Setz dich mit dem Ditz zusammen und überlegt, wie ihr das machen könnt.
profil: Johannes Ditz war damals Vorstand des Telekom-Großaktionärs ÖIAG, die Grasser unterstellt war.
Böhm: Ja. Ich traf Ditz dann im Café Schwarzenberg, und er war sichtlich nicht amüsiert, mit mir sprechen zu müssen. Und doch hat er mir einen Termin bei Rudi Fischer verschafft (damals Telekom-Vorstand, Anm.). Aus dem Geschäft wurde zwar nichts, ich war aber erstaunt, wie leicht man da Termine bekam.
profil: Im November 2000 erhielt das in der Öffentlichkeit völlig unbekannte Unternehmen FirstinEx vom Kabinett Grasser den Auftrag, die Homepage des Finanzministeriums für 59.649 Euro zu modernisieren. YLine war zu diesem Zeitpunkt Mehrheitsaktionär bei FirstinEx aber nicht nur: Auch Grassers Vater war damals über einen Treuhänder an FirstinEx beteiligt. Im März 2001 bekam FirstinEx auch noch den Auftrag, die private Homepage von Grasser aufzusetzen, bezahlt aus Zuwendungen der Industriellenvereinigung.
Böhm: Das war eine höchst merkwürdige Geschichte, die an mir vorbeilief. FirstinEx war ja eigentlich auf Versicherungssoftware spezialisiert und hatte kaum Erfahrung mit der Gestaltung und dem Betrieb von Homepages. Ich wusste auch nicht, dass der FirstinEx-Vorstand Dieter Jandl Grassers Schulfreund war.
profil: Der von der IV gesponserte Verein zur Förderung der New Economy zahlte auf Veranlassung von Grassers Kabinettschef Matthias Winkler letztlich 240.000 Euro für Grassers private Homepage. Die eine Hälfte wurde an FirstinEx bezahlt, die andere wanderte in Richtung Peter Hochegger.
Böhm: Das war sicher zu teuer und nicht das Kerngeschäft von FirstinEx. Die Sache kam nur aufgrund der persönlichen Beziehungen von Grasser, Winkler und Jandl zustande. Ich glaube, das wäre sehr viel billiger zu machen gewesen.
Foto: Philipp Horak für profil