Zielpunkt ist pleite - aber seit wann?
Zumindest hatte das die Geschäftsführung der Handelskette mit ihren zuletzt 229 Filialen und rund 2800 Beschäftigten noch vor einem Jahr behauptet. So aber. Mittwoch vergangener Woche vermeldete der oberösterreichische Alleineigentümer Pfeiffer Handels GmbH („Unimarkt“) die Zahlungsunfähigkeit von Zielpunkt. Der entsprechende Insolvenzantrag wird noch diese Woche folgen.
Das Unternehmen – das seit 2010 durch die Hände wechselnder Eigentümer ging, ehe es 2014 zur Gänze bei Pfeiffer landete – dürfte auf Schulden in einer Größenordnung von jedenfalls 60 Millionen Euro sitzen. Größter Gläubiger soll allerdings die Trauner Muttergesellschaft selbst sein (laut Eigenkapitalersatz-Gesetz werden deren Forderungen im Insolvenzverfahren wohl zur Gänze untergehen). Belastbare aktuelle Zahlen liegen nicht vor, der letzte öffentlich zugängliche Jahresabschluss bezieht sich auf das Geschäftsjahr 2013/2014, das am 28. Februar 2014 endete. Und schon die darin enthaltenen Feststellungen der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young werfen in der Nachbetrachtung Fragen auf.
Der Zielpunkt-Masseverwalter wird unter anderem zu klären haben, ob die Insolvenz allenfalls verschleppt wurde.
Demnach war Zielpunkt im Lichte fortwährender Verluste (2013/2014: 11,7 Millionen Euro Minus bei 444 Millionen Umsatz) Anfang 2014 mit einem Betrag von 24,9 Millionen Euro buchmäßig überschuldet – was Ernst & Young an der Lebensfähigkeit des Unternehmens zweifeln ließ. Und doch wurde der sogenannte Bestätigungsvermerk mitnichten eingeschränkt. Dies deshalb, weil Eigentümervertreter Georg Pfeiffer Zielpunkt eine Bürgschaft über 16 Millionen Euro zugestanden und das Management eine aus heutiger Sicht recht gewagte „Fortbestandsprognose“ formuliert hatte.
Demnach hätte die Zielpunkt GmbH die Verluste bereits im Wirtschaftsjahr 2014/2015 deutlich reduzieren, spätestens ab 2016/2017 sogar echte Gewinne schreiben sollen. Und erst vor drei Wochen hatte Pfeiffer in einer Pressekonferenz „Probleme“ bei Zielpunkt rundheraus in Abrede gestellt. Jetzt heißt es plötzlich, dass die Handelskette auf Sicht „zumindest 60 Millionen Euro“ gebraucht hätte, um über den Berg zu kommen. Das ist nicht konsistent. Der Zielpunkt-Masseverwalter wird unter anderem zu klären haben, ob die Insolvenz allenfalls verschleppt wurde (wofür es derzeit aber keinen Beleg gibt). An einem Nebenschauplatz kam es indes zu einer eher sonderbaren Koinzidenz: Vor wenigen Tagen hatte Pfeiffer die Übernahme von rund 70 Zielpunkt-Filialen ins Eigentum finalisiert, die bis dahin der deutschen Tengelmann-Gruppe gehört hatten – von Pfeiffer angemietet und an Zielpunkt untervermietet worden waren (Tengelmann war zwischen 1972 und 2010 Eigentümerin von Zielpunkt, respektive deren Vorgängerin Löwa gewesen). Was prompt den Vorwurf nährte, Pfeiffer habe lieber auf eigene Rechnung in Immobiliengeschäfte statt in den Fortbestand der Tochtergesellschaft investiert.
Wie viele der rund 2800 Beschäftigten tatsächlich bei der Konkurrenz unterkommen, lässt sich derzeit nicht annähernd absehen.
Pfeiffer-Sprecherin Martina Macho hält auf profil-Anfrage fest, dass es das Ziel gewesen sei, „Zielpunkt durch die Übernahme von knapp 70 Standorten ins Eigentum der Pfeiffer Handels GmbH abzusichern. Durch diese Übernahme hätten die zum Teil sehr hohen Mieten für Zielpunkt reduziert und das Unternehmen entlastet werden sollen.“ Der Deal sei seit dem Frühjahr entwickelt worden, der (noch unter kartellrechtlichem Vorbehalt) stehende Vertragsabschluss „im Frühherbst 2015 mit geplantem Erwerb im Jahr 2016“ erfolgt. Die Optik ist jedenfalls verheerend. Schließlich versetzt dieses Geschäft die Pfeiffer-Gruppe (die ihren traditionsreichen Großhandel C + C Pfeiffer kürzlich an die Schweizer Coop-Gruppe abgetreten hat) nun in die nicht notwendigerweise unangenehme Lage, die Objekte alsbald bestandsfrei weiterverwerten zu können.
Wie viele der rund 2800 Beschäftigten tatsächlich bei der Konkurrenz unterkommen, lässt sich derzeit nicht annähernd absehen. Für deren offene Lohn-/Gehalts- und Abfertigungsansprüche muss nun der staatliche Insolvenzentgeltfonds aufkommen. Doch die Abwicklung dauert. Zwischenzeitlich haben einige Banken reagiert. Die Erste Bank zum Beispiel stellt Zielpunkt-Mitarbeitern bis auf Weiteres einen zinsenfreien Überziehungsrahmen von bis zu drei Monatsgehältern zur Verfügung, die Santander Bank stundet betroffenen Kreditkunden die Monatsraten bis Jänner kommenden Jahres. Völlig unklar ist übrigens auch, was all das für die Eichhörnchen des Tiergartens Schönbrunn bedeutet. Für diese hatte Zielpunkt erst im September eine Patenschaft übernommen.
Zahlen, Zahlen, Zahlen
In kaum einem Land ist der Lebensmittelhandel so konzentriert wie in Österreich (Zahlen: 2014)
- 35% REWE (Billa, Merkur, Adeg, Penny) - 31% Spar - 19% Hofer - 4% Lidl - 3% Zielpunkt
Und in kaum einem Land ist die Supermarktfläche pro Einwohner so groß wie in Österreich. das zeigt, wie übersättigt der Markt ist (Zahlen: 2013)
- Österreich: 1,80m2 pro Person - Deutschland: 1,46m2 pro Person - Frankreich: 1,23m2 pro Person - Slowakei: 0,89m2 pro Person