Cyberama von Thomas Vaek Showroom des Subjekts
ICH. ICH. ICH. Immer nur ICH. Auf Facebook könnte man manchmal denken, die Gesellschaft bestehe aus lauter Narzissten, denen es nur darum geht, den anderen und sich selbst eine Art Serien-Selfie der eigenen Großartigkeit zu vermitteln: ICH beim Marathon. ICH am Urlaubsstrand. ICH und mein Hund. ICH vor dem Spiegel. ICH und ICH und nochmals ICH. Das ICH in allen Lebenslagen: ICH total gut drauf, ICH total verliebt oder ICH total besoffen. ICH bin gerade sehr glücklich, ICH mache lauter interessante Dinge, ICH führe ein cooles Leben. Selfies beim Heulen sieht man eher selten. Worum geht es hier eigentlich? Um die Interaktion mit anderen? Oder einfach nur darum, von möglichst vielen gesehen, geliked und kommentiert zu werden? Nein, auf Facebook geht es nicht um Kommunikation. Es geht um Selbstpräsentation, Selbstvermarktung und Selbstoptimierung. Was zählt, bin ICH. Aufs richtige Profilbild kommt es an, auf die Zahl der Freunde, der Likes und Kommentare. Man konkurriert mit anderen um Aufmerksamkeit, Reputation und sozialen Status in einer Art Showroom des neoliberalen Subjekts, das als Unternehmer seiner selbst (M. Foucault) agiert. Sicher, Facebook kann auch warmherzig und sozial sein. Da geht es auch um Authentizität, um Anerkennung, echten Zuspruch und Trost. Und doch: ICH habe keine Lust mehr auf all diese Super-ICHs und ihre super-interessanten ICH-Geschichten von der Art: ICH geh jetzt mit meinem Hund Gassi, ICH hab geduscht oder ICH hatte heute einen wirklich beschissenen Tag. Wir brauchen nicht nur mehr Schutz der Privatsphäre. Wir brauchen auch mehr Schutz vor der ungehemmten Selbstdarstellung anderer, vor den Übergriffen der ICHlinge, die nach unserer Aufmerksamkeit heischen. Oder bin ICH asozial?
Wie denken Sie darüber?