Cyberama: Warum das Fernsehen bleibt
Das klassische Fernsehzeitalter gehe zu Ende, proklamierte Netflix-Chef Reed Hastings kürzlich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die großen Sender brauche kein Mensch mehr, das traditionelle Fernsehen werde durch Streamingdienste ersetzt. Mit dem Fernsehen werde es so sein wie mit der Festnetztelefonie, meinte Hastings. Zwar gebe es heute noch Festnetztelefone: "Aber sie benutzt niemand. Alle haben Smartphones.“ Gut möglich, dass Hastings recht hat; die stark wachsenden Nutzerzahlen von Netflix sprechen für sich. Online-Dienste wie Netflix, Amazon, GooglePlay Movies, iTunes und andere haben heute Tausende Filme im Angebot. Niemand ist mehr an unsinnige Sendezeiten gebunden, theoretisch kann jeder sein eigener Programmchef sein. Alles richtig. Und doch wäre es möglich, dass die Online-Dienste nur Nischenangebote bleiben - und dass ausgerechnet das altmodische, unflexible Fernsehen die Netzrevolution überlebt. Erstens gibt es ein Bedürfnis nach "aggregierten“ Inhalten, also nach medialen Angeboten, die man sich nicht selbst zusammenstellen muss. Zweitens schafft das Fernsehen stabile Gewohnheiten und Rituale, es strukturiert die Zeit - man denke nur an den sonntäglichen "Tatort“. Drittens schließlich hat das klassische Fernsehen immer noch eine soziale Funktion. Es versammelt die Familienmitglieder vor der Glotze, während die Internet-Angebote dazu führen, dass jeder sein eigenes Programm schaut. Das klassische Fernsehen wird überleben, als archaisches Relikt des 20. Jahrhunderts. Es wird überleben, weil viele Menschen keine Lust haben, aus Tausenden Filmen auszuwählen. Weil sie sich einfach berieseln lassen wollen. Weil es ihnen letztlich egal ist, was im Fernsehen läuft. Hauptsache, es läuft irgendwas, es gibt Bier und Chips, und keiner quatscht dazwischen. Wie denken Sie darüber?
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