Das Bild zeigt eine praktische Ärzten im Diagnosegespräch.
Bild anzeigen

Ärzte in Aufruhr: Wie die Politik die Erfassung von Krankheiten vermurkst

Das Gesundheitsministerium will im großen Stil Patientendaten speichern lassen. Datenschützer sind alarmiert, die Ärzte rebellieren.

Drucken

Schriftgröße

Peter Hallmann legt Wert darauf, seinen Patientinnen und Patienten in die Augen zu schauen. Der Wiener HNO-Facharzt will möglichst viel der knapp bemessenen Zeit verwenden, um im Zwiegespräch Beschwerden abzuklären – und den Blick möglichst wenig auf den Computer richten, um nebenbei Daten zu erfassen und zu verwalten.

Ab Anfang kommenden Jahres wird Hallmann dem Bildschirm während der Konsultationen mehr Augenmerk widmen müssen als bisher. Dann wird eine Vorschrift mit der Bezeichnung „Ambulante Leistungs- und Diagnosedokumentation“ bindend – eine gesetzliche Regelung des Gesundheitsministeriums, die bisher unter dem Radar der Öffentlichkeit blieb, aber seit Anfang November für enorme Aufregung in der niedergelassenen Ärzteschaft sorgt.

Murks, Sackgasse, Totalversagen

Medizinerinnen und Mediziner sparen bei ihren Kommentaren nicht mit deftigen Worten: von „komplettem Murks“ ist die Rede, von einem „Musterbeispiel für Totalversagen“, von einer „technischen Sackgasse“ und von einem „gänzlich verkorksten Vorhaben“. Kritik gibt es aber nicht nur seitens der Ärzteschaft und von deren Standesvertretung, der Ärztekammer, sondern auch von Datenschützern, Rechtsanwälten und Vertretern der Softwarebranche.

Worauf bezieht sich der im Moment massiv hochkochende Zorn? Er richtet sich gegen eine Novelle des sogenannten Gesundheitsdokumentationsgesetzes und einer zugehörigen Verordnung, die Ende Oktober zur Begutachtung ausgeschickt wurde – zwei Monate vor der geplanten Gültigkeit.

Ziel der Regelung ist eine grundsätzlich unbestritten sinnvolle Maßnahme: Ärzte sollen künftig sämtliche Diagnosen, die sie bei ihren Patienten stellen, detailliert erfassen, standardisiert nach einem allgemeingültigen Kodierungssystem abspeichern und zentral einmelden. Wenn dies flächendeckend und zuverlässig geschieht, so die Idee, würde Österreich endlich eine solide Datenbasis aufbauen, um wichtige Statistiken daraus ableiten können – um die Entwicklung chronischer Krankheiten zu beobachten und epidemiologische Prognosen erstellen zu können.

Alwin Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft