Oranges Konfetti rieselt durch das Terminal 3 des Wiener Flughafens. „Öl tötet“, steht in schwarzen Lettern auf einem der orangen Banner, das die Klimaaktivistin Afra Porsche in die Höhe hält. Musik dringt aus den mitgebrachten Lautsprechern, in Reden warnen Porsche und ihre Mitstreiterinnen von der Letzten Generation vor dem Klimakollaps. 670 Polizistinnen und Polizisten haben die rund 50 Protestierenden umzingelt. Viel Aufmerksamkeit ernten die jungen Menschen ohnehin nicht: Reisende hasten mit Rollkoffern vorüber, manche verfolgen das Spektakel von Weitem. „Solange sie sich nicht auf die Piste picken“, sagt ein Passagier achselzuckend.
Es ist die letzte Aktion der Letzten Generation in Österreich, die an diesem Samstagvormittag stattfindet; wenige Tage später verkündet die umstrittenste Klimaaktivisten-Gruppe des Landes ihr Aus. „Wir haben gemerkt, dass Politiker:innen nicht bereit sind, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und dass die Menschen nicht aufstehen werden. Deshalb werden wir unseren Protest auch nicht fortführen“, erklärte die Aktivistin Afra Porsche damals. Mit dem berühmten Autobauer ist die Studentin der Sozialanthropologie übrigens nicht verwandt – „Leider. Sonst würde ich mir anständige Klimapolitik einfach kaufen“, scherzt sie beim profil-Interview ein halbes Jahr später. Die fast schon störrische Gleichgültigkeit der Menschen kann sie immer noch nicht fassen. „Nicht einmal die Flut in Niederösterreich hat die Leute aufgeweckt. Alle jammern über das schlimme Wetter, anstatt über die Ursache zu diskutieren.“
„Nicht einmal die Flut in Niederösterreich hat die Leute aufgeweckt. Alle jammern über das schlimme Wetter, anstatt über die Ursache zu diskutieren.“
Afra Porsche, Letzte Generation
Nur 15.000 Menschen versammelten sich am 20. September 2024 österreichweit zum Klimastreik. Da standen im Tullnerfeld noch ganze Siedlungen unter Wasser. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist das mickrig: Damals gingen im Vorfeld der Nationalratswahlen knapp 100.000 auf die Straße, um für eine schärfere Klimapolitik zu protestieren. Kurz darauf saßen die Grünen erstmals in der Regierung. Alle Welt sprach von Greta Thunberg, die von den Mächtigen dieser Welt zum Kaffee eingeladen wurde; die Fridays-For-Future-Bewegung stand auf ihrem Höhepunkt.
Dann kam die Pandemie und mit ihr Lockdowns statt Massendemos. Homeschooling statt Schulstreiks – bis die Letzte Generation 2021 wieder Schwung in die Klimabewegung brachte. In Österreich waren die Klimakleber aus den Protesten gegen den Lobautunnel entstanden; und sie verstanden es vorzüglich, zu provozieren. Im Frühverkehr sorgten sie bei Autofahrerinnen wöchentlich für Wutausbrüche, die Stammtische schäumten, Museumsdirektoren zitterten vor den Farbtöpfen, mit denen Aktivist:innen berühmte Gemälde übergossen (allerdings nur solche, die hinter Glas geschützt waren).
Der Politik wiederum diente die Letzte Generation als willkommener Sündenbock. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte im Wahlkampf 2023 strengere Strafen für die Klimakleber, die FPÖ nannte sie gar „Terroristen“. Die Aktivistin Porsche wurde mehrmals verhaftet und mit Verwaltungsstrafen überschüttet. Der Flughafen Wien verklagte die Letzte Generation wegen der Aktion Ende Juli auf 36.000 Euro Schadenersatz, das Verfahren läuft noch.
Die Gesellschaft zieht nicht mit
„Wir würden das alles weiter auf uns nehmen. Aber die Gesellschaft zieht offenbar nicht mit“, sagt Porsche im Dezember. Während sie in Schwechat protestierte, verzeichnete der Flughafen so viele Gäste wie noch nie. Auch der Verbrauch von Gas, Öl und Kohle brach 2024 trotz des weltweiten Ausbaus von Wind- und Sonnenenergie alle bisherigen Rekorde. Damit wurde es heuer amtlich: Das Paris-Übereinkommen hat sich erledigt. Die Chancen, die Erderhitzung auf unter zwei Grad zu beschränken, sind gleich null. Der aktuelle „UN Emissions Gap Report“ sieht die Weltgemeinschaft im besten Fall auf einem 2,6-Grad-Pfad.
Was der Welt nun bleibt, ist die Hoffnung
Zum Beispiel darauf, dass China den Höhepunkt seines CO2-Ausstoßes heuer überschritten hat (was durchaus der Fall sein könnte). Oder darauf, dass Länder wie Großbritannien ihre großmundigen Versprechen halten. Premier Keir Starmer will die Treibhausgase in den nächsten zehn Jahren um 81 Prozent reduzieren. Bei der ansonsten eher ergebnisarmen Klimakonferenz im November in Aserbaidschan sagte er: „Das Rennen um die sauberen Jobs der Zukunft, um die Wirtschaft von morgen, ist eröffnet. Ich will nicht ins Mittelfeld, ich will an die Spitze.“
Seine Ansage war auch eine Botschaft an den designierten US-Präsidenten Donald Trump. Dieser kann sein Mantra „We are gonna drill, baby, drill!“ („Wir werden nach Öl bohren, Baby, bohren!“) noch so oft wiederholen – auch er wird die Zeit nicht zurückdrehen können. Erneuerbare Energien sind mittlerweile so billig, dass sie mit den fossilen konkurrieren können.
„Noch fünf schöne Jahre“
Klimaaktivistin Afra Porsche tut sich trotzdem schwer mit der Hoffnung. Die Kriege in der Ukraine und in Gaza, die Wirtschaftskrise, die Teuerung: All diese Probleme haben die Erderhitzung in den Hintergrund gerückt. „Aber die Klimakrise bleibt. Wir haben vielleicht noch fünf oder zehn schöne Jahre, bevor es richtig schlimm wird“, befürchtet Porsche. Das treibt sie an, weiterzumachen. Treffen mit den ehemaligen Mitstreiterinnen von der Letzten Generation stehen an. Sie wollen neue Strategien finden, die Menschen wachzurütteln und die Politik anzutreiben. Konsequent gewaltfrei wie bisher, wie sie beteuert. „Aufgeben kommt nicht infrage.“
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Franziska Dzugan
schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.