"Blackout"-Autor Marc Elsberg: "Man nannte mich Leichentuchwedler"
profil: Am 8. Jänner gab es einen Beinahe-Blackout in Europa. Wie sehr beunruhigen Sie solche Nachrichten?
Elsberg: Der Vorfall zeigt die Schwächen des europäischen Verbundnetzes. Man glaubte wochenlang, das Problem sei in Rumänien entstanden, am Ende war es doch in Kroatien. Das Netz wird immer komplexer, wodurch auch die Kontrolle schwieriger wird. Aber die Sicherheitsmechanismen haben gegriffen, und das ist ein Erfolg.
profil: In Ihrem Buch manipulieren Hacker das Stromnetz. Sollten wir uns davor fürchten?
Elsberg: Natürlich, solche Angriffe passieren permanent. 2015 legten russische Hacker 27 ukrainische Umspannwerke lahm. Alle großen Staaten beherrschen heute diese Art der Konfliktführung. Ein Cyberangriff hätte eine völlig andere Dimension, es könnte Tage oder Wochen dauern, bis das Netz wieder stabil wäre.
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profil: Ein Drittel der Österreicher ist sich der Gefahr eines Blackouts nicht bewusst. Ihr Roman hat viele aufgerüttelt.
Elsberg: Stimmt. Jemand nannte mich deswegen einmal einen Leichentuchwedler.
profil: Welche Lücken im Energiesystem haben Sie am meisten erstaunt?
Elsberg: Im Kleinen haben mich Tatsachen schockiert wie jene, dass man ohne Strom nicht mehr aufs Klo gehen kann, weil die Wasserversorgung und das Kanalsystem ausfallen. Im Großen hat sich seit 2012 einiges verändert, das Netz ist heute noch viel komplexer als damals. Das eröffnet zahlreiche Einfallstore für menschliche Fehler und Bösartigkeiten. Hinzu kommt das politische Versagen bei der Umstellung auf erneuerbare Energie. Man hat Wind-und Sonnenkraftwerke gebaut, aber es fehlen adäquate Leitungen und Speicher. Dadurch werden die Schwankungen im Netz immer dramatischer.
profil: Wovor müssten wir uns im Ernstfall am meisten fürchten?
Elsberg: Vor dem Zusammenbruch der Kommunikation. Das Festnetz wäre sofort tot, der Mobilfunk nach spätestens einer halben Stunde, das Internet auch. Das stürzt die Bevölkerung in eine irrsinnige Unsicherheit. Man weiß aus Erfahrung, dass es binnen weniger Tage zu Plünderungen kommt.
profil: Könnte man das verhindern?
Elsberg: Auf jeden Fall. Hätte jeder Österreicher die empfohlenen Notvorräte für zwei Wochen zu Hause, ließen sich solche Szenen vermeiden. An den Hamsterkäufen zu Beginn der Corona-Krise haben wir aber gesehen, wie schlecht die Menschen vorbereitet sind.
profil: Was wäre im Krisenfall stärker: die Hilfsbereitschaft oder die Ellenbogentechnik?
Elsberg: Nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans waren viele Menschen unter desaströsen Bedingungen eine Woche lang auf sich allein gestellt. Trotzdem waren viele bis zum Schluss bereit, einander zu helfen. In Österreich würde es wohl nach etwa vier Tagen unangenehm werden, solange reichen die Vorräte in den meisten Haushalten.
profil: Würden Sie bei einem Blackout in Wien bleiben oder flüchten?
Elsberg: Ich würde erst mal bleiben, wo ich bin. Ich habe Vorräte für zehn Tage zu Hause.
profil: Fahren Sie eigentlich noch mit dem Fahrstuhl?
Elsberg: Meistens nicht, aber aus Bewegungsmangel, nicht aus Angst. Ein deutscher Katastrophenschützer hat mir einmal erzählt, dass man bei einem Blackout zwei Tage brauchen würde, bis alle Berliner aus den Fahrstühlen befreit wären. Dabei wäre das so einfach zu verhindern. Man kann einen Aufzug mechanisch binnen Minuten in die nächste Etage bringen. Man sollte in jedem Haus mit Lift ein paar Menschen darin schulen. Manche Unternehmen tun das bereits.
MARC ELSBERG, 54. Die Thriller "Blackout" (2012), "Zero" (2014), "Helix" (2016) und "Gier" (2019) des Wieners standen monatelang auf den Bestsellerlisten. Im März erscheint "Der Fall des Präsidenten".