Experten sehen keine Gefahr

Asteroid "2004 BL86" rast am Montag an Erde vorbei

Weltraum. Großer Asteroid rast am Montag an Erde vorbei

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Abwehr-Experten bleiben gelassen. "Bei "2004 BL86" besteht keine Gefahr, dass er die Erde trifft", sagte Gerhard Drolshagen, der bei der europäischen Weltraumagentur ESA in Noordwijk auf erdnahe Objekte spezialisiert ist.

Schlechte Aussichten für Hobby-Astronomen
"Seine Bahn ist relativ gut bekannt", fügte der Experte hinzu. Der Gesteinsbrocken wird am 26. Jänner in einer Entfernung von 1,2 Millionen Kilometern am blauen Planeten vorbeifliegen, das ist etwa das Dreifache der Distanz zwischen Erde und Mond. "2004 BL86" habe einen Durchmesser von 450 bis 900 Metern und sei damit verhältnismäßig groß, erklärte Drolshagen. Für Hobby-Astronomen dürfte es am Abend wegen dichter Bewölkung dennoch schwer werden, den Koloss zu entdecken, prognostizierte der Deutsche Wetterdienst am Freitag. Dafür werde ein kleines Teleskop benötigt.

Experten werden den Asteroiden nicht unbeobachtet lassen, da seine Maße noch nicht genau bekannt sind. "Wenn er in die Nähe kommt, kann man ihn besser untersuchen", so der Fachmann. Informationen über erdnahe Himmelskörper sind enorm wichtig. Sollte es tatsächlich einmal zu einem Einschlag kommen, drohen die Verwüstung ganzer Regionen und auch globale Auswirkungen. Freigesetzt werden kann die Kraft unzähliger Atombomben.

Erinnerungen an 2013 und 1908
Das Heranrasen von "2004 BL86" weckt Erinnerungen. Über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk explodierte 2013 ein kleinerer solcher Himmelskörper. Trotzdem wurden rund 7.000 Gebäude beschädigt, etwa 1.500 Menschen verletzt. Die Explosion soll die zerstörerische Kraft von 30 bis 40 Hiroshima-Atombomben gehabt haben.

Schon damals traten außerdem immer wieder Vergleiche mit dem sogenannten "Tunguska-Ereignis" vom 30. Juni 1908 zu Tage. Damals gab es in der Nähe des Flusses Steinige Tunguska in der sibirischen Taiga eine gewaltige Explosion, die höchstwahrscheinlich von einem Asteroiden oder Kometen ausgelöst wurde. Dieser brach beim Eintritt in die Atmosphäre auseinander und explodierte in einem sogenannten Airburst.

In dem entlegenen Gebiet kamen zwar vermutlich keine Menschen ums Leben, es wurden aber auf einem Gebiet von 2.000 Quadratkilometern schätzungsweise 60 Millionen Bäume gefällt. Die Druckwelle drückte in einer 65 Kilometer entfernten Handelssiedlung Fenster und Türen ein und war noch über Hunderte Kilometern hinweg spürbar.

Riesen-"Airbursts" wie in Tunguska als Jahrtausendereignisse
1908 brach der Himmelskörper vermutlich etwa 6.000 bis 8.000 Meter über der Erdoberfläche auseinander. "Wenn so ein Objekt in mehrere Teile auseinanderbricht, dann explodiert es, weil sich plötzlich die Oberfläche vergrößert. Statt eines Teils sind es dann viele, damit vergrößert sich auch die Reibungswärme und es kommt zur spontanen Explosion", erklärte der Astronom und Wissenschaftsautor Florian Freistetter anno 2013. Die Auswirkungen seien mit der Zündung einer großen Bombe in der Luft vergleichbar. Es gibt eine starke Druckwelle, die auf der Erdoberfläche große Schäden anrichten kann. "Airbursts" solchen Ausmaßes finden laut dem Astronomen allerdings nur alle paar hundert bis tausend Jahre statt.

Aufgrund der Tatsache, dass der Ort des Geschehens sehr entlegen ist und 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, erreichten erst 1927 russische Wissenschafter das Gebiet. Die Verwüstungen waren auch nach fast 20 Jahren noch deutlich sichtbar. "Damals wusste man aber nicht, was passiert war, denn die Tatsache, dass Asteroideneinschläge regelmäßig auf der Erde stattfinden können, hat sich erst in den 1950er-Jahren durchgesetzt", so Freistetter.

Da man in Tunguska aufgrund des "Airbursts" keinen Einschlagskrater fand, ranken sich immer noch teilweise wilde Theorien um die damaligen Ereignisse. In den 1980er-Jahren konnten Wissenschafter mittels Computersimulationen die Bahnen von Asteroiden und auch Einschlagsfolgen analysieren.

Ernste Bedrohung im Jahr 2185?
Laut Astronom Drolshagen habe die ESA eine Risikoliste, in der fast 500 erdnahe Objekte festgehalten sind - logischerweise nur die, die bekannt sind. Als besonders gefährlich und damit auf Platz 1 stehe der Asteroid "2009 FD". Er soll Drolshagen zufolge zwar erst 2185 im Erdumfeld ankommen, das Risiko für einen Einschlag liege aber bei 1 zu 369. "Das ist relativ hoch." Viel früher - im Mai 2022 - kommt "2009 JF1" mit einer Einschlaggefahr von eins zu 3.000.

Grundsätzlich gebe es Möglichkeiten, die Gefahr heranrasender Objekte zu entschärfen, erklärte der Experte. Sie müssten mit einem hochgeschossenen Satelliten entweder von hinten angestoßen, also beschleunigt, oder von vorn getroffen, also gebremst, werden.

(APA/Red.)